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Platt im Harz Et is Mandag und wedder sau wiet

In Harsleben treffen sich regelmäßig Menschen, um eine fast ausgestorbene Sprache zu sprechen: das Harzer Platt. Noch Mitte des 20. Jahrhunderts war Platt die Umgangssprache.

Von Renate Petrahn 04.08.2015, 23:01

Harsleben l „Et is Mandag und wedder sau wiet, in unsen Darpe is Plattspräketiet. Kumm man midde und laat deck nedder …“, hat Lothar Jeske geschrieben. Der ehemalige Lehrer hielt über lange Jahre die Fäden für das monatliche Treffen der Harslebener Plattsprecher in der Hand, die seit 2008 stattfinden. Ihm zur Seite stand „für das Organisatorische“ Brigitte Fricke, die seit etwa einem Jahr die verdienstvolle Arbeit von Jeske fortsetzt.

Wer am zweiten Montag im Monat (in der Regel) um 18.30 Uhr im Rathaus vorbeischaut, ist bass erstaunt. Denn auch wer nicht Plattdeutsch spricht, ist willkommen. Vielstimmiges Lachen weist ihm den Weg zu den Plattsprechern und -sprecherinnen, in der Mehrzahl Frauen und fast alle im Ruhestand. Nach einigen Minuten Zuhören stellt man fest, Plattsprechen macht Spaß und somit gute Laune, zumal man mehr als 90 Prozent vom „Vertellten“ versteht.

Völlig ungezwungen nimmt sich einer der Anwesenden das Wort, um eine kleine Geschichte zu erzählen, die anderen kommentieren, ergänzen, äußern ihre Meinung zum Gesagten oder erzählen eine neue Geschichte oder lesen sie vor, wie Brigitte Fricke an diesem Nachmittag.

Ein Stichwort reicht und schon fällt einem der Plattsprecher eine Geschichte zu diesem ein. Auffällig ist der meist lustige Tenor des Erzählten und der Mutterwitz vieler Plattsprecher, der sich darin widerspiegelt. Jedes Treffen steht unter einem Motto. Am Montag war es das Wetter: „Wädar jift et immer, gues oder schlechtes.“ Auf dem Plan stehen auch die Jahreszeiten, die Ernte, das Weihnachtsfest und der Fasching (Fasselambt).

Aber diese Themen sind kein Korsett, jeder kann sein Thema selbst bestimmen. Eine Stunde ist für das Treffen der Plattsprecher angesetzt. Diese vergeht wie im Fluge, da es sehr unterhaltsam ist. So wird sich über Harslebener Originale aus der Zeit, als die heutigen Senioren noch Kinder und Jugendliche waren, ausgetauscht, über Erlebnisse und Begebenheiten von früher und von heute.

Manche der Anwesenden schreiben auch selbst. Ein Teil ihrer Erzählungen und Gedichte ist in den Band „Un nune – en been wat op Harzer Platt“ aufgenommen, der 2014 im Papierflieger-Verlag aus Clausthal-Zellerfeld erschienen ist. Zusammengestellt und herausgegeben hat Lutz Wille die heiteren Geschichten und Gedichte aus den verschiedenen Mundartgebieten im Auftrag des Harzklubs. Im Buch enthalten sind neben Texten von noch lebenden Autoren auch Beiträge von Albert Klaus aus Badersleben und den Harslebenern Hermann Vocke, Lothar Jeske und Adolf Keddi.

„Die Plattsprecher haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Sprache nicht nur zu pflegen, sondern auch zu erhalten“, sagt Brigitte Fricke. Und erinnert daran, dass die Ende der 1930er Jahre Geborenen auf den Bauernhöfen mit ihren Eltern und Großeltern nur Platt sprachen.

Brigitte Fricke: „Die Kinder mussten in der Schule eine neue Sprache lernen“. Und das Plattdeutsche habe Vorteile: Es sei eine Sprache, die zu Herzen gehe, und man könne auf Plattdeutsch etwas ohne „anzuecken“ sagen, was im Hochdeutschen nicht möglich sei. Eine enge Verbindung der Plattsprecher besteht zum Gemischten Chor „Harmonie“ aus Harsleben, bei jedem Auftritt werden plattdeutsche Geschichten erzählt. Chorleiterin Gisela Koch hat zudem zwei Enkel, die ab und zu bei den monatlichen Treffen dabei sind.

Das plattdeutsche Harslebener Zauberwort gegen Ärger heißt übrigens „hunnemortchen“, zu hochdeutsch: „kannste vergessen.“

In Harsleben wird die Huy-Mundart gesprochen. Sie ist eine der insgesamt zehn Mundarten im Harzgebiet: Dazu gehören weiter die westliche und östliche Bodemundart, Kernostfälisch, Göttingisch-Grubenhagensch. Unterharzisch, Oberharzisch, Nordthüringisch, Mansfeldisch und Anhaltisch.