Hochzeitsmode Von wegen Traum in Weiß

Das beschauliche Harzstädtchen Bad Lauterberg ist bekannt für Bergbau, Tourismus und Heilbäder - sowie besondere Hochzeitskleider.

Von Sandra Reulecke 03.07.2016, 16:16

Bad Lauterberg l In einem bodenlangen, strahlend weißen Kleid zum Altar schreiten – so stellen sich viele die perfekte Hochzeit vor. Viele – aber eben nicht alle Bräute. Wer nicht das Klassische sucht, ist bei Lucardis Feist in Bad Lauterberg an der richtigen Adresse.

Eine Mischung aus Historischem und Modernem, schweren Stoffen und zarten Details, Verhüllen und Zeigen macht den „Feist-Style“ aus. Leuch-tendes Rot, Schwarz und kräftiges Pink – sonst eher nicht in Brautmodengeschäften zu finden – in dem Geschäft in Bad Lauterberg sind sie häufig zu sehen. „Barock mit Betonung auf Rock“, fasst es Markus Feist zusammen. Er unterstützt seine Frau, berät in der Herrenabteilung, modelt für die Website und kümmert sich um das Marketing.

Nicht nur die Mode ist ungewöhnlich, viele Kunden sind es ebenfalls. Darunter Paare aus der Gothic- oder Fetisch-Szene. Aber auch Homosexuelle, Menschen mit großflächigen Tattoos oder Ältere, die bereits zum wiederholten Male vor den Traualtar treten, zählen dazu. „Zu uns kommen Leute, die sich in Mode von der Stange nicht wohlfühlen“, sagt Markus Feist. Er und seine Frau seien eben auch anders.

Ihre bürgerlichen Namen, ihr wahres Alter – geschätzt befindet es sich irgendwo zwischen 30 und 40 Jahren – ob sie Kinder haben oder nicht und wann sie geheiratet haben – das alles wollen sie nicht preisgeben. Privates soll privat bleiben.

In welcher Kleidung sie getraut wurden, verrät Markus Feist dann doch: Er trug einen weißen Anzug, seine Frau ein Kleid mit weißem Rock und bordeauxrotem Mieder, verziert mit Stoffrosen in der selben Farbe. Designt hat sie es selbst.

Dabei hatte Lucardis Feist zunächst eine ganz andere berufliche Richtung eingeschlagen. Sie war im Marketing tätig, ihr Mann im Verkauf. Ursprünglich stammen sie aus dem niedersächsischen Einbeck, nach Bad Lauterberg hat es sie verschlagen, um für ein Unternehmen, das Blockhäuser herstellt, zu arbeiten.

Doch Lucardis Feist wollte mehr. Ein Geschäft mit Brautmode. Eines, in dem ihre Kollektionen verkauft werden – aus eigener Erfahrung wusste sie, wie schwierig es ist, eines außerhalb der „Norm“ zu finden. Und sie wollte ihre Kreativität ausleben. „Schon als kleines Kind habe ich Geschichten gezeichnet. Geschichten von starken Mädchen in coolen, zerfetzten Kleidern, die die Welt retten wollten“, berichtet die Designerin. Zu ihrem beruflichen Wechsel sagt sie: „Es sollte nicht primär ums Geld verdienen gehen, sondern darum, für sich und andere die Welt ein bisschen schöner zu machen.“

Eine Ansicht, die nicht jeder nachvollziehen konnte. „Unser Steuerberater hat uns für verrückt erklärt“, gesteht Markus Feist lachend. „Und in Bad Lauterberg hießen wir nur ‚das Geschäft, das bald wieder schließt‘.“ Der Anfang im Jahr 2006 sei tatsächlich holprig verlaufen. Beide haben in den alten Jobs weitergearbeitet, um finanziell über die Runden zu kommen, ergänzt er. Doch dank des Internets hat sich die Bekanntheit des Mode-Labels gesteigert.

Aus ganz Deutschland kommen nun Anfragen, aus der Schweiz, England und sogar Australien. Und das längst nicht nur von Frauen. „Die Männermode hat die Kleider fast überholt“, berichtet Markus Feist. Für Bräutigame sei es noch schwieriger etwas zu finden, was anders ist. Bei „Feist“ gibt es Gehröcke, eingearbeitete florale Muster in den Stoffen, barocke Knöpfe.

Etwa 50 Kleider werden jährlich verkauft. Sie kosten von etwa 1500  Euro an aufwärts, die Männerkleidung hat vergleichbare Preise. „Das hängt von den Kundenwünschen ab“, sagt Markus Feist.

Angefertigt werden Kleider wie Anzüge in Handarbeit. Das rustikal anmutende Blockhaus, in dem sich das Geschäft in Bad Lauterberg befindet, ist gleichzeitig die Schneiderei. Mittlerweile sind sieben Schneiderinnen und zwei Verkäuferinnen beim Feist-Label beschäftigt, die nach den Ideen ihrer Chefin die individuelle Kleidung anfertigen und vermarkten.

Der Schaffungsprozess ist das, was den Beruf für die zierliche Blondine so faszinierend macht: „Etwas entsteht im Kopf und wird wahr. Zuerst im Kopf, dann auf dem Papier, auf einer Puppe in der Schneiderei, dann in einem Shooting und dann an einem Brautpaar oder einer Band. Das ist ein wunderschönes Gefühl, für dass ich zutiefst dankbar bin.“

Woher nimmt sie ihre Ideen? „Inspiration ist überall präsent“, berichtet Lucardis Feist, die sich selbst nur bedingt als romantisch bezeichnen würde. „Es ist leicht, schöne Dinge zu finden. Natur, Dichter und Denker vergangener Zeiten, Kinofilme, Bücher – die Welt ist voller Ideen.“ Dabei bedeute Schönheit nicht Perfektion. Im Gegenteil. Das Markenzeichen des Labels – ein schwarzer Strich, den Models wie Verkäufer im Gesicht tragen – sei ein Symbol für das Unvollkommene. „Es macht Menschen doch erst interessant, dass nicht alle gleich sind“, betont Markus Feist.

So zeigen nicht nur durchtrainierte, junge Models die Kreationen. Frauen mit großen Größen und jenseits des 60. Lebensjahrs präsentieren die Mode, ebenso Laienmodels. Da steht auch schon mal der Schwiegervater vor der Kamera oder die Designerin selbst, verrät Markus Feist.

Am liebsten sehen die Beiden die Kleidung jedoch an den Kunden. Hin und wieder werden sie sogar zu den Feiern eingeladen. „Bei Beratungsterminen und Anproben lernen wir unsere Kunden kennen. Wir sind mit ihnen meistens auf einer Wellenlänge und freunden uns an“, berichtet Markus Feist.

Nicht immer trifft das mit der Wellenlänge jedoch auf die Mütter der Bräute zu. „Einige sind anfangs skeptisch. Sie wünschen sich, dass ihre Töchter in Weiß heiraten“, sagt der Modefachmann. „Aber wenn sie dann sehen, wie glücklich sie in unseren Kleidern sind – weil sie zu ihrer Persönlichkeit passen – sind sie eigentlich immer überzeugt.“ Und falls doch nicht – oder die Braut am Ende der Mut verlässt, sich ausgefallen zu kleiden – gibt es in dem Brautladen mit bunter Stilmix-Einrichtung auch eine Auswahl an weißen Kleidern von der Stange.