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Kiesabbau Ilsetal droht Seenlandschaft zu werden

Im Ilsetal zwischen Stötterlingen, Bühne und Hoppenstedt droht in Kürze der Kiesabbau. Die Nachricht hat Landwirte kalt getroffen.

Von Mario Heinicke 11.02.2017, 00:01

Stötterlingen/Bühne/Hoppenstedt l Voraussichtlich noch in diesem Quartal wird das Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) die Planfeststellungsentscheidung für das Kiesabbauvorhaben Bühne-Ost treffen. „Bislang hat das LAGB allerdings keine Sachverhalte ermittelt, die so schwerwiegend sind, dass der Rahmenbetriebsplan nicht zugelassen werden könnte.“ Dieser Satz stammt von Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) in einem Schreiben an den SPD-Landtagspolitiker Andreas Steppuhn. Der Harzer Abgeordnete hatte sich beim Minister auf Bitten vom Stötterlingener Landwirt Joachim Moshake nach dem Stand der Dinge erkundigt.

Für den Kiesabbau sollen etwa 55 Hektar bester Ackerboden geopfert werden. Übrig bleiben soll davon am Ende ein 33 Hektar großer See. Moshake ist als Bewirtschafter am meisten betroffen. Ende November hatte er vom Landesamt ein Schrei-ben bekommen, wonach er mitteilen sollte, mit welchen seiner Flächen er von dem Abbau betroffen wäre.

Familie Moshake war nach dem Krieg entschädigungslos enteignet worden. Nach der Grenzöffnung nahm sie in Stötterlingen die Landwirtschaft wieder auf. Joachim Moshake nennt das Kiesabbauvorhaben jetzt eine zweite Enteignung.

In der Bundesrepublik gehören Kiessande eigentlich dem Grundstückseigentümer. Eine Sonderregelung gab es aber laut Einigungsvertrag von 1991 bis 1996 in den neuen Bundesländern. Hier hatte der Staat Zugriff darauf. Aus dieser Zeit stammt der Antrag eines Goslarer Landwirtes, hier im Ilsetal Kies abbauen zu dürfen.

Seit über 20 Jahren erlebt die Region ein Auf und Ab der Gefühle. Anfangs waren sogar 192 Hektar im Ilsetal und weitere 214 Hektar in einem Stötterlingen-West benannten Gebiet beantragt gewesen. Um 2000 schien das Vorhaben gestorben zu sein. 2001 kam plötzlich die Nachricht, dass ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden soll.

2004 beantragte der Goslarer die Zulassung des Rahmenbetriebsplans. 2005 gab es einen Termin, bei dem den beteiligten Behörden über den Stand der Dinge berichtet wurde. Danach war fast zehn Jahre nichts zu hören. 2014 wurde die Stadt Osterwieck zu einer Stellungnahme aufgefordert – und nun dieser Paukenschlag.

Von Anfang an liefen die Proteste gegen den Kiesabbau bei Manfred Hundertmark in Bühne zusammen. Er war 1994 Bürgermeister geworden und als alter Landwirt bereits seit 1991 Vorsitzender der Teilnehmergemeinschaft für das Flurneuordnungsverfahren Stötterlingen. Er ist heute schlicht fassungslos, dass die Argumente gegen das Vorhaben nichts wert sein sollen.

Dabei geht es um mehr als den guten Ackerboden. Dazu gehört auch der Hochwasserschutz der Ilse. Es geht um das Grundwasser, aus dem flussaufwärts bei Börßum Trinkwasser bis nach Norddeutschland geliefert wird. Es geht um den Wertverlust der Grundstücke wegen Verkehrs-, Lärm- und Staubbelastung der Einwohner.

Zumal zwischen Bühne und Suderode schon seit über 20 Jahren Kies gefördert wird. „Dort standen anfangs zehn Hektar zur Diskussion. Jetzt haben wir eine Kraterlandschaft – und eine Erweiterung auf 60 Hektar.“ Eine ähnliche Entwicklung befürchtet Hundertmark später auch fürs Ilsetal.

Dass durch den Kiesabbau der Ilseradweg gekappt wird, scheint noch das geringste Problem.

Hundertmark und Moshake wollen jetzt die Politik in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen noch mehr sensibilisieren. Doch die Chancen sind eher eingeschränkt. „Wir stehen dem ziemlich hilflos gegenüber“, sagte Manfred Hundertmark.

67 Einwendungen waren im Planverfahren erhoben worden. Die Einwender hätten das Recht, gegen einen Planfeststellungsbeschluss, wenn er dann vorliegt, zu klagen.

Die Akteure vor Ort sind derweil überzeugt davon, dass der Antragsteller nach so langer Vorbereitungszeit alle folgenden Detailpläne in der Schublade hat – und der Kiesabbau dieses oder nächstes Jahr beginnen könnte. Zumal ein Planfeststellungsbeschluss nur für die Dauer von fünf Jahren gilt. Dann muss das Vorhaben begonnen worden sein.