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Heineanum Der Herr der Vögel

Seit einem Jahr ist Rüdiger Becker Leiter des Halberstädter Heineanums. Er will Kinder und Forscher für die Einrichtung begeistern.

Von Sandra Reulecke 07.05.2017, 01:01

Halberstadt l Es ist kühl in dem Raum. Meterhohe Schränke vermitteln den Eindruck, sich in einem Labyrinth zu befinden. Wertvoll sehen sie nicht aus: in einer undefinierbaren Farbe gestrichen, an einigen Ecken platzt der Anstrich ab. Ihr Inhalt aber ist wertvoll und häufig einzigartig, betont Rüdiger Becker.

Er öffnet eine der unzähligen Türen im Magazin des Heineanums und zieht eine Schublade heraus. Dutzende Kolibris stehen darauf. Ihr Gefieder glänzt in bunten Farben. „Einige von ihnen haben noch Mitglieder der Familie Heine gesammelt“, sagt Becker stolz. Als aktueller Leiter des Heineanums ist er quasi in die Fußstapfen der bekannten Halberstädter Familie getreten. Seit gut einem Jahr ist er Direktor, zuvor hat er ein halbes Jahr lang mit seinem Vorgänger Dr. Bernd Nicolai zusammengearbeitet.

Mittlerweile hat sich Becker, der aus Göttingen stammt, gut in Halberstadt eingelebt und einen Bekanntenkreis aufgebaut. Er fühle sich wohl hier, sagt er. Die Altstadt und die Klusberge haben es ihm angetan. „Der Ausblick ist fast wie in der Serengeti“, schwärmt der 55-Jährige. In den Genuss der Landschaft kommt er häufig – er besitzt drei Bienenvölker in den Klusbergen.

Aber nicht Insekten sind seine Leidenschaft, sondern Vögel. Sogar wenn sein Handy klingelt, zwitschert es. Diese Begeisterung möchte er teilen und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Bekanntheit des Heineanums zu steigern. Vor allem Kindern will er die Welt der gefiederten Tiere näher bringen. „Ich möchte die Museumspädagogik stärken, und das nachhaltig.“ Halberstädter sollen sich an das Heinenum erinnern und sagen: „Da war ich schon als Kind“.

Um das zu erreichen, will der Vater zweier erwachsener Kinder enger mit Kindertagesstätten und Schulen zusammenarbeiten. Ein erster Schritt ist getan, mit dem Projekt MuseobilBox. Sechs Wochen lang wird Kindern spielerisch Ornithologie – Vogelkunde – im Heineanum vermittelt. Mit Federn, Farbe und erworbenem Wissen basteln sie eigene Museen im Karton-Format.

Die Hoffnung des Diplombiologen ist es, das Interesse der Kinder für das einzigartige Museum zu wecken – und, dass sie damit ihre Familien anstecken. „Wie müssen noch an dem Bewusstsein der Halberstädter arbeiten, dass sie hier etwas ganz Besonderes haben.“ Sonderausstellungen, Vorträge und Veränderungen in der Ausstellung seien ein Weg.

Öffentlichkeitsarbeit und Medienwirksamkeit ein anderer. So haben Berichte über Saurierknochen, die in Halberstadt gefunden wurden und nun in Braunschweig in der Sonderausstellung Jurassic Harz zu sehen sind, überregionales Interesse für das Haus am Domplatz ausgelöst. „Halberstadt ist eine der wichtigsten Fundstellen in Deutschland für Plateosaurierknochen. Aber das wusste bislang kaum jemanden“, berichtet Rüdiger Becker.

Ein weiterer Grund für den Museumsdirektor, sein Haus noch mehr für Wissenschaftler zu öffnen. „Wir haben eine umfassende Sammlung, die Forschern für ihre Arbeit sehr hilfreich sein kann.“ Dazu zählen 18.700 Bälge – ausgestopfte Vögel. Einige Exponate stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, andere sind wenige Monate alt.

Nicht nur für Wissenschaftler sei es interessant, sie zu vergleichen. „Jedes Lebewesen unterliegt noch immer der Evolution“, sagt der Direktor. „Es kann sein, dass Amseln sich in den kommenden 100 Jahren verändern. Das wird aber erst offensichtlich, wenn man Exponate vom Anfang und vom Ende der Zeitspanne zum Vergleich hat.“

Die Begeisterung für seine Arbeit ist nicht zu übersehen, wenn er darüber spricht. Dabei schlug er zunächst – auf Wunsch der Eltern – einen Beruf ein, der so gar nichts mit Federtieren zu tun hat: Feingeräte-Elektroniker. Anschließende widmete er sich dem Gebiet, das ihn seit der Kindheit fesselt, und begann 1989 ein Biologiestudium.

Nachdem er auf unterschiedlichen Posten in Berlin und Halle Erfahrungen gesammelt hatte, kam er nach Halberstadt. „Meine Arbeit hier beinhaltet alles, was ich vorher gemacht habe: Forschung, Sammlungspflege, Recherche.“ Er sei froh, dass er keinen reinen Schreibtisch Job habe, sondern auch die Gelegenheit, andere für die Welt der Vögel zu begeistern.