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Stadtsanierung  Die „Sonne“ geht wieder auf

In der Halberstädter Altstadt geht die „Sonne“ wieder auf. Unternehmer Michael Herrmann will das leerstehende Fachwerkhaus sanieren.

Von Jörg Endries 15.04.2017, 01:01

Halberstadt l Ein Trauerspiel findet sein Ende. Obwohl niemand mehr an eine Zukunft des ehemaligen Gasthauses „Zur Sonne“ geglaubt hat – es gibt sie. Nach fast 30 Jahren Leerstand und Verfall ist das einst stolze Haus in der Gröperstraße nur noch ein Schatten seiner selbst. Der Unternehmer Michael Herrmann glaubt jedoch fest an eine Zukunft des über 300 Jahre alten Fachwerkhauses. Er hat es erworben. Glauben allein bewegt jedoch nichts. Der Halberstädter will es aus dem Dornröschenschlaf wecken. „1661 erbaut, gehört es zu den ältesten noch erhaltenen Fachwerkhäusern in der Stadt. Grund genug, um es mit einem guten Konzept zu retten“, betont Michael Herrmann.

„Vor etwa drei Jahren habe ich das Haus von der Halberstädter Wohnungsgesellschaft (HaWoGe) gekauft“, berichtet Michael Herrmann im Volksstimme-Gespräch. Natürlich mit einen Fahrplan für das anspruchsvolle Vorhaben Sanierung der „Sonne“. Baustart soll noch in diesem Jahr sein – aller Wahrscheinlichkeit nach im Sommer. Einen Fördermittelbescheid – ohne den das teure Vorhaben nicht zu finanzieren wäre – hat der Unternehmer bereits in der Tasche. Der Bauantrag sei beim Landkreis Harz gestellt, mit der Genehmigung rechnet Michael Herrmann Mitte Mai. „Nur das Fördergeld ist noch nicht geflossen.“

Etwa 1100 Quadratmeter Nutzfläche würden nach dem Um- und Ausbau zur Verfügung stehen. Im Erdgeschoss des Gebäudes entstehen zwei Gewerbeeinheiten. Eine Gaststätte sei nicht dabei. Das Gastronomie-Geschäft in der Kreisstadt sei zu unsicher, begründet der Investor. In den oberen Geschossen entstehen insgesamt sechs Drei- und Vier-Raum-Wohnungen ein. Das gesamte Haus erschließt ein Fahrstuhl barrierefrei.

Gott sei Dank sei die Bausubstanz besser als das äußere Bild vermuten lässt, so der Halberstädter. „Das Gebäude ist trocken. Sogar die komplett erhaltene innere Fachwerkkonstruktion aus Holz befindet sich in einem guten Zustand.“ Sie wird dennoch verschwinden. Innen wird es ein völlig neues Haus, außen bleibt jedoch das Fachwerk erhalten.

Die historische Fassade am Giebel und zur Straßenseite kann sogar komplett wieder hergerichtet werden. „Ein vorausschauender Handwerker aus Groß Quenstedt hat vor Jahren wichtige Schmuckelemente abgebaut, eingelagert und damit gerettet“, berichtet Michael Herrmann. 80 Prozent der hölzernen Schmuckelemente befänden sich in einem sehr guten Zustand.

In der an Fachwerkarchitektur einst reichen Gröperstraße gibt es heute nur noch wenige Häuser wie die „Sonne“. Anders als im Stadtzentrum sind dort viele Fachwerkhäuser nicht dem Bombenangriff am 8. April 1945 zum Opfer gefallen, sondern der Ignoranz der DDR-Obrigkeit. Die „Sonne“ ist ein Zeuge dieser Zeit. Statt die Bau-Schätze zu erhalten, ließ man sie mutwillig verfallen, riss sie schließlich ab, um Platz für hässliche Plattenbauten zu schaffen. Diese bestimmen bis heute in weiten Teilen der Gröperstraße das Bild.

Eindrucksvoll hat vor zwei Jahren die Ausstellung „Halberstadt in Licht und Schatten. Zerstörung. Verfall. Erneuerung.“ die Stadtgeschichte seit 1945 beleuchtet – auch die des Umgangs mit dem Bau-Erbe in der Altstadt. Bereits 1967 habe die Altstadt von staatlicher Seite die Einstufung als historisch nicht wertvolle Fachwerksub­stanz erhalten – damit sei der Abriss als Ziel gesetzt worden, erinnerte die Historikerin Simone Bliemeister. 27,8 Prozent der Gebäude bescheinigte man damals eine Nutzungsdauer von unter zehn Jahren. Erste Planungen sahen vor, 75 bis 80 Prozent der Fläche neu zu bebauen. 1975 wurde die Zahl der zu bewahrenden Häuser auf 98 reduziert, 1985 legte man fest, davon weitere 51 abzureißen. Dafür sollten 1779 Wohnungen neu gebaut werden, 1583 in Plattenbauweise. „Ende der 1980er Jahre war die Altstadt ein Trümmerhaufen“, so die Mitarbeiterin des Städtischen Museums. Nur etwa 320 Fachwerkhäuser haben die Zeit überstanden, wurden saniert oder warten noch darauf.