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Eklat Haldensleber Bürgermeisterin feuert Vize

Bürgermeisterin Blenkle hat am Montag ihren Stellvertreter, Dezernent Otto, fristlos entlassen. Das sorgt für einen Eklat.

Von Ivar Lüthe und André Ziegenmeyer 01.09.2015, 16:27

Haldensleben l „Es fällt schwer, Abschied zu nehmen von der Demokratie“: Eine Karte mit diesen Worten nebst Blumenstrauß und Trauerflor haben die Stadträte Marlis Schünemann, Rüdiger Ostheer und Mario Schumacher (alle CDU) gestern im Rathaus abgegeben. Der Anlass: Bürgermeisterin Regina Blenkle hat ihrem Stellvertreter Dezernent Henning Konrad Otto am Montag fristlos gekündigt. Angeblich soll er rund 3000 Euro veruntreut haben, ergaben Recherchen der Volksstimme zum Kündigungsgrund.

„Ich habe mich heute arbeitslos gemeldet“, erklärte Otto am Dienstag. Darüber hinaus wies er die Vorwürfe streng zurück. „Aber selbst wenn sie korrekt wären, wäre eine solche Entscheidung nicht möglich“, betonte der ehemalige Dezernent. Denn laut Hauptsatzung der Stadt sei die Bürgermeisterin gar nicht in der Lage, Leiter von Dezernaten oder Ämtern einzustellen oder zu entlassen. Darüber hat der Stadtrat zu entscheiden – im Einvernehmen mit der Bürgermeisterin.

Daneben gebe es ein zweites Problem: Bei den rund 3000 Euro handelt es sich um Aufwandsentschädigungen, die Otto seit 2004 erhalten hat. Denn der Stadtrat hat ihn zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Wohnungsbaugesellschaft (Wobau) bestimmt. Wie Otto ausführte, hätte er diese Entschädigung nach Ansicht der Bürgermeisterin in den städtischen Haushalt abführen müssen. Allerdings verweist der ehemalige Dezernent auf die „Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten und Richter im Land Sachsen-Anhalt“. Die sagt etwas anderes: Danach hätte Otto Vergütungen erst abführen müssen, wenn sie eine Höhe von 4900 Euro überschreiten. Pro Jahr. Zwar ist Henning Konrad Otto weder Beamter noch Richter. Doch per Verweisung gelte die genannte Regelung auch für Angestellte von Kommunen.

Nicht zuletzt weist der ehemalige Dezernent darauf hin, dass er diese Einkünfte keineswegs verschwiegen habe. „Im Stadtrat wurde immer darüber berichtet, in welchen Gremien der Bürgermeister sitzt beziehungsweise in welchen ich sitze.“ Zuletzt sei dies Anfang des Jahres geschehen. „Dabei wurde angegeben, dass es eine Aufwandsentschädigung gab, welche Höhe sie hatte sowie dass ich sie nicht abgeführt  habe und sie auch nicht abzuführen ist“, verdeutliche Henning Konrad Otto. Von Veruntreuung oder Unterschlagung könne daher keine Rede sein. Schließlich habe er die entsprechenden Zahlen stets öffentlich gemacht. Aus seiner Sicht sei die Kündigung daher nicht haltbar. „Ich werde das arbeits- und kommunalrechtlich nicht hinnehmen und behalte mir weitere Schritte vor. Darüber hinaus ist es Rufschädigung“, so der ehemalige Dezernent.

Sogar die Polizei kam im Zuge der Kündigung zum Einsatz. Wie Henning Konrad Otto erklärte, habe er aus seinem Büro noch private Gegenstände holen wollen, ehe er den Generalschlüssel für das Rathaus an die Bürgermeisterin übergab. „Schließlich habe ich zwölf Jahre hier gearbeitet“, so der ehemalige Dezernent. Nach dem Packen habe Regina Blenkle die Herausgabe seiner privaten Arbeitstasche verlangt, um den Inhalt zu überprüfen. „Ich habe ihr gesagt, dass sie in diesem Fall die Polizei rufen muss, damit ich den Beamten die Tasche zeigen kann“, führte Otto aus. Schließlich gingen persönliche Gegenstände wie Fotos und Schuhe die Bürgermeisterin nichts an. Tatsächlich seien nach rund 45 Minuten zwei Polizisten im Rathaus erschienen und hätten die Tasche geprüft. „Anschließend bin ich von mir aus gegangen“, so Otto. Gerüchte, nach denen er angeblich abgeführt wurde, seien nicht zutreffend. Korrekt sei dagegen, dass Regina Blenkle ihm gegenüber ein Hausverbot ausgesprochen habe. „Ob das rechtens ist, ist offen. Denn als Haldensleber Bürger kann sie mir den Zutritt zum Rathaus nicht verweigern.“

Stadtratsvorsitzender Guido Henke (Die Linke) zeigte sich am Dienstag überrascht von dem Vorgang. Er hatte bisher keine Kenntnis davon erhalten. „Ich halte den Vorwurf für unvorstellbar. Würde die Bürgermeisterin solch einen Vorwurf tatsächlich erheben, wäre ein Verwaltungsermittlungsverfahren einzuleiten, das diesem Vorwurf nachgeht. So eine sofortige, fristlose Entlassung kann nicht im Sinne der städtischen Arbeitsatmosphäre sein“, sagte Henke. Und weiter: „Die Bürgermeisterin hätte den Stadtrat informieren müssen, denn der hat den stellvertretenden Bürgermeister gewählt. Es wäre ein guter Arbeitsstil gewesen, wenn man sich vorher dazu ausgetauscht hätte. Jetzt drohen Prozessrisiken zu Lasten der Stadt.“

Bürgermeisterin Regina Blenkle wollte sich gestern auf Nachfrage der Volksstimme nicht zu dem Vorgang äußern und verwies darauf, dass es ihrerseits „aus laufenden Ermittlungen und personalrechtlichen Dingen keine Aussage“ gibt. Sie kündigte jedoch noch an, dass am Dienstagabend „ein Brief an den Stadtratsvorsitzenden rausgeht, in dem er informiert wird“, sagte die Bürgermeisterin.

„Es wird Zeit, den Aufstand der Anständigen zu proben“, erklärte Marlis Schünemann gestern kurz vor der Blumenübergabe. „Indem Entscheidungen willkürlich getroffen werden, ohne den Stadtrat oder dessen Vorsitzenden mit einzubinden, wird die Demokratie untergraben“, ergänzte Mario Schumacher. „Die Gründe für die Kündigung von Herrn Otto sind fadenscheinig – und das Prozedere erst recht.“ Das so genannte gläserne Rathaus gebe es nicht mehr. Verwaltungsmitarbeiter hätten „einen Maulkorb bekommen“ und dürften nicht mehr mit Stadträten sprechen. Ordnungsgemäß eingereichte Anträge würden nicht mehr bearbeitet. „Auf der nächsten Stadtratssitzung am 10. September sollte es einen Sachstandsbericht zur Ortsumgehung B245 geben. Die CDU-Fraktion hat einen entsprechenden Antrag formuliert. Einen solchen Punkt auf der Tagesordnung gibt es jedoch nicht“, verdeutlichte Mario Schumacher.