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Freiwilligendienst Werbung für berufliche Findungsphase

Ist der Beruf wirklich etwas für mich? Um das herauszufinden, gibt es das Freiwillige Soziale Jahr oder den Bundesfreiwilligendienst.

Von Sandra Reulecke 19.09.2016, 09:03

Halberstadt l Den Schulabschluss in der Tasche – und nun? Für Melina Sophie Prüße steht die Antwort schon lange fest. Die 16-Jährige möchte Erzieherin werden. Dafür benötigt sie allerdings Erfahrungen in dem Berufsfeld. „Eigentlich wollte ich deshalb die Schulung zur Kinderpflegerin absolvieren. Die dauert zwei Jahre. Aber das FSJ wird mit angerechnet und dauert nur ein Jahr“, berichtet die Halberstädterin.

Die Abkürzung FSJ steht für das Freiwillige Soziale Jahr. Ein eben solches hat Melina Sophie Prüße in diesem Monat in der Kindertagesstätte „Sputnik“ begonnen – und fühlt sich nach ersten Einblicken in den Arbeitsalltag bestätigt. „Die Arbeit fordert mich und sie macht mir Spaß“, sagt sie. Der größte Vorteil des FSJ ist für sie, dass sie praktische Erfahrungen sammelt. Die 16-Jährige unterstützt die 30 Mitarbeiter der Kindertagesstätte – aber sie ist nicht dafür da, personelle Engpässe oder ähnliches zu kompensieren. Dies betont Susanne Machill vom Landesjugendwerk der AWO (Arbeiterwohlfahrt). Seit 1998 koordiniert der Träger Freiwilligendienste in Sachsen-Anhalt. Das Freiwillige Soziale Jahr richtet sich an 16- bis 26-Jährige. Zudem gibt es die Möglichkeit für den Bundesfreiwilligendienst (BFD). Dafür gibt es keine Alters­obergrenze, jedoch muss man mindestens 16 Jahre alt sein.

Einsatzfelder für beides sind soziale Einrichtungen wie Kindertagesstätten oder die Behindertenpflege, Kultureinrichtungen, Hauswirtschaft, Medien oder die Verwaltung. Ein monatliches Taschengeld von mindestens 250 Euro sind Voraussetzung, zudem sind die Stellen sozialversicherungspflichtig. Ansprüche auf Waisenrente und Kindergeld entfallen durch das Taschengeld nicht. Es wird nur zum Teil auf Hartz-IV-Bezüge angerechnet.

Neben dem Arbeiten in der Praxis gehören dienstbegleitende Seminartage zum Programm. In den Workshops werden sowohl die fachlichen als auch persönlichen Kompetenzen der Teilnehmer geschult.

Der BFD kann in Teilzeit absolviert werden, das FSJ ausschließlich in Vollzeit.

„Beide Möglichkeiten sind arbeitsmarktneutral, es wird also keinen Fachkräften der Arbeitsplatz weggenommen“, betont Susanne Machill. Vielmehr seien BFD und FSJ eine Möglichkeit, sich beruflich zu orientieren. „Gerade Jugendliche wählen diese Findungsphase ganz bewusst, um zu testen, ob der Beruf etwas für sie ist.“

„Manchmal ist die Antwort darauf ein klares Nein. Aber das ist ein gutes Nein“, berichtet Gesine Biber-Herwig, Leiterin der Tagesstätte „Sputnik“. „Manche haben romantische Vorstellungen von der Arbeit und sind von der Realität enttäuscht. Es ist besser, wenn sie das während des Freiwilligendienstes feststellen als während der Ausbildung oder einer Umschulung.“

Das kann Susanne Machill nur bestätigen. Der Freiwilligendienst sei ein Instrument, um die Anzahl von Ausbildungsabbrüchen zur verringern. Doch auch wer merke, dass der Beruf nichts für ihn sei, habe die Zeit nicht vertan, betont sie. „Das FSJ kann etwas leisten, was die Schule nicht kann. Man lernt Verantwortung für andere zu übernehmen und das ist wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung.“ Sie appelliert an Eltern, ihren Kindern die Zeit zu geben, durch ein freiwilliges Jahr herauszufinden, welche berufliche Laufbahn sie einschlagen möchten.

Was sind die Gründe für Erwachsene, die vielleicht schon einen Beruf erlernt haben, den Bundesfreiwilligendienst zu absolvieren? In der Halberstädter Tagesstätte „Sputnik“ sind es nämlich laut Einrichtungsleiterin vor allem Leute über 30, die ein BFD-Jahr absolvieren. „Viele möchten einfach eine neue Richtung einschlagen“, sagt Gesine Biber-Herwig. „Aber auch viele Langzeitarbeitslose, Rentner oder Frührentner nutzen das BFD. Dadurch haben sie eine sinnvolle Aufgabe und fühlen sich gebraucht“, ergänzt Susanne Machill.

Gesine Biber-Herwig freue sich über beides: FSJler wie „Bufdis“. Beides sei eine gute Möglichkeit, um Fachkräfte zu gewinnen. „Letztlich profitieren alle davon: die Freiwilligen, wir und die Kinder“, sagt sie.

Um künftig noch mehr Bewerber anzusprechen, ziert ab sofort eine Plakette die Einrichtung. Sie weist darauf hin, dass der „Sputnik“ eine zertifizierte Einsatzstelle für den Bundesfreiwilligendienst und das Freiwillige Soziale Jahr ist.