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KZ-Gedenstätte Laser und alte Filme für Lagerkarte

Mithilfe moderner Medien Vergangenes vorstellbar machen. Daran wird in der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge derzeit gearbeitet.

Von Sabine Scholz 07.01.2017, 00:01

Halberstadt l Nur was wirklich zu verifizieren war, findet sich auf dem neuen Lageplan des einstigen Konzentrationslagers Langenstein-Zwieberge. „Das ist in der Geschichstforschung ja nicht unüblich, dass es eine Quelle gibt, die eine Aussage trifft, die aber dann nirgendwo anders bestätigt wird.“ Nicolas Bertrand weiß um diese Besonderheiten. Deshalb hat der Leiter der KZ-Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge auch solche nur auf einer Quelle fußenden Details nicht in das Kartenwerk aufgenommen. Anderes hingegen ist sehr genau eingetragen. Wo sich welche Baracke befand, mit tatsächlichem Standort. „Wie wir feststellen mussten, stimmt das tatsächlich Gebaute nämlich nicht immer mit dem akribisch gezeichneten Bauplan für das Lager überein.“

Genauigkeit ist dem Juristen und Rechtshistoriker wichtig. Zumal das, was vor ihm auf dem Tisch liegt, Grundlage für vieles Weitere ist. „Der nächste logische Schritt ist ein virtueller Rundgang und damit einhergehend ein dreidimensionales Modell des einstigen Lagers“, sagt Bertrand. Er blickt auf die großformatigen Papierbögen. Darauf finden sich Grundrisse, ein Laserscan des Geländes, eine Luftaufnahme vom April 1945 und ein Panoramablick auf die Baracken und den Appellplatz des Lagers. Diese Ansicht ist ein Zusammenschnitt mehrerer Fotos, die nach der Befreiung des Lagers von einem amerikanischen Soldaten von einem der Wachtürme aus aufgenommen worden waren.

Studenten und Wissenschaftler der Hochschule Anhalt haben diese Ansicht zusammengestellt, ebenso das andere Kartenmaterial erarbeitet. Akribisch wurden dafür mehrere Quellen herangezogen und kritisch überprüft. Wo standen die Wachtürme? Wo befand sich welche Baracke, um welchen Barackentyp handelte es sich und wie groß waren diese? Neben den Bauplänen der Nationalsozialisten und den Luftbildern lieferte auch der Film, der kurz nach der Lagerbefreiung durch die US-Army aufgenommen worden war, wichtige Details.

Herangezogen werden für die Karten natürlich ebenso die Skizzen und Erinnerungen der ehemaligen Häftlinge, berichtet Nicolas Bertrand. „Viele der Ehemaligen leben ja leider nicht mehr. Aber in unseren Unterlagen befinden sich zahlreiche solcher Skizzen und Erinnerungsberichte“, sagt Bertrand. Und Paul Le Goupil hat nun das Material erhalten, um seine Anmerkungen hinzuzufügen. „Er ist ein sehr detailgenau berichtender Mann“, so Bertrand. Unterstützung geben dem jungen Gedenkstättenleiter ebenfalls die langjährigen Mitarbeiter Günter Liedtke und Gesine Daifi.

„So hat mir Günter Liedtke gezeigt, wo das Maschinengewehr stationiert war. Der Standort dieses MG-Nestes findet sich auf der Karte wieder. Dadurch wird klar, dass die Häftlinge permanent bedroht waren und nicht nur von Zaun und Wachtürmen von einer Flucht abgehalten wurden“, sagt Bertrand. Solche Details sind auch deshalb Jahrzehnte später noch interessant, weil sie Verständnis wecken für die Situation, in der sich die Lagerinsassen befanden.

Wenn alles zusammengefügt ist, kann die Karte zum Einsatz kommen in der Arbeit mit Besuchergruppen. Und sie ist Grundlage für ein Projekt, das außerdem Besuchern zugute kommen soll, die außerhalb der Öffnungszeiten des Gedenkstättengebäudes eintreffen.

Das Lagergelände, ein auf den ersten Blick idyllischer Flecken Natur, ist jederzeit zugänglich. Was sich hier 1944/1945 an furchtbaren Ereignissen abspielte, ist heutzutage nicht gleich ersichtlich. Große Informationstafeln, die für das neue Besucherleitsystem erarbeitet und gestaltet worden sind, geben darüber Auskunft. In kurzen Texten auf Deutsch und Englisch, mit einem Bild, so vorhanden.

Hilfreich auf das Vorstellungsvermögen auswirken sollen sich die genauere Kennzeichnung von Lagergrenzen und Barackenstandorten – wofür wiederum die jetzt erfolgte exakte Standortbestimmung erforderlich war.

Künftig soll den Besuchern aber buchstäblich vor Augen geführt werden, wie das Lagergelände einst aussah. Augmented Reality ist das Zauberwort, das diesen Wunsch erfüllen hilft. Dahinter verbirgt sich eine moderne Software-Applikation. Diese ermöglicht die Überlagerung von tatsächlichem Anblick und dreidimensionalem Modell. Das heißt, wer durch die Kamera seines Smartphones schaut, blickt dann zugleich auf das einstige Lager. Dazu muss sich der Besucher dann allerdings die entsprechende App aus dem Internet herunterladen.

„Noch ist das ein bisschen Zukunftsmusik“, sagt Nicolas Bertrand, „aber die ersten Schritte in diese Richtung haben wir getan. Zum einen mit dem genauen Kartenmaterial, zum andern haben wir die Erstellung solch einer App beim Land beantragt, das heißt, das Geld dafür.“ Das Land hatte bereits die genaue Kartierung finanziert.