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Tiere Doch kein Nachwuchs im Olmenreich

Die Rübeländer Grottenolme werden in diesem Jahr keinen Nachwuchs bekommen. Das letzte von fünf Eiern ist abgestorben.

Von Ingmar Mehlhose 28.10.2016, 11:05

Rübeland l „In den letzten Wochen ist in mir immer mehr die Erkenntnis gereift, das wird nix“, sagt Anne Ipsen. Die promovierte Biologin hält es sogar für erstaunlich, dass das letzte der ursprünglich fünf in den Aquarien gehüteten Grottenolm-Eier überhaupt noch vorhanden ist. Die Projektleiterin: „Ich hätte erwartet, dass es sich verpilzt.“

Inzwischen wird es allerdings nicht größer, sondern trocknet aus. Anne Ipsen: „Das ist ein Zeichen dafür, dass der Fötus nicht lebt.“ Und: „Die Natur ist in diesem Fall gnadenlos.“

Für die Geschäftsführerin des Noctalis – Welt der Fledermäuse im schleswig-holsteinischen Bad Segeberg, bedeutet das 2015 in der Rübeländer Hermannshöhle begonnene Vorhaben dennoch ein Erfolg. Die Wissenschaftlerin: „Wir haben gesehen, es kann gehen.“ Mehr noch: Erstmals nach 85 Jahren konnte der Nachweis geführt werden, dass sich die Schwanzlurche paaren.

Grundlage dafür war die am 7. Januar 2015 gelungene Bestimmung, dass fünf der neun noch existierenden Grottenolme Weibchen sind, die sogar Eier trugen (Volksstimme berichtete). Olivier Guillaume, Leiter des Labors für experimentelle Ökologie am Center National for Research Scientific (CNRS) in Moulin (Frankreich), und selbst Züchter, nährte damit die Hoffnung, die deutschlandweit einzige Population könnte sich fortpflanzen.

Das daraufhin mit finanzieller Unterstützung von Lotto Toto Sachsen-Anhalt sowie engagierter Betreuung durch die Harzer Höhlenforscher und den Tourismusbetrieb der Stadt Oberharz am Brocken gestartete Projekt ist zwar im ersten Anlauf gescheitert. Anne Ipsen: „Aber ich bin ganz optimistisch. Das hat eine Chance, denn die Tiere sind offensichtlich fit.“

Eine Spezies, die so lange und unter solch spärlichen Bedingungen erhalten bleibt, wird irgendwann Nachkommen zeugen, ist sich die Wissenschaftlerin sicher. Das weiß sie aus Fachgesprächen mit ihrem Kollegen in Moulin und Experten in Slowenien, wo unterirdische Labore für ein Schutzprojekt unterhalten werden. 80 Jahre dauerte es dort bis zum ersten Zuchterfolg. „Wir sind also nicht so schlecht im Trend“, sagt die Forscherin.

Momentan besteht sogar die Hoffnung, die Amphibien könnten eventuell bereits 2017 erneut Eier legen. Grund für diesen Optimismus ist die Tatsache, dass die Bewohner des Olmensees wie schon im vergangenen Herbst begonnen haben, sich aktiver zu zeigen. Anne Ipsen: „Sie schwimmen relativ häufig im Gewässer umher und sind auch außerhalb der Rückzugsbereiche unter Steinen zu sehen.“ Dies könnte als territoriales Verhalten und damit Ankündigung von Paarungsgebaren der Tiere, vor allem der Männchen, gedeutet werden.

Sollte es tatsächlich gelingen, jetzt oder in naher Zukunft die Schwanzlurche in der Rübeländer Hermannshöhle zu züchten, wäre dies auch ein Ergebnis des Ringens vieler Partner um den Fortbestand der nördlichsten Olmen-Population der Welt.

„Wir werden dann schneller, wacher sein und können es besser deuten“, sagt Anne Ipsen. Und: „Sehr beeindruckt hat mich das Interesse der Leute.“ Deshalb wäre eine weitere, auch finanzielle Unterstützung wünschenswert. Die Projektleiterin: „Es ist schließlich noch nie gelungen, mit so wenigen Informationen so viel Interesse zu wecken.“

Die fast durchsichtigen Proteus anguinus polarisieren. Die Reaktionen reichen von „Oh Gott, was ist das denn?“ bis hin zu „cool und toll“. Aus ihrer Sicht ist das „ein riesiges Potenzial, Menschen für Umweltprojekte zu motivieren“.

90 bis 120 Tage dauert es, bis dass aus den Eiern Larven schlüpfen. Die Überlebenschance liegt lediglich bei zehn Prozent. Anne Ipsen und ihre Mitstreiter kann das nicht schrecken. Sie sagt: „In Höhlen gehen Dinge halt langsamer vonstatten.“