Vogelgrippe Das Leben mit der Seuche

Die Vogelgrippe grassiert auch im Harz. Wie gehen die Züchter damit um?

Von Christian Besecke 10.12.2016, 13:00

Groß Quenstedt l Der Mann im blauen Overall erinnert schon ein wenig an Filme wie „Outbreak“ oder ähnliche Hollywood-Klassiker, die sich mit Seuchenausbrüchen beschäftigen. Er stapft bis zu einer Tür und blickt kurz nach hinten. „Bis hierher und nicht weiter“, sagt er. Danach öffnet er die Pforte und geht zum fest verschlossenen Stall. Hier schließt er die Zugänge auf und verschwindet kurz, dann ist er auch schon wieder da. Nachdem alles wieder gesichert ist, nimmt er den Mundschutz ab. Henning Döring, der 64-jährige Vorsitzende des Kleintierzuchtvereins Groß Quenstedt, hat soeben seine Tiere versorgt.

„So hat das auszusehen“, sagt er. „Diese Vorschriften macht uns das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Jeder Züchter und Halter von Geflügel hat die am 21. November in Kraft getretene Verordnung genauestes zu befolgen.“ Grund ist die derzeit in Europa grassierende Vogelgrippe H5N8. Bis zum 18. November gab es in Deutschland fünf Fälle, bei denen Hausgeflügel an dem Virus verendet ist. Zur gleichen Zeit traf es das Wildgeflügel umso härter. Offiziell starben bis dahin 221 Tiere.

Mittlerweile sind diese Zahlen überholt, selbst im Harzkreis gab es schon zwei verendete Tiere in der Zucht. „Schutzmaßnahmen sind auf jeden Fall wichtig“, erklärt Henning Döring. „Hauptsächlich betrifft die Seuche im Augenblick Wildvögel. In vielen Ländern sind Möwen, Enten und Gänse gestorben. Das zieht sich quer durch Europa, quasi entlang der Wanderrouten nach Süden.“ Ein Übergreifen auf Haustiere sei nicht ausgeschlossen und ist ja auch schon vorgekommen.

Henning Döring hat seine Tiere in zwei verschiedenen Abteilungen untergebracht. Etwas mehr als 40 Hühner drängen sich auf 16 Quadratmetern und 25 Enten sitzen auf acht Quadratmetern, die 100 Tauben befinden sich in einer mit engmaschigem Draht bespannten Voliere. „Anfangs waren Hühner und Enten gemeinsam untergebracht“, berichtet er. „Nach drei Tagen hatte ich erste Fälle von Kannibalismus. Hühner sind über die jungen Enten hergefallen.“ Daher habe er die Tiere getrennt.

Für das Geflügel sei die Situation nicht einfach. Seine Tiere seien es gewohnt, den ganzen Tag auf einem großen Freigelände zu verbringen. „Für sie ist die Situation purer Stress“, schätzt er ein. Er sei dabei, den gesamten Bestand zu verringern. Am Ende sollen es noch 23 Hühner, 6 Enten und etwa 30 Tauben sein.

„Für viele Züchter ist 2016 ein verlorenes Jahr“, berichtet er. „Die großen Schauen fallen bis zum 31. Januar 2017 auf jeden Fall aus. Wer nicht schon frühzeitig unterwegs war, dem sind jetzt die Hände gebunden.“ Die Schauen seien wichtig, um Erfahrungen und Tiere auszutauschen. „Ich befürchte, dass vielen Züchtern der Mut abhanden kommt und sie das Hobby einstellen“, führt Döring aus. „Dadurch gehen unwiederbringliche Arten und Rassen verloren.“ Werbung für den ohnehin spärlich gesäten Nachwuchs sei die Situation ebenfalls nicht. Von den 24 Vereinsmitgliedern in Groß Quenstedt sind nur vier Nachwuchszüchter.

Die Kleintierzüchter aus Groß Quenstedt sind gleich doppelt betroffen, wenn es um Seuchen geht. Bei den Kaninchen grassiert die sogenannte RHD2. Es gab schon zwei Fälle davon in dem Dorf. „Wir wollten unsere jährliche Ausstellung ohne Kaninchen abhalten, dann kam das generelle Verbot vom Landkreis“, sagt Henning Döring.

Die Gefahr der Ansteckung sei für das Geflügel nahezu täglich vorhanden. „Ein Züchterfreund hat mich gefragt, was wohl passieren würde, wenn er Grünschnitt oder Saisongemüse vom Feld verfüttern würde“, berichtet er. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich darauf ein Wildvogel erleichtert hat.“