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Pension Sorgenfrei Hotelier lässt Muskeln spielen

Nach dem Fund von Cannabis in einer Pension in Sorge laufen die Ermittlungen. Der Betreiber denkt über Schadensersatzforderungen nach.

Von Dennis Lotzmann 25.02.2016, 00:01

Sorge/Magdeburg l Es ist ruhig geworden um Hans Dorrestijn. Doch der Schein trügt. Der Unternehmer, der im Oberharzer Ortsteil Sorge die Pension „Sorgenfrei“ betreibt, kämpft hinter den Kulissen um Rehabilitation und Schadensersatz. Er fordert rund 200 000 Euro und wird nicht müde zu betonen: „Ich habe davon nichts gewusst.“ Davon, dass in seiner Pension eine illegale Cannabiszucht mit mehreren hundert Pflanzen existierte (die Volksstimme berichtete).

Ende Oktober vorigen Jahres kam die Polizei zum unangemeldeten Hausbesuch und hob die illegale Plantage in Sorge aus. Die Ermittler des Landeskriminalamtes wurden damals in zwei Räumen fündig. Besondere Brisanz bekam der Fall, weil Dorrestijn zeitgleich bis zu 160 Asylsuchende in seinem Heim aufgenommen hatte. Die Flüchtlinge hatten laut Staatsanwaltschaft nichts mit der Plantage zu tun.

Nach dem spektakulären Cannabis-Fund reagierte das zuständige Innenministerium rasch: Die Flüchtlinge, die seit September 2015 im Rahmen einer Außenstellen-Regelung für die Zentrale Anlaufstelle (Zast) in Sorge untergebracht waren, mussten die Pension „Sorgenfrei“ verlassen.

Schritte und Konsequenzen, die Hans Dorrestijn so weder nachvollziehen kann noch akzeptieren will: „Ich habe von all dem nichts gewusst“, beteuert er. Und der Pensionsbetreiber gibt sich selbstbewusst und steckt sein Ziel ab: „Ich möchte so schnell wie möglich wieder Flüchtlinge bei mir unterbringen. Ich möchte ihnen helfen.“

Eine illusorische Forderung oder ein Wunsch mit realer Basis? Eine Antwort auf diese Frage geben aktuell weder die Staatsanwaltschaft noch das Innenministerium: „Wir führen umfangreiche Ermittlungen und müssen noch zahlreiche Spuren auswerten“, stellt Frank Baumgarten von der Staatsanwaltschaft in Magdeburg klar. „Wann ein Ergebnis vorliegt, kann bislang nicht abgeschätzt werden“, so der Oberstaatsanwalt. Im Detail mag sich Baumgarten nicht äußern. Nach dem Fund der Cannabispflanzen hatte er im Herbst 2015 erklärt, dass sich die Ermittlungen gegen Dorrestijn als Beschuldigten richteten.

Im Innenministerium sagt man zu vertraglichen Angelegenheiten mit Dritten generell nichts, schon gar nicht zu laufenden Ermittlungen.

Auch Hans Dorrestijn bleibt im Detail eher nebulös. Er signalisiert aber, dass wohl Dritte Urheber und Betreiber jener Plantage gewesen seien und er davon nichts gewusst habe. So äußert sich auch sein Anwalt Torsten Graf: „Wir sehen aktuell eine Tatbeteiligung von Herrn Dorrestijn nicht bewiesen. Er kann und muss diese Plantage nicht bemerkt haben.“

Doch ist das bei mehreren hundert Cannabispflanzen glaubhaft? Die Staatsanwaltschaft sprach nach der Razzia Ende Oktober von rund 700 Pflanzen. Dorrestijn will in der Ermittlungsakte von 400 Pflanzen gelesen haben. Ganz gleich, welche Zahl am Ende korrekt ist – glaubt man Insidern, lässt sich eine illegale Plantage mit 400 Pflanzen ebenso schwer unter der Decke halten wie eine mit 700 Pflanzen: „Man muss belüften, für Wärme und künstliches Licht sorgen – all das kostet ordentlich Strom. Hinzu kommt der Platzbedarf.“

Gleichwohl: Hans Dorrestijn macht nicht nur den Wunsch nach einer erneuten Unterbringung von Flüchtlingen auf, sondern letztlich auch finanzielle Forderungen. „Ich habe einen von September 2015 bis 31. März 2016 befristeten Unterbringungsvertrag mit Verlängerungsoption und ohne Kündigungsklausel“, betont er.

Und: Er habe aufgrund der Unterbringung von 110 bis 160 Asylsuchenden und in der Aussicht auf deren Beherbergung bis mindestens Ende März entsprechende Investitionen tätigen müssen. „Ich hatte zuvor bis zu 60 Betten und musste aufgrund der größeren Personenzahl unter anderem bei den Fluchtwegen mit Feuerschutztreppen nachrüsten.“ Außerdem seien während der neunwöchigen Beherbergung auch Schäden entstanden.

„Wäre der Vertrag seitens des Landes erfüllt worden, wären diese Kosten gedeckt worden“, so Dorrestijn. Aufgrund der fristlosen Vertragskündigung seitens des Landes sei er auf diesen Ausgaben sitzengeblieben. Unterm Strich macht der Pensionsbetreiber rund 200 000 Euro geltend.

So argumentiert auch Anwalt Graf: „Die Kündigung ist nicht gerechtfertigt gewesen, und Herr Dorrestijn hatte eine feste Zusage.“ Graf hofft auf eine abschließende strafrechtliche Bewertung bis Ende März und setzt anschließend auf Verhandlungen mit dem Land.

Von dort, ergänzt Hans Dorrestijn, habe es zwar ein Vergleichsangebot gegeben – „das war aber zu wenig“. Die Konsequenz? „Wenn es nicht zu einer Einigung kommt, werde ich sicherlich klagen“, kündigt er an.