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Seilbahn Schildbürgerstreiche in Schierke

Gleich mehrere „Schilderstreiche“ beschäftigen die Schierker. Wie so oft steht die Seilbahn im Mittelpunkt.

Von Dennis Lotzmann 15.08.2017, 09:00

Schierke l Bis vor wenigen Wochen hat das Schierker Bergwelten-Projekt noch das Zeug gehabt, die Landesregierung in eine tiefe Krise zu stürzen. Hier die CDU- und SPD-geführten Ressorts, die die Gondel-Seilbahn rauf zum Winterberg samt alpiner Abfahrtspiste seit Jahren umsetzen wollen. Dort die bündnisgrüne Umweltministerin, die Umweltrecht verletzt sieht. Mittlerweile ist der Haussegen wieder leidlich hergestellt. Aktuell ist ein Planungsbüro damit beschäftigt, im Streit um Gutachten und Gegengutachten quasi das dritte Obergutachten zu erstellen. Damit soll die Frage, ob Seilbahn und Skipisten mit Moorwald und Umweltschutzvorgaben unter einen Hut zu bringen sind, abschließend beantwortet werden. Dieses Gutachten wollen zwar die Verantwortlichen auf Regierungsebene akzeptieren. Ob sich jedoch auch Umweltschützer diesem Abkommen unterwerfen werden oder den Klageweg beschreiten werden, ist unklar.

Damit ist zum jetzigen Zeitpunkt vor allem eines klar: Nichts ist klar mit dem Seilbahn-Projekt. Trotzdem sind die Verantwortlichen mit augenscheinlich unerschütterlichem Zweckoptimismus unterwegs. Auf zwei in der vergangenen Woche aufgestellten touristischen Wegweisern rühren sie schon mal eifrig für die „Bergwelten Schierke“ mit Seilbahn und alpiner Abfahrtspiste die Werbetrommel.

Ein Schnellschuss, könnte man sagen. Einer, der einem simplen Fehler geschuldet ist, wie aus dem Wernigeröder Rathaus zu erfahren ist: „Der Bergwelten-Hinweis wird in jedem Fall noch abgeklebt, und das sollte eigentlich schon passiert sein“, ist Vize-Sprecherin Katrin Anders bemüht, den visionären Vorgriff auf die ferne Zukunft samt aller Irritationen rasch zu korrigieren.

Wobei ja eben höchst unklar ist, ob die Seilbahn überhaupt jemals gebaut werden kann. Senken die alles entscheidenden Obergutachter Ende des Monats die Daumen, könnte das kühne Projekt im wahrsten Sinne des Wortes die nicht vorhandene Piste runter rauschen. Andernfalls muss zumindest mit Klagen gerechnet werden.

„Als das Schild in Auftrag gegeben wurde, waren die Schwierigkeiten noch nicht absehbar. Zudem gab es entsprechende Signale pro Seilbahn seitens der Landesregierung“, erinnert die Sprecherin im Rathaus. Es gab aber eben auch immer Signale der Umweltschützer, im Zweifel juristische Schritte zu gehen.

Wie auch immer. Auch Roman Müller von der Wernigerode Tourismus GmbH, die ins Schilderprojekt direkt integriert war, übt sich in Schadensbegrenzung. „Wir haben schon mal in die Zukunft geblickt“, sagt er und erinnert ebenso an den langen Vorlauf-Zeitraum. Letztlich sei man wohl auch mit gewissem Optimismus an die Sache gegangen. Außerdem sei es unterm Strich deutlich teurer und aufwändiger, ein solches touristisches Hinweisschild im Nachhinein zu ergänzen.

Vor Ort in Schierke sorgt die Aktion freilich für einige Verwunderung und gibt auch aktuell ein bisschen ins Stocken geratenen Projekten einen leicht komischen Anstrich. Denn auch die „Feuerstein-Arena“, die sich ebenfalls auf der Hinweistafel findet, steht im Moment auf etwas wackeligem Eis. Das Land hat den Geldhahn zugedreht, die Kommunalpolitiker tun sich im Moment schwer, mal eben weiteres Geld locker zu machen. Zwar zweifelt niemand ernsthaft da­ran, dass das Projekt, dem zweifelsohne Leuchtturm-Charakter zukommt, fertiggestellt und Mitte Dezember feierlich eröffnet wird. Trotzdem bleibt ein gewisses Restrisiko.

