Kultur Richtigen Ton getroffen

Der Quedlinburger Stefan Ulrich ist seit 17 Jahren beim Nordharzer Städtebundtheater beschäftigt.

Von Sandra Reulecke 11.05.2017, 07:00

Quedlinburg l Für Außenstehende mag es seltsam anmuten: Stefan Ulrich steht mit einem Diktiergerät neben einer gluckernden Kaffeemaschine und freut sich, als hätte er einen Schatz entdeckt. So ist es auch.

Der Mann mit der markanten Brille ist Tontechniker am Nordharzer Städtebundtheater und als solcher immer auf der Suche nach dem passenden Geräusch. Dazu braucht es Einfallsreichtum. „Wenn man zwei Mehltüten aneinander reibt, klingt es wie Schritte im Schnee“, verrät er.

Sein Aufgabenbereich sind nicht nur Soundeffekte. „Ich kümmere mich um alles, was mit Musik und Videoinstellationen zu tun hat.“ Dazu gehört auch die interne Kommunikation zwischen Schauspielern, Technikern und Regisseur via Kopfhörern.

Unzählige Regler, Knöpfe, verworrene Kabel und Computer sind notwendig, damit der Ton während einer Vorstellung stimmt. Wo was hingehört, weiß er ganz genau, versichert Stefan Ulrich. Und auch, was zu tun ist, wenn Kabel und Co. streiken. „Manchmal hilft Schütteln, um die Technik wieder in Gang zu bringen“, sagt er augenzwinkernd.

Schließlich sei die Technik nicht auf dem modernsten Stand. Stefan Ulrich ist seit 17 Jahren beim Städtebundtheater angestellt – einige seiner Arbeitsgeräte sind schon länger dort. „Aber es funktioniert alles noch“, versichert er. Es sei schwierig, angesichts des knappen Budgets und des rasanten Fortschritts, insbesondere in Sachen Videotechnik, Schritt zu halten.

Der ursprüngliche Berufswunsch des 38-Jährigen war übrigens alles andere als modern. Orgelbauer wollte er werden. „Ich spiele gern Orgel und Klavier“, erläutert er. Der gebürtige Quedlinburger ergriff zunächst eine Tischlerausbildung, um das Rüstzeug für den Beruf zu lernen. „Ich habe gemerkt, dass das vielleicht doch nicht das Richtige für mich ist.“ Also besann er sich auf andere Interessen: Ton- und Aufnahmetechnik. Und auf das Theater. „Seit meiner Kindheit schaue ich mir regelmäßig Stücke an.“ Werke von Heiner Müller haben es ihm angetan, ebenso „Hamlet“ von William Shakespeare.

Kurzzeitig spielte er sogar mit dem Gedanken, selbst Schauspieler werden. Doch statt im Rampenlicht zu stehen, ist er nun die „Stimme aus dem Off“. Er lernte Veranstaltungstechniker beim Nordharzer Städtebundtheater. Eine Entscheidung, die er nicht bereut. „Theater macht immer noch Spaß. Es ist immer etwas Neues, immer spannend“, schwärmt Ulrich. Zudem sei der Zusammenhalt im kleinen Ensemble sehr gut.

In seinem Job ist er am kreativen Prozess beteiligt. Bis ein Stück so klingt, wie es der Zuschauer schließlich hört, ist es ein langer Weg. Es wird probiert, verbessert, verworfen und neu arrangiert. In der Zeit vor einer Premiere sind die Arbeitstage lang. Da hilft nur eines: Nervennahrung. „Süßes muss sein“, gesteht er lachend. Und so liegen während der Generalprobe von „Mensch Heinrich“ Packungen mit Keksen und Schokolade zwischen Kabeln und Werkzeug in seiner Kammer. Um zu dieser zu gelangen, muss Ulrich einige Treppen erklimmen. Dafür hat er eine gute Sicht: Durch ein großes Fenster kann er auf Bühne und Zuschauerränge schauen.

Das neue Stück ist eine besondere Herausforderung. „Es ist komplett neu geschrieben und muss von uns komplett neu erschaffen werden.“ Dieses Mal sind besonders seine Kenntnisse in der Videotechnik gefragt: Es gibt Trickfilme, einen animierten Bühnenvorhang, ein digitales Lagerfeuer – samt dazugehörigem Knistern.

Auch außerhalb des Theaters dreht sich das Leben von Stefan Ulrich um Töne. Er betreibt seit 16 Jahren ein Tonstudio. Werbung und Hörbücher werden dort eingesprochen, Musikproduktionen finden statt. Von Death Metall- bis hin zu Schlager-Bands nimmt Ulrich alles auf. Eine große Bandbreite – ähnlich wie die privaten Hörgewohnheiten des Technikers. „Ein flexibler Musikgeschmack hilft, wenn man in der Musikproduktion arbeitet. Ich weiß, wie sich Hardrock anhören soll, aber auch, wie Klassik zur Geltung kommt.“

Trotz der Begeisterung für diese Arbeit wird Ulrich sein Tonstudio bald schließen. Schlicht, weil ihm keine Zeit dafür bleiben wird. „Ich beginne im August die Meister-Schule im Berlin“, kündigt er an. Dann heißt es neben dem Job im Theater lernen und üben. „Aber das ist es wert. Meister sind in unserer Branche gefragte Leute – ohne sie darf keine Vorstellung stattfinden.“

Ausgleich findet der 38-Jährige auf Reisen – vorzugsweise in warme Regionen. „Einfach mal gar nichts tun.“ Obwohl. So ganz stimmt das nicht. Ulrich hat vor Kurzem Bootsführerscheine gemacht – die wollen schließlich genutzt werden. Und er hat angefangen, Bass zu spielen. „Aber nur heimlich. Gut bin ich noch nicht“, gesteht er. Es wird also wohl noch eine Weile dauern, bis er sein eigenes Spiel mit dem Tonbandgerät aufnimmt.