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Neuer Name Revolutionär in der Lehrerbildung

Das Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte Halberstadt hat bereits einige Namen getragen. Seit Donnerstag heißt es nun Carl-Kehr-Schule.

06.04.2017, 23:01

Halberstadt l Die Schülervertreter des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte (LBZ) Halberstadt waren am Donnerstag in altmodisch anmutende Matrosenkostüme gekleidet. Das hatte einen besonderen Hintergrund: Am Donnerstag hätte Carl Kehr seinen 187. Geburtstag gefeiert. Er ist ab sofort offiziell Namensgeber der Schule für Hörgeschädigte und Taubblinde. Warum dies ein passender Name für das Bildungszentrum ist, das Schüler aus ganz Sachsen-Anhalt besuchen, erklärte LBZ-Leiter Martin Eggert in seiner Begrüßungsrede: Carl Kehr gilt als Begründer der modernen Ausbildung von Lehrern für Gehörlose. Außerdem verbrachte er zehn Jahre in Halberstadt. Es ist überliefert, dass es ihm in der „verkehrsreichen Stadt“, wie er sie nannte, sehr gut gefallen hat.

Zwar war das Einzugsgebiet der Schule mit Schülern aus Aschersleben, Magdeburg, Burg, Wernigerode und natürlich Halberstadt vor 100 Jahren, als sie noch „Provinzial-Taubstummen-Anstalt“ hieß, bereits fast genauso groß wie heute, es gab jedoch Unterschiede. Damals waren Weltkunde, Schönschrift und Handarbeit wichtig. Früher wie heute standen auch Lesen, Schreiben und Rechnen auf dem Stundenplan. Jedoch bietet die Carl-Kehr-Schule der Gegenwart ein zweisprachiges Konzept mit der gesprochenen Lautsprache und dem Unterricht für Deutsche Gebärdensprache (DGS) für alle an, also auch für die Schüler, die nicht darauf angewiesen sind.

Zur Feier des Tages führten die Drittklässler deshalb Lieder zu den Themen Schule und Frühling, gesungen und mit Lautsprache begleitenden Gebärden auf. Eine Dolmetscherin, die aus Schönebeck angereist war, übersetzte die gesamte Veranstaltung zusätzlich in DGS.

Zu der Umbenennung der Schule kam es auf Gesuch der älteren Schüler. Mit Blick auf anstehende Bewerbungen führte der Name zu Missverständnissen und Ausgrenzung, er klang zu sehr nach Förderschule, so Eggert. Die Schüler vermuteten eine Benachteiligung bei der Lehrstellensuche. „Dabei erhalten die Schüler bei uns die gleichen Chancen auf alle Abschlüsse wie an anderen Schulen“, erklärte der Direktor. An der Schule selbst können die Jugendlichen bis zur zehnten Klasse einen Abschluss erwerben, haben aber die Möglichkeit, an anderen Schulen noch das Abitur abzulegen.

Die Schüler, die die Namensgebung anregten, haben das LBZ bereits mit der mittleren Reife verlassen. Jedoch begrüßen die jungen Leute, die aktuell für ihre Abschlüsse büffeln, die Namensänderung. Lena Dörge ist 16 Jahre alt und besucht die 10. Klasse an der Carl-Kehr-Schule. Sie sagt über den alten Namen und die Umbennung: „Ich finde den neuen Namen echt gut. Ich habe das wirklich gemerkt bei den Bewerbungen.“ Josephine Hahn, ebenfalls gerade in der zehnten Klasse, ergänzt: „Wenn die Arbeitgeber Förderschule für Hörgeschädigte lesen, wird man gleich abgestempelt, sie wollen dann gar nichts mehr wissen.“

Eggert wies allerdings darauf hin, dass das LBZ natürlich auch nach der Namensänderung weiterhin das überregionale Zentrum für Hörgeschädigte und Gehörlose bleibt. In diesem Schuljahr wurde allerdings die letzte Vorschulklasse eingeschult; die Kleinen sollen künftig wohnortnah auf die Schule vorbereitet werden.

Zur Namensgebung und Geburtstagsfeier waren neben Lehrern anderer Schulen, der Belegschaft des LBZ und natürlich den Schülern, auch Landrat Martin Skiebe (CDU) und Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke) erschienen. Skiebe sagte in seiner Glückwunschrede, dass es eine gute Idee sei, einen Vorreiter wie Carl Kehr, der seiner Zeit voraus gewesen sei, als Namensgeber zu nutzen, denn es „stärke das Bewusstsein, etwas für andere zu tun.“ Schülervertreter enthüllten feierlich das neue Namensschild.

Zusätzlich bekam jeder Gast einen gelben Carl-Kehr-Button zum Anheften. So können die Anwesenden schon mal die neue Benennung nach außen tragen, bis dann bald auch an der Schule der Name prangt.