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Sommerabenteuer Reise in den Wilden Westen

Das „Sommerabenteuer“ der Volksstimme führte nach Derenburg ins Indianermuseum. Häuptling Thomas Merbt zeigte den Gästen seine Schätze.

Von Theo Weisenburger 13.07.2017, 01:01

Derenburg l Die Abenteuerreise ins Land der edlen Wilden beginnt mit einer Ernüchterung. „Vergessen Sie ganz viel von dem, was Sie über Indianer wissen.“ Thomas Merbt, von der Volksstimme einst „Häuptling vom Penny-Markt“ getauft, macht es seinen Gästen nicht leicht. Der Begründer und trotz seiner 69 Jahre immer noch nimmermüde Leiter des Derenburger Indianermuseums räumt auf mit all den Mythen, die Karl-May-Leser und Winnetou-Fans für die Wahrheit halten. Obwohl, Fan soll man ja auch nicht sagen. Das Wort kommt von Fanatiker, Thomas Merbt bevorzugt einen anderen Begriff: „Werden Sie Indianerfreunde.“

Das, was der gebürtige Leipziger seinen Besuchern vom Volksstimme-Sommerabenteuer empfiehlt, ist er seit frühester Kindheit. Erst die Besuche im Radebeuler Karl-May-Museum, dann – Merbt lebte seit 1949 in Goslar und später in Süddeutschland – im Jahr 1963 die erste Reise in die USA. Dort lernte er sie kennen, die ersten Amerikaner, die Ureinwohner, die Indianer. All das darf man sagen, nur nicht Rothaut. „Das ist eine Beleidigung.“ Schon wieder etwas gelernt, wie auch gleich die ersten Worte in einer fremden Sprache: How kola! Das ist ein indianischer Gruß und heißt soviel wie „Gute Wege, Freunde“.

Doch bis Thomas Merbt seine Gäste mit diesen Worten wieder ins Derenburg der Jetztzeit entlässt, vergehen einige kurzweilige Stunden. So lange dauert der Streifzug durch die Geschichte der Ureinwohner Nordamerikas und ihrer Eroberer, der Bleichgesichter. Denen Merbt im Übrigen nicht besonders viel Sympathie entgegenbringt. Schließlich beschäftigt er sich nicht nur seit Jahren intensiv mit der Geschichte und dem Alltagsleben der nordamerikanischen Indianer und weiß deshalb sehr genau, welch schlimmen Dinge ihnen die Weißen angetan haben.

Merbt ist auch seit 1998 Stammesmitglied der Santa Rosa Creek in Florida. Von ihnen bekam er seinen Stammesnamen „Turned Apple“. Das stehe für ihn, sagen seine indianischen Freunde: Ein Apfel ist außen rot und innen weiß, er aber sei umgedreht: Außen weiß, aber im Innern rot, also eigentlich ein Indianer.

Diesem Ehrennamen wurde Merbt auch beim Besuch der Sommerabenteurer gerecht. „Ich fühle mich den ersten Amerikanern verpflichtet“, sagte er, und brachte seinen Gästen gleich die wichtigste Regel bei: „Herz öffnen, Augen öffnen, Ohren öffnen.“

Und so spazierten denn die 20 Abenteurer durch die im umgebauten Penny-Markt eingerichteten Ausstellungsräume, öffneten ihre Herzen und ließen sich von Häuptling Merbt in die Welt der Indianer entführen.

Zu besichtigen waren mehr als 3 000 Exponate, von der kleinen Pfeilspitze über von Merbt selbst gefertigte Figuren, indianische Bekleidung bis hin zu Dioramen, in denen das Alltagsleben der Indianer täuschend echt dargestellt wird. Alles garniert von zahlreichen Anekdoten, denn der Museumschef und Ehrenindianer wusste zu jedem Exponat gleich noch eine Geschichte zu erzählen. Kein Wunder, schließlich hat er viele dieser Dinge nicht gekauft, sondern getauscht. Etwa gegen die von ihm selbst hergestellten Indianerfiguren aus Plastik, von denen viele nun in amerikanischen Museen zu finden sind.

Doch Merbt ist nicht nur Indianerfreund, sondern auch begeisterter Lehrer. Sehr zur Freude der jüngeren Sommerabenteurer, denn die kamen trotz Ferien in den Genuss einer ganz besonderen Unterrichtsstunde. Nach all dem Zuhören und der Theorie stand Praxis-Unterricht auf dem Stundenplan.

Häuptling Merbt zeigte seinem Stamm, wie Pfeil und Bogen hergestellt werden. Nicht wie ein Bleichgesicht, nicht in den Baumarkt fahren und mit Bohrmaschine und anderem modernen Gerät hantieren, sondern nach Indianerart „very simple, very simple“ (Ganz einfach, ganz einfach). Man benötigt nur Steine, Holz, Tiersehnen und ein Hirschgeweih, und fertig ist das Indianerwerkzeug, mit dem sich die wunderbarsten Dinge produzieren lassen. Und wer sich geschickt anstellt, kann sogar Feuer machen. Das Schönste dabei: Der Abenteurer muss dazu nicht einmal nach Amerika reisen. Feuersteine gibt es im Harz, und die Anleitung findet sich in einem alten Derenburger Penny-Markt.