Sanierung Rettung für altes Bad

Eine Investorengemeinschaft will die verwaiste Städtische Badeanstalt in Halberstadt sanieren. Architekt Jörg Gardzella stellt den Plan vor.

Von Jörg Endries 12.02.2017, 09:48

Halberstadt l Die schöne Fassade bröselt, Graffitis verkleistern den roten Backstein, Fenster sind zerschlagen oder mit rostfarbenen Stahlgittern gesichert – die einst stolze Städtische ­Badeanstalt in der Bödcherstraße Halberstadts hat Federn lassen müssen. Seinen Charme hat das 117 Jahre alte Haus, in dem Generationen von Halberstädtern das Schwimmen erlernt haben, deshalb nicht verloren. Das repräsentative Gebäude, das noch der Stadt Halberstadt gehört, ist seit fast 20 Jahren verwaist – es verfällt. Diesen traurigen Zustand zu ändern, haben sich der Architekt Jörg Gardzella und eine Investorengemeinschaft aus der Region auf die Fahne geschrieben. „Dazu gehören Leute, die sozial eingestellt sind und den Standort stärken wollen.“ Das ehrgeizige Projekt hat der Groß Quenstedter der Halberstädter Volksstimme präsentiert.

Seit Monaten arbeitet der Architekt am Konzept, dem wertvollen Denkmal eine Zukunft zu geben. Der Plan ist weit fortgeschritten. Wer Gardzella und seine Projekte kennt, weiß, dass das mit einem hohen Qualitätsanspruch geschieht. Jüngstes Beispiel in seinem Portfolio ist die erfolg­reiche Rettung und Sanierung der ehemaligen Gleimschule in der Bismarckstraße in Halberstadt, wo hinter den ebenfalls mehr als 100 Jahre alten Mauern ein modernes Gesundheitszentrum entstanden ist.

Als Freizeiteinrichtung hat das altehrwürdige Bad ausgedient. Mit der Eröffnung des Sealands 1999 war das Kapitel Geschichte. Ideen zur Neunutzung gab es seitdem viele. Keine wurde umgesetzt. Jörg Gardzella und die Investorengemeinschaft wollen Nägel mit Köpfen machen. Ihr Anspruch ist, ein völlig neues Kapitel in der Geschichte des Hauses aufzuschlagen. Dass das mit Abrissarbeiten beginnt, ist zwar nicht schön, aber zwingend notwendig, betont der Groß Quenstedter. Die hinter dem Altbau gelegene Halle, in der sich unter anderem das Schwimmbecken befindet, wird nicht mehr benötigt. ­Sicher könnte man dafür Ideen entwickeln, aber die Sanierung und Neunutzung muss bezahlbar bleiben.

Auf der Abrissfläche entstehen 20 Parkplätze für den künftigen Mieter – das ­Diakonische Werk des Kirchenkreises Halberstadt. Die soziale Einrichtung möchte den sanierten Altbau künftig als Verwaltungssitz und mit einem vielfältiges Angebotsprogramm für Jung und Alt nutzen, wie Geschäftsführerin Gabriele Schwentek bestätigt. „Unser Haus am Johannesbrunnen platzt aus allen Nähten. Wir mussten bereits Wohnungen anmieten, um unsere 300 Mitarbeiter unterzubringen.“ Außerdem müsste die Diakonie viel Geld in das alte Fachwerkhaus investieren, um Brandschutzauflagen zu erfüllen. Der Umzug ins Bad würde nicht nur die Arbeitsbedingungen verbessern, sondern spart der sozialen Einrichtung viel Geld.

Jörg Gardzella: „Der Schwerpunkt der Sanierung liegt auf dem Erhalt des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes ­direkt an der Bödcherstraße und des dazugehörigen Putzbaus aus den 1950er Jahren, wo sich der ehemalige Haupteingang befindet.“ In ihren ursprünglichen Zustand soll die Fassade versetzt werden. Während des Bombenangriffs am 8. April 1945 ist die Badeanstalt schwer zerstört worden. Unter anderem fehlen seitdem über dem Eingang und links am Haus die Giebel-Risalite, neobarocke Teile der Fassade. Über 40 Jahre trug das Bad ein Notdach, sodass der Verlust dieser Elemente nicht groß aufgefallen ist. Vor einigen Jahren musste die Stadt etwa 300 000 Euro (Fördermittel) in ein neues Dach investieren, um das Gebäude zu sichern. Seitdem zieren hässliche Bretterwände die Stellen, wo sich einst die Resalite befanden.

Großen Wert legt Jörg Gardzella darauf, die opulente Eingangshalle mit ihren Säulen, Bogendecken und hochwertigen Fliesenböden wieder ­herauszuputzen. Im ersten und zweiten Geschoss entstehen Büro- und Sozialräume für die Mitarbeiter des Diakonischen Werks. Im Anbau unter anderem Räume für Veranstaltungen. „Das Haus soll ein Platz für die Öffentlichkeit sein, ein Ort, wo man sich treffen kann“, ergänzt Gabriele Schwentek. Im Keller zieht die Kleiderkammer ein. Wichtig sei, dass das gesamte Haus über einen Aufzug barrierefrei erschlossen wird, betont der Architekt.

Verläuft alles nach Plan, könnte bereits in diesem Jahr der Startschuss für die ersten Arbeiten fallen, sagt Jörg Gardzella. Der Stadtverwaltung Halberstadt und dem Stadtentwicklungsausschuss habe er den Plan zur Rettung der Badeanstalt vorgestellt. „Die Resonanz war sehr gut“, sagt der Architekt. Jens Klaus, Fachbereichsleiter Stadtentwicklung, ist begeistert vom Sanierungs- und Nutzungsplan. Den Verkauf der Badeanstalt müsse der Stadtrat noch absegnen. Jens Klaus erinnert: „Es gab viele, die das wunderschöne Gebäude bereits als hoffnungslosen Fall abgeschrieben hatten und sich darüber aufregten, dass wir 300 000 Euro für ein neues Dach ausgegeben haben.“ Jetzt zeige sich, dass das gut angelegtes Geld sei.

„Es wäre ein großer Verlust für das Ensemble in der Bödcherstraße, wenn die ehemalige Badeanstalt als stadtbildprägendes Gebäude aus dem Straßenbild verschwinden würde“, unterstreicht Jörg Gardzella.

Zu den Kosten sagt der Architekt nichts. Aber zum Zeitplan, hinter dem allerdings noch ein Fragezeichen steht. Im März wird das Projekt dem Land vorgestellt, im Juni soll der erste Bauantrag gestellt werden, dann soll der Hallenabriss beginnen, Ende 2017/Anfang 2018 die Sanierung, nach etwa eineinhalbjähriger Bauzeit ist 2019 die Eröffnung vorgesehen. „Alles hängt natürlich von der Fördermittelzusage des Landes ab, sonst ist das Vorhaben nicht finanzierbar“, so der Architekt.