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Staatsanwalt Öffentliche Fahndungen mit Verzug

Oberstaatsanwalt Hauke Roggenbuck aus Halberstadt erläutert, warum es Monate dauern kann, bis Zeugenaufrufe öffentlich werden.

20.10.2017, 15:45

Halberstadt l Polizei und Staatsanwaltschaft gehen bei ihren Ermittlungen häufig mit öffentlichen Fahndungs- und Zeugenaufrufen in die Offensive. Mitunter liegen zwischen der Tat und dem Schritt in die Öffentlichkeit aber Wochen oder Monate. Warum das oftmals so ist, erklärt Oberstaatsanwalt Hauke Roggenbuck (56), der Chef der Staatsanwaltschaft in Halberstadt, im Gespräch mit Redakteur Dennis Lotzmann

Dennis Lotzmann: Eine Frau stiehlt einer Seniorin im März das Portemonnaie aus der Einkaufstasche, und die Polizei präsentiert gut sechs Monate später ein Video und Fotos von der Tat. Wer soll sich dann noch an entscheidende Details erinnern?

Hauke Roggenbuck: Ein Fall wie dieser sorgt sicherlich für Verwunderung. Allerdings ist immer zu bedenken, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem auch Tätern oder Tatverdächtigen Rechte zugebilligt werden. Polizei und Justiz müssen beispielsweise auch die Persönlichkeitsrechte beachten.

Trotzdem ist schwer zu verstehen, dass wie im aktuellen Fall mehr als sechs Monate ins Land gehen.

Das hängt unter anderem damit zusammen, dass vor einer Öffentlichkeitsfahndung mit Bild und Videosequenz zunächst alle anderen polizeilichen Mittel und Möglichkeiten ausgeschöpft sein müssen. Die Vorgaben in Paragraph 131 b der Strafprozessordnung sind in dieser Hinsicht ganz klar. Die Ermittler müssen vor dem Schritt in die Öffentlichkeit immer erst alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben.

Dann aber mit Blaulicht?

Im Prinzip ja. Wobei man schon unterscheiden muss zwischen Kapitalverbrechen wie Mord oder Totschlag auf der einen Seite und eher kleineren Delikten wie jenem Diebstahl aus der Handtasche auf der anderen. Hier ging es um eine überschaubare Summe Bargeld und Papiere.

Dann also ohne Blaulicht?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Fakt aber ist: Die Abläufe vor einer Öffentlichkeitsfahndung sind klar vorgegeben.

Wie denn ganz konkret?

Nehmen wir als Beispiel die gestohlene EC-Karte, mit der illegal Geld abgehoben wurde, was als Computerbetrug klassifiziert wird. Nach der Anzeige des Geschädigten folgen polizeiliche Ermittlungen, dann wandert die Akte zur Staatsanwaltschaft. Wir kontaktieren die Bank und bitten sie um Herausgabe der Überwachungsbilder. Wenn wir sie haben, müssen wir besagten Gerichtsbeschluss zur Veröffentlichung erwirken. Das sind normale Abläufe, die dauern ihre Zeit. Und sie werden aufgrund der personellen Probleme bei der Polizei nicht eben beschleunigt. Hinzu kommt: All das sind normale Geschäftsgänge auf dem Postweg. Und: Gerade Banken sind, was die Herausgabe von Überwachungsfotos anbetrifft, recht restriktiv. Hier bedarf es immer erst eines staatsanwaltschaftlichen Ersuchens, um die Bilder zu erlangen.

Was letztlich besagten monatelangen Verzug nach sich zieht und zulasten des Erinnerungsvermögens etwaiger Zeugen gehen dürfte.

Das ist leider so. Aber wir reden hier ja auch von eher kleineren Fällen von Diebstahl oder Betrug. Bei größeren Sachen können wir – um mal im Bild zu bleiben – durchaus das Blaulicht einschalten.

Wie das?

Wenn beispielsweise Gefahr im Verzug ist, kann der Richtervorbehalt zur Öffentlichkeitsfahndung, also die Entscheidung auf Antrag durch einen Richter, durch die Staatsanwaltschaft vorweggenommen werden. Dann muss sie aber zeitnah nachgeholt werden, verlangt das Gesetz. Und für wirklich eilige Fälle gibt es sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch bei Gerichten Bereitschaftsdienste. Manchmal sind Verzögerungen aber eben auch hausgemacht.

Wie muss man das verstehen?

Nehmen wir beispielsweise den Tankbetrug. Wir, also Polizei und Staatsanwaltschaft, haben es nicht in der Hand, wann betroffene Tankstellen Anzeige erstatten. Mitunter kommt es bereits hier zu einem Zeitverzug.

Sehen Sie überhaupt Möglichkeiten, die Abläufe zu beschleunigen?

Manche Sachen könnten bei einer besseren Personal- und Sachausstattung im Polizeiapparat sicherlich noch beschleunigt werden.

Arbeiten denn die Gerichte ihre Anträge zeitnah ab?

Die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht klappt völlig reibungslos und zeitnah. Über unsere Anträge wird sofort entschieden.