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Tasse Kaffee Freunde nennen sie nur „Frau Lila“

Ines Friedrich aus Wernigerode alias "Frau Lila"pflegt neben den Faibles für die Farbe Violett und Harzer Mundart eine drittes Hobby.

Von Holger Manigk 09.09.2016, 13:43

Wernigerode l Von Ines Friedrichs Balkon bietet sich ein malerischer Ausblick über die Dächer von Wernigerode, zum Brocken und zum Huy am Horizont. Auf dem Tisch hat die Platt-Lehrerin und „Harzerin aus Leidenschaft“, wie sie sich nennt, zwei Tassen Cappuccino bereitgestellt – natürlich in Lila, ihrer Lieblingsfarbe.

„Dieses Faible begleitet mich schon von Kindesbeinen an“, sagt die lebenslustige 58-Jährige. „Meine Eltern hatten ein buntes Kaffeeservice vom VEB Kahla – ich wollte aber nie die blaue, gelbe oder grüne Tasse, es musste immer die violette sein“, erinnert sie sich und schmunzelt.

Und wie passt die moderne und auffällige Farbe Lila zu Harzer Brauchtum und Folklore? „Ich habe lila Stickereien auf dem Trachtenkleid, habe dazu ein lila Dirndl“, präsentiert sie ihre ganz eigene Lösung. „Außerdem wollte ich schon immer eine Nenne aus Abbenrode haben“, so die Mutter von drei Kindern. Der Trachtenmantel aus dem Nordharz trage lila Streifen statt der weißen der Wernigeröder Nenne.

Die Farbe zieht sich durch Hof und Haus: Lila Fahrrad und Auto, Kaffeemaschine und Wasserkocher, der Dachgarten mit lila Pflanzenkübeln, Gießkannen und Blüten, das Wohnzimmer mit lila Teppich, Sofa, Lampen und Stühlen – und einer großen Vitrine voller Muscheln und Seesterne.

„Das weiß kaum einer, aber Muscheln sammeln ist meine dritte große Leidenschaft“, verrät Ines Friedrich. Auch dieses Hobby pflege sie schon fast ihr ganzes Leben lang – und zeigt auf ein besonders großes Exemplar – nicht in lila, sondern gelblich weiß. „Diese Teichmuschel habe ich als Kind gefunden – in Wernigerode“, sagt die Lehrerin für Harzer Platt stolz.

Diesen Lehrer-Job habe sie anfangs gar nicht antreten wollen. „Die damalige Amtsleiterin für Schule, Kultur und Sport, Rita Ahrens, hat mich 1999 vier-, fünfmal gefragt, ob ich Platt lehren will“, erinnert sich Ines Friedrich. „Sie wusste, dass ich Akkordeon spielen und mit Kindern gut umgehen kann.“

Ursprünglich habe die diplomierte Chorleiterin als Hygiene-Inspektorin gearbeitet, dann als Vertreterin für Tupperware. „Ich konnte gar kein Platt sprechen und war mir unsicher, ob ich der Aufgabe gewachsen bin.“ Das sei typisch für ihr Leben. „Ich musste immer mit den Aufgaben wachsen – meistens als Autodidakt.“ Also habe sie das Harzer Platt gelernt und – gemeinsam mit ihrer Lehrerin Jutta Wagner – das Wörterbuch für Helmstedter Platt an den alten Wernigeröder Dialekt angepasst.

Inzwischen hat sie rund 700 Kindern die Sprache gelehrt. „Jeden Tag besuche ich eine Schule, danach geht es in den Studienkreis und abends – nach meiner Entspannungspause im Garten – setze ich mich an den lilafarbenen Computer und schreibe neue Lieder für die Harzer Kramms.“ Die Kinder bringen ständig neue Ideen mit zu den Chorproben. Dann heiße es: „Frau Friedrich schreib mal was über Fußball oder Bühnentechnik.“ Die Frau in Lila hat während der vergangenen 16 Jahre mehr als 40 Titel in Harzer Platt verfasst.