Deshalb schüttelt auch Ingo Nitschke nur noch mit dem Kopf. „Irgendwie zäumt man hier das Pferd von hinten auf. Wir planen eine Seilbahn, bauen erstmal ein riesiges Parkhaus, stellen dann große Hinweisschilder auf und wissen immer noch nicht, ob die Seilbahn überhaupt mal kommen wird.“

Nitschke, der angesichts der Schildbürgerei sofort zur Kamera gegriffen hat, kämpft selbst auch mit dem Schilderwald in Schierke. Er ist Betreiber des Campingplatzes am Schierker Stern, der Kreuzung am Ortseingang. „Die Schwierigkeit ist, dass auf den gelben Wegweiser-Tafeln die Abfahrt zu unserem Campingplatz nicht klar erkennbar ist“, schildert er das Hauptproblem.

In der Tat gestaltet sich die Konstellation am Knoten der Landesstraßen 99 (von Elend kommend) und 100 (von Drei Annen Hohe kommend) kompliziert. Von Drei Annen kommend, gibt es zunächst rechtsseitig eine Einfahrt zu einem Forstweg, wo viele Autofahrer parken. Dann folgen links die L 99 von Elend und gegenüber die Straße rauf zum Schierker Bahnhof. Und wenige Meter hinter diesem Knoten folgt die Einfahrt zum Zeltplatz.

„Auf dem Schild ist das sehr irritierend und unklar dargestellt“, beschreibt Nitschke die Misere, gegen die er seit knapp vier Jahren kämpft. Er wünscht sich auf den großen gelben Tafeln an L 99 und 100 sowie der aus Schierke herausführenden Kreisstraße einen optisch klaren Hinweis auf die Einfahrt zum Campingplatz. „Zusätzlich sollte dort das Zeichen 366 für Zelt- und Wohnwagenplatz abgebildet sein“, so der 55-Jährige.

Ein Wunsch, mit dem Nitschke keineswegs Unmögliches anstrebt, wie andere vergleichbare gelbe Wegweiser und Hinweistafeln in der Region verdeutlichen. Vielerorts wird auf Campingplätze ausdrücklich hingewiesen – Beispiele sind der Birnbaumteich oder der Campingplatz in Dankerode.

Ein Wunsch aber, mit dem der Schierker in der Kreisverwaltung abgeblitzt ist. Sein im Oktober 2013 gestellter Antrag wurde im Mai 2014 abgelehnt. Nitschke ging daraufhin im Juni 2014 in Widerspruch. Der liegt seit Ende August 2014 beim Landesverwaltungsamt als vorgesetzter Behörde.

„Eine Entscheidung konnte noch nicht getroffen werden“, so eine Behördensprecherin am Montag auf Anfrage. Aufgrund erheblicher Arbeitsbelastungen der damit befassten Mitarbeiter müssten bei der Abarbeitung Prioritäten gesetzt werden. Andere Aufgaben seien vordringlicher gewesen. Das Widerspruchsverfahren werde voraussichtlich Ende September abgeschlossen.

Ingo Nitschke hofft, dass dann im Sinne der Verkehrssicherheit – „immer wieder biegen irritierte Autofahrer hier falsch ab“ – und im Sinne von Tourismus- und Wirtschaftsförderung entschieden wird.

Zurück zur touristischen Schildbürgerei: Die soll jetzt beendet werden, indem der Bergwelten-Passus auf den Tafeln überklebt wird. Auf dass er – irgendwann vielleicht – wieder enthüllt wird. Oder – Plan B – Platz bietet, um für ein anderes touristischen Ziel zu werben.

Ingo Nitschke wartet derweil ab, was aus seinem offenen Antrag wird und bleibt optimistisch: „Dort geht es um ein Schild für etwas, was es noch nicht gibt. Bei uns geht es um etwas, das seit Jahren existiert, für das wir Steuern zahlen und ordentlich Kurtaxe abführen.“