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Verdienstkreuz Lehrer bringt Musik in die Stadt

Hans-Ulrich Sauer erhält das Bundesverdienstkreuz. Der Halberstädter wird für sein Engagement für die Kammermusik geehrt.

Von Jörg Endries 16.11.2016, 00:01

Halberstadt l Post von Bundespräsident Joachim Gauck findet man selten im Briefkasten. Vor 14 Tagen erhielt Hans-Ulrich Sauer einen Brief. Dem Halberstädter blieb beim Öffnen fast die Luft weg. Er bekommt das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschlagen für die Auszeichnung hat ihn Sachsen-Anhalts ­Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Aus seinen Händen erhält der Musikpädagoge am heutigen Mittwoch während eines Empfangs in der Staatskanzlei in Magdeburg die Auszeichnung.

„Ich war so etwas von überrascht, mir fehlten die Worte und ich brauchte erst einmal einen Moment, um die Nachricht zu verarbeiten“, erzählt Hans-Ulrich Sauer im Volksstimme-Gespräch. Aufgeregt schreibt der pensionierte Lehrer seit Tagen an einer Dankesrede. Ehefrau Barbara, sein Sohn, der extra aus München anreist, liebe Freunde und Mitstreiter vom Vorstand des Kammermusikvereins werden den 76-Jährigen an seinem großen Tag begleiten. „Ich bin sehr aufgeregt“, gesteht er

Im Schreiben der Staatskanzlei heißt es: „Sie haben in Ihrer unverwechselbaren Art ein eigenes und bedeutsames Kapitel der Schul-, Bildungs- und Musikgeschichte in Halberstadt geschrieben. Sie sind als Musikpädagoge mit Halberstadt stark verwurzelt. Ihr Name steht für den Beginn und die Pflege kammermusikalischer Welt­literatur.“ Sauer habe damit ein Zeichen über die Grenzen des Landes Sachsen-Anhalt hinaus gesetzt.

Hans-Ulrich Sauer steht in Halberstadt für 50 Jahre ehrenamtliches Engagement für die klassische Musik. Alles aufzuzählen, würde ein Buch füllen. Es begann 1965, damals rief er mit Volker Ungnad einen Kinder- und Jugendchor ins Leben. Das Ensemble bestand bis 1989 und nahm erfolgreich an internationalen Chortreffen teil. 47 Jahre hat er selbst aktiv musiziert – Sauer sang in der Domkantorei Halberstadt.

1969 hob er die internationale Kammermusikreihe „Stunde der Musik“ aus der Taufe, die bis heute mit ihren anspruchsvollen Konzerten viele Musikfreunde in ihren Bann zieht. Halberstadt ist seitdem kein weißer Fleck mehr für die besten Solisten und Ensembles dieser Welt. Viele hat Hans-Ulrich Sauer in seine Heimatstadt geholt. Dafür stehen so berühmte Namen wie Igor Oistrach, Karl Suske, Malcom Fragger, Anton Kuerti, Dmitri Berlinski und viele mehr.

Hans-Ulrich Sauer schreckte zu tiefsten DDR-Zeiten nicht davor zurück, auf eigene Faust einen der besten Solisten, den US-Amerikaner Malcom Fragger, für einen Auftritt in Halberstadt zu engagieren. Dafür fuhr er mit dem Pkw nach Prag, sprach persönlich beim Künstler vor und schaffte das Unmögliche. Anfang der 1980er-Jahre nach der Staatsdoktrin der sozialistischen DDR fast ein Verbrechen, direkt mit dem „Klassenfeind“ zu verhandeln. Sauers grenzenlose Liebe zur Musik überwand Grenzen im Kopf und auf der Landkarte. Malcom Fragger gastierte zweimal in der Stadt – 1978 und 1983.

Bis heute fanden sage und schreibe 400 Kammermusik-Konzerte statt. Bis vor etwa zwei Jahren unter der Regie von Hans-Ulrich Sauer, der dem 1990 gegründeten Kammermusikverein vorstand. Aus gesundheitlichen Gründen musste er loslassen. Sein Herz schlägt bis heute für die Musik und den Verein.