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Martini-Türme Ein Job mit guten Aufstiegschancen

30 Meter hoch liegt der Arbeitsplatz von Jens Pforte. Er führt Gäste zur Plattform zwischen den Martini-Türmen in Halberstadt hinauf.

Von Sandra Reulecke 07.08.2016, 08:11

Halberstadt l Der Name ist Programm: Jens Pforte öffnet die Tür, durch die man zu der Treppe der Martini-Türme gelangt. „Vielleicht hatten meine Vorfahren einen ähnlichen Beruf“, mutmaßt der neue Türmer. Er hat sich aber nicht seines Namens wegen beworben. „Man sollte Interesse an der Stadt, in der man lebt, und deren Geschichte haben“, sagt er.

Dass der 49-Jährige nicht aus Halberstadt kommt, wird seinen Zuhörern schnell klar. Eindeutig aus Halle. „Ich hatte die Befürchtung als ich mich beworben habe, dass meine Herkunft ein Problem wird“, gesteht er. Beim Stöbern im sozialen Netzwerk Facebook stieß er auf die Stellenausschreibung des Städtischen Museums Halberstadt. Zu ihm gehört der Aussichtspunkt seit den 1970er Jahren, informiert Museumsdirektor Armin Schulze.

Er sei froh, dass sich jemand für den Posten als Türmer beworben hat, den Burkhard Müller lange Jahre inne hatte. „Für sein Engagement ist ihm zu danken. Er muss leider aus gesundheitlichen Gründen etwas kürzer treten“, informiert Schulze. Dass der Neue kein Ur-Halberstädter ist, sei kein Problem. „Sie sagten mir im Museum, dass es wichtiger ist, wie sehr einem Halberstadt am Herzen liegt, als dass man aus der Stadt stammt“, berichtet Jens Pforte.

Am Herzen liegt sie ihm, ist er doch 1989 der Liebe wegen in die Domstadt gekommen. Zwei Jahre zuvor war er zum ersten Mal zu Besuch. „Die Halberstädter können wirklich stolz sein. Es ist unglaublich, wie sich die Stadt seitdem gewandelt hat“, resümiert er.

Mittlerweile fühle er sich zu Hause in Halberstadt. Der ­Trubel, den er aus der Großstadt kennt, fehle ihm nicht. „Ich genieße die Ruhe hier, da ich hauptberuflich viel unterwegs bin.“ Als Prozessbeauftragter der Deutschen Bahn reist er im gesamtem Bundesgebiet umher. Und auch dank seines Amts als ehrenamtlicher ­Fanbeauftragter des VfB Germania ist er viel unterwegs.

Seit einigen Wochen wird ihm nun selbst Sportlichkeit abverlangt – nicht auf dem Fußballplatz, sondern beim Erklimmen von 129 Stufen. Mehrmals täglich, wenn die Türme zu besonderen Gelegenheiten Besuchern offenstehen. „Das hält fit“, sagt er und grinst. Ihm selbst machen die Stufen nichts aus, so schnell kommt er nicht aus der Puste. „Aber ich hatte schon Besucher, denen ging es anders. Zum Beispiel einen jungen Mann, der brauchte drei Anläufe, um auf die Plattform zu kommen.“ Jedoch sei in diesem Fall nicht Unsportlichkeit, sondern Platzangst der Grund gewesen.

Gut 30 Meter liegt der Aussichtspunkt der Martini-Türme über dem Boden. Für Leute mit Höhenangst ist der Ausblick über die Stadt nur bedingt ein Lohn für den Aufstieg. Und der hat es durchaus in sich: Wendeltreppe aus Stein, Stufen in unterschiedlicher Höhe, Enge. Oben angekommen gibt es keine Scheiben – Wind, Regen, Staub und Schnee gelangen ungehindert ins Innere.

Was muss ein Türmer außer Fitness mitbringen? „Durch meinen Job und als Fanbeauftragter bin ich den Umgang mit Menschen gewohnt, ich muss immer viel reden“, sagt Pforte. Das Geschichtswissen hat er sich durch Material vom Museum angeeignet. Im Zug, auf dem Weg zu einer neuen Arbeitsstelle in München oder Ulm, hat er Zeit, zu lernen. „Zum Glück kann ich mir Zahlen gut merken.“

Aber vielmehr als an Fakten, sind die Turmbesucher an Anekdoten interessiert, hat er bei seiner Feuertaufe Ton am Dom im Juli festgestellt. „Dass die Türme eigentlich gar nicht zur Kirche gehören und Martini deshalb eigentlich eine turmlose Kirche ist, finden viele interessant.“ Die Doppelturmanlage wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts erbaut. Sie diente als Wachtturm.

Und warum sind die Türme unterschiedlich hoch? „Da gibt es verschiedene Theorien. Am besten gefällt mir die: Die Kirche wurden von den Bürgern finanziert. Als ihnen das Geld ausgegangen ist, haben sie den zweiten Turm kleiner gebaut.“ Die wahrscheinlichere Variante: Der Türmer, der gleichzeitig als Wächter tätig war, sollte in alle Himmelsrichtungen blicken können – was nur funktioniert, wenn ihm nicht von einem anderen Turm die Sicht genommen wird.

So richtig spannend scheint der Job allerdings nicht gewesen zu sein. „Es gibt Geschichten, dass der Wächter, der auch im Turm wohnte, sich nebenbei als Schuster verdingt hat“, berichtet Pforte. Mittels Eimer und Seil holte er die Schuhe der Halberstädter zu sich hinauf, putze und reparierte sie und ließ sie wieder herunter.

Wer selbst einmal einen Blick über Halberstadt aus der Perspektive des Wächters genießen will, bekommt am Sonnabend, 20. August, Gelegenheit dazu. An diesem Tag finden die Halberstädter Sommerhöfe statt, und Jens Pforte verwandelt sich mit Umhang und Mütze wieder in den Tümer der Martini-Kirche.