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Zirkus Diskussion um Wildtiere beschäftigt den Harz

Die von der Tierschutzorganisation Peta angeschobene Debatte um ein Wildtierverbot in Zirkussen beschäftigt den Harz.

Von Dennis Lotzmann 12.10.2016, 01:01

Halberstadt l Der „Circus Afrika“ hat mittlerweile sein Camp in Halberstadt aufgeschlagen. Begleitet wird das am Freitag beginnende Gastspiel von der Diskussion rund um die Kernfrage, ob Wildtiere im Zirkus Qualen leiden müssen und Haltung sowie Auftritten daher ein Riegel vorgeschoben werden sollte. Begleitet wird die Debatte mit Beschädigungen von Zirkusplakaten. Unbekannte haben in Harsleben Tafeln von „Circus Afrika“ mit Klebeband durchkreuzt und weisen mit Fotos und Kritik auf das Schicksal von Zirkustieren hin.

Geht es nach der Tierschutzorganisation Peta und anderen Initiativgruppen, sollten Bundestag oder Bundesregierung der Wildtierhaltung in Zirkussen nach dem Vorbild anderer europäischer Länder grundsätzlich einen Riegel vorschieben.

Das Peta-Engagement im Harz – initiiert vom Gastspiel von „Circus Afriks“ – hat nun das Aktionsbündnis „Tiere gehören zum Zirkus“ auf den Plan gerufen. Dort sieht man die Haltung von Wildtieren wie Löwen, Affen, Elefanten und Giraffen in Zirkussen unkritisch, denn: „Eine tiergerechte Haltung und Dressur von Wildtieren im Zirkus ist nach Stand der Wissenschaft möglich und wird durch den bundesweit bestehenden rechtlichen Rahmen auch geregelt“, lautet eine zentrale These. Zirkustiere würden oft recht alt, was für einen guten Allgemeinzustand spreche.

Eine These, die bei Peter Höffken, Fachreferent Tiere in der Unterhaltungsbranche bei Peta, Kopfschütteln hervorruft. Allein der Transport großer Tiere wie Elefanten, Tiger oder Löwen in kleinen und engen Transportwagen sei für die Tiere Stress. „Zirkus mit Wildtieren ist ein Berufsstand, der auf Tierleid basiert“, so Höffken. Das werde laut Umfragen auch in der Bevölkerung mehrheitlich so gesehen. „Daher würde ein Zirkus ohne solche Tiere besser fahren.“

Mittlerweile, so Höffken, habe sich diese Einschätzung in vielen Ländern etabliert. „Aktuell gibt es in 19 europäischen Staaten ein Wildtierverbot in Zirkussen.“ In Deutschland lasse ein solches globales Verbot bislang leider auf sich warten.

In der Tat gab es mehrfache Initiativen von Bundesländern im Bundesrat, zuletzt im März dieses Jahres. Nach 2003 und 2011 wurde die Bundesregierung im Frühjahr bereits zum dritten Mal von der Länderkammer gebeten, „zeitnah“ ein solches Verbot in Kraft zu setzen.

Begründet wird der neuerliche Vorstoß mit „gehäuften Verstößen“ und Vorkommnissen bei der Haltung von Elefanten, Bären und anderen Großtieren. Neben Haltungsproblemen werden auch „vermehrte Zwischenfälle“ und tödliche Unfälle angeführt: In Frankreich habe 2013 ein Elefant erst eine Plane über den Elektrozaun geworfen, sei dann ausgebrochen und habe einen 84-Jährigen tödlich verletzt. Im Juni 2015 brach in Baden-Württemberg ein Elefant aus und tötete einen 65-Jährigen.

Zwar hat der Bundesrat den von mehreren Ländern eingebrachten Vorstoß beschlossen – „wir rechnen aber damit, dass die Bundesregierung das Thema auch diesmal zu den Akten legt“, sagt Höffken. Deshalb appelliert er an die Kommunen. „Städte und Gemeinden können Zirkusse, die Wildtiere mitführen, in die Schranken weisen, indem sie keine kommunalen Flächen zur Verfügung stellen.“ Das werde bundesweit bereits in 70 Kommunen, darunter auch Leipzig, praktiziert.

Ein Wildtierverbot auf kommunaler Ebene unterliege rechtlichen Risiken, kontern die Befürworter vom Zirkustieren. So habe das Verwaltungsgericht Chemnitz 2008 ein Verbot mit Verweis auf die Freiheit der Berufsausübung gekippt.

„Stimmt“, erklärt Peta-Sprecher Höffken. Es gebe aber ein jüngeres Urteil, das die Verbotskompetenz der Kommunen bestätige: „Seit April 2016 ist ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts München rechtskräftig.“ Hier hatte ein Zirkus gegen das Vermietverbot im bayerischen Erding geklagt und in erster Instanz verloren. „In der Berufung hat der Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich betont, dass Städte die Entscheidungshoheit darüber haben, an welche Schausteller sie ihre Flächen vermieten“, berichtet Höffken aus der Verhandlung. Konsequenz: Der Zirkus zog seine Klage zurück (Aktenzeichen: M 7 K 13.2449).

In Harzer Kommunen sorgt der Peta-Vorstoß für Diskussionen und Unsicherheiten. Konkret angesprochen hat Peta die Verwaltungen sowie Stadträte in Blankenburg und Halberstadt, weil „Circus Afrika“ dort in diesem Herbst gastiert. Die Befürworter von Zirkustieren gehen in beiden Orten mit offenen Briefen in die Offensive.

In Halberstadt wie Blankenburg werden aktuell die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein solches Verbot geprüft. Man wolle den Städte- und Gemeindebund kontaktieren, heißt es in Blankenburg. In Halberstadt soll im Ordnungsausschuss über den Peta-Vorstoß diskutiert werden.

Peter Höffken setzt auf kommunale Entscheidungen, weil er sie auf Bundesebene nicht sieht. Die Bundesregierung reagiere trotz der Bundesrats-Vorstöße nicht. Im Bundestag gebe es zwar eine rechnerische Mehrheit von SPD, Linken und Grünen – allerdings werde die SPD wegen eines Wildtierverbots kaum einen Regierungskrach riskieren.

Bleibt die Frage nach der Position der Harzer Bundestagsabgeordneten: Heike Brehmer (CDU) setzt auf das bestehende Tierschutzgesetz. „Bei Verstößen bietet es die gesetzliche Grundlage, den Tierschutz sicherzustellen. Einem generellen Verbot der Haltung von Wildtieren im Zirkus kann ich mich nicht anschließen.“ Tiere könnten auch im Zirkus ein Leben ohne „Schmerzen, Leiden und Schäden“ (Definition Tierschutzgesetz) führen. „Zum anderen müssen wir auch die Grundrechte von Tierlehrern und Zirkusunternehmern auf Berufsfreiheit berücksichtigen.“

Unterstützung bekommt Peta nicht nur vom WWF und dem Deutschen Naturschutzring sondern auch vom „Bund gegen Missbrauch der Tiere“. Dessen Sprecher Torsten Schmidt stellt mit Blick auf die Debatte im Harz und „Circus Afrika“ eines klar: „Es geht nicht um einen Zirkus oder schwarze Schafe, sondern um das grundsätzliche Pro-blem.“Guten Morgen