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Nahverkehr  HEX: Kein Anschluss für Börnecke

Der Nahverkehrsanbieter HEX sorgt bei Kunden für Verärgerung. Bis Ende August gilt zwischen Halberstadt und Blankenburg Ersatzverkehr.

Von Dennis Lotzmann 27.07.2016, 01:01

Halberstadt/Blankenburg l Fährt er oder fährt er nicht? Fragen, die sich Bahnreisende zwischen Halberstadt und Blankenburg seit Wochen stellen. Hier ist seit Jahren der Anbieter Transdev mit seiner Marke Harz-Elbe-Express (HEX) für den gesamten Nahverkehr zuständig. Seit Wochen müssen Hex-Kunden die entscheidende Frage, ob ihr Zug wohl fahren wird, verneinen und auf Busersatz hoffen. Der rollte bislang mehr oder minder zuverlässig. Nun ist zwar seit Anfang dieser Woche ein regulärer Schienenersatzverkehr eingerichtet worden. Allerdings sorgt auch der bei Fahrgästen für massive Kritik. Dreh- und Angelpunkt ist die Tatsache, dass der Haltepunkt Börnecke nicht mehr bedient wird.

Torsten Kappe aus Langenstein ist darüber richtig sauer. Seine 16 Jahre alte Tochter Sanja-Sophie absolviert gegenwärtig in Börnecke einen Ferienjob. „Wir knüpfen dabei an erfolgreiche Erlebnisse im Sommer 2015 an“, berichtet der 50-Jährige. Während damals sowohl Job als auch Verkehrsverbindung voll in Ordnung waren, klemme es beim Transport diesmal total.

Dabei war der Plan mit Blick auf die Offerten keineswegs kühn: Die 16-jährige Besitzerin des Schülerferientickets klettert mit ihrem Fahrrad in Langenstein in den Zug und steigt in Börnecke aus. Weil der Haltepunkt dort knapp zwei Kilometer außerhalb liegt, radelt sie das letzte Stück.

Der Ersatzverkehr macht dies unmöglich, denn die Busse enden in Blankenburg. Die Ersatzhaltestelle für Börnecke befindet sich am Pfeifenkrug und ist – bezogen auf die Luftlinie – noch weiter von Börnecke entfernt als Langenstein.

Ein Umstand, an dem jedoch weder HEX noch die Nahverkehrsgesellschaft Sachsen-Anhalt (Nasa) Anstoß nehmen. Die Nasa bestellt beim HEX Beförderungsleistungen und zahlt dafür. HEX-Sprecher Thomas Kleinrensing verweist darauf, dass die Nasa die Ersatzhaltepunkte festlegt. Und der Nasa-Abteilungsleiter für Angebotsplanung und Tarif, Tobias Jensch, hat für diesen Umstand eine Erklärung parat: Der Bahn-Haltepunkt Börnecke heiße mit Blick auf das nächste Dorf zwar so, genutzt werde er aber vorrangig von Ausflüglern des Regensteingebiets. Das befinde sich zwischen Börnecke/Bahnhof und Pfeifenkrug. „Und deshalb spricht aus unserer Sicht auch nichts gegen die Ersatzhaltestelle am Pfeifenkrug“, erklärt Tobias Jensch.

Ob Nasa und HEX mit dieser Sicht bei ihren Kunden punkten können, bleibt fraglich. Zumindest steht Torsten Kappe nicht allein mit seiner Kritik.

Auch Sabine Göricke aus Börnecke ist auf eine Verbindung angewiesen – per Zug oder ersatzweise auch per Bus. Die 65-Jährige wohnt direkt am Bahnhof Börnecke und fährt nicht mehr selbst Auto. „Ich bin jetzt völlig abgeschnitten und komme nirgends mehr hin“, beschreibt sie ihr Dilemma. Zumindest sollte man einen Ruf-Bus oder ein Ruf-Taxi einrichten, schlägt sie vor.

Doch warum ist die Situation beim HEX überhaupt so angespannt? Die offizielle Antwort liefert HEX-Geschäftsführer Matthias Löser: „Neben der aktuellen Urlaubszeit ist es zu einem außerordentlich hohen Krankenstand in der Belegschaft gekommen, wodurch regelmäßig kurzfristige Einschränkungen im Fahrplan unumgänglich wurden“, lässt er in einer Pressemitteilung wissen. Vor allem bei den Lokführern, präzisiert HEX-Sprecher Kleinrensing, gebe es Probleme.

Man sei aber dabei, gegenzusteuern, versichert Kleinrensing. Zwei, drei Lokführer seien eingestellt worden und würden gerade für ihren Einsatz auf den HEX-Strecken geschult. Das koste noch Zeit. Und weil nach dem Ferienende weitere Lokführer planmäßig in Urlaub gingen, „haben wir den Schienenersatzfahrplan heute bis zum 26. August verlängert“, so Kleinrensing am Dienstagnachmittag auf Anfrage. „Wir sind optimistisch, dass wir es dann hinbekommen.“

Doch ist das mit Blick auf die Realitäten bei HEX realistisch? Das Unternehmen gibt seine jetzigen Leistungen Ende 2018 an Konkurrent Abellio Rail Mitteldeutschland GmbH ab. Daher, unken Insider, dürfte es beim Personal schon heute eine große Absetzbewegung geben. Was Kleinrensing verneint: „Wir haben keine Absetzbewegungen und auch keine Negativ-Stimmung.“

Gleichwohl dürfte es schwierig sein, gerade Lokführer bis Ende 2018 zu halten. Deutschlandweit werden die längst wie Goldstaub gehandelt: „Bundesweit fehlen rund 1000 Lokomotivführer, allein bei der Deutschen Bahn sind es etwa 800“, so Gerda Seifert von der Lokführer-Gewerkschaft GdL. Allerdings gebe es mittlerweile Flächentarifverträge, Transdev/HEX seien bereits gebunden, mit Abellio sei die GdL gerade im Gespräch. Bei einem Anbieterwechsel wie er 2018 in Sachsen-Anhalt bevorstehe, gebe es in aller Regel Überleitungstarife.

Letztlich bleibt abzuwarten, ob HEX die aktuellen Probleme ab 27. August tatsächlich in den Griff bekommt. Sprecher Thomas Kleinrensing gibt sich – wie schon in den vergangenen Wochen – optimistisch. Nasa-Abteilungsleiter Tobias Jensch fordert von HEX dauerhafte Lösungen: „Wir haben ganz klar gesagt, dass das mit den Zugausfällen und dem Ersatzverkehr keine Dauersituation werden darf.“ HEX müsse nach Lösungen suchen, um die vertragliche Restlaufzeit bis Ende 2018 abzusichern. Notfalls müsse dabei auch über Kooperationen – beispielsweise mit Nachfolger Abellio – nachgedacht werden.

Und: Sieht die Nasa, die Hex nur für ordentlich erbrachte Transportleistungen bezahlt, Kulanzlösungen für die Betroffenen? „Nein“, sagt Tobias Jensch. Letztlich könnten Kunden wie die 16-jährige Sanja-Sophie Kappe ja bis Blankenburg fahren und von dort aus die Blankenburger Stadtlinie 7 bis Börnecke nutzen, rät er. Sieht so Kundenservice aus?