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Gleimhaus Kunstgüter gehen auf Reisen

Restauratorin Stefanie Volmer schickt Kunstschätze aus dem Gleimhaus leihweise in andere Museen. Sehr gefragt ist ein Herder-Porträt.

Von Sandra Reulecke 26.07.2017, 08:00

Halberstadt l Im Umgang mit dem Akkuschrauber ist Stefanie Volmer geübt. Die Restauratorin benötigt das Werkzeug häufig für ihre Arbeit im Halberstädter Gleimhaus. Nicht, um die wertvollen, häufig fragilen Stücke vor dem Verfall zu retten, sondern um sie auf Reisen zu schicken.

Für Sonderausstellungen leiht sich das Museum der deutschen Aufklärung Exponate. Und es wird mehrmals im Jahr angefragt, ob Objekte zum Ausleihen zur Verfügung stehen, berichtet Stefanie Volmer. „Spitzenreiter ist das Herder-Porträt.“ Zurzeit ist das Gemälde in der Luther-Ausstellung auf der Wartburg zu sehen.

Gerade einmal rund 220 Kilometer liegen das Museum und der Ausstellungsort auseinander. Dennoch ist die Leihgabe mit einem hohen Aufwand verbunden. „Die Planung einer Ausstellung dauert mindestens ein bis zwei Jahre“, berichtet die Restauratorin. Damit, ein Bild an die Wand zu hängen, sei die Arbeit nicht getan. Eine Ausstellung benötige ein Konzept, einen inhaltlichen roten Faden und eine didaktische Aufbereitung, damit der Besucher die Werke und die Ausstellung verstehen kann.

Kuratoren, die eine Ausstellung zu einem bestimmten Thema planen, werden zum Beispiel in digitalen Archiven und Katalogen fündig, wo sich passende Objekte befinden. Um diese dann geliehen zu bekommen, gibt es ein regelrechtes Bewerbungsverfahren. Der Leihnehmer stellt das Konzept der Ausstellung vor und begründet, warum gerade dieses Objekt benötigt wird, sagt Stefanie Volmer. Nicht zu vernachlässigen ist auch eine detaillierte Beschreibung der Räumlichkeiten. So manche Leihgabe scheitert schlicht daran, dass das Gemälde nicht durch die Tür oder das Treppenhaus passt, berichtet die 34-Jährige.

Längst nicht die einzige Herausforderung: Alte Drucke, Gemälde und Handschriften sind empfindlich. Licht, Luftfeuchtigkeit und Erschütterung können sie schädigen. „Darum gibt es strenge Auflagen, die im Vorhinein geklärt und vertraglich festgelegt werden.“

Einen Großteil dieser Verträge nehmen dabei die Transportbedingungen ein. „Es gibt Speditionen, die sich auf Kulturgüter spezialisiert haben. Sie regeln den Transport quasi von Nagel zu Nagel“, informiert die Halberstädterin. Die Fahrer sind geschult, die Fahrzeuge extra gefedert. Die Leihgaben werden in mehreren Lagen sicher verpackt, bevor sie in erschütterungssicheren Klimakisten verstaut werden. „Wichtig ist, dass das Verpackungsmaterial keine ­chemischen Stoffe absondert oder mit dem Staub auf der Oberfläche der Objekte reagiert“, erläutert die Museumsmitarbeiterin. Luftpolsterfolie und Styropor können also nicht verwendet werden. Statt dessen kommen Seidenpapiere und spezielle Vliesstoffe zum Einsatz. „Jedes Objekt ist anders und muss anders verpackt werden.“

Gleich mehrmals wird der Zustand des Objektes protokolliert: Vor dem Transport, danach, während und nach der Ausstellung, zurück am Ausgangsort. Da bekanntlich Vertrauen gut, Kontrolle aber besser ist, kommt es nicht selten vor, dass Museumsmitarbeiter oder die privaten Leihgeber den Transport überwachen. Stefanie Volmer begleitete ein Objekt zum Beispiel in die Schweiz – einem der entferntesten Orte, wohin das Gleimhaus bislang ausgeliehen hat. „Innerhalb von Deutschland und der EU ist das alles noch recht einfach. In anderen Ländern kommt der Zoll mit seinen Auflagen dazu.“

Dem Leihgeber entstehen für den hohen logistischen Aufwand keine Kosten. Die, sowie die für die Versicherung, hat der zu tragen, der das Objekt haben möchte. „Da können je nach Kunstwerk hohe Summen zusammenkommen“, sagt Stefanie Volmer. Das müsse im Budget-Plan für eine Ausstellung bedacht werden. Denn obwohl Museen keine Gebühren für das Leihen von Kunstwerken zahlen müssen, summieren sich schnell die Kosten.

Vor allem, wenn Restauratoren zum Einsatz kommen. „Der Leihgeber kann veranlassen, dass ein Objekte vor der Leihgabe restauriert werden soll. Auch das zahlt der Leihnehmer.“

Lohnen würde sich der Aufwand trotz allem für beide Seiten, betont Stefanie Volmer. Sonderausstellungen – im Gleimhaus ist gerade „Harz und Arkadien“ zu sehen – locken mehr Besucher. „Auf der anderen Seite ist es schon eine Ehre, wenn Teile einer Sammlung in einer Ausstellung gezeigt werden“, sagt die Restauratorin. Das sei schließlich auch Werbung für das Gleimhaus.