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Rathaus Haldensleben Ein Stadtrat in der Stadtverwaltung

Im Stadtrat könnte es Veränderungen geben. Stadtrat Reinhard Schreiber arbeitet jetzt in der Verwaltung. Ein Interessenkonflikt droht.

Von Jens Kusian 09.04.2016, 01:01

Haldensleben l So richtig weiß selbst Reinhard Schreiber nicht, ob er noch Mitglied des Haldensleber Stadtrats ist. Er war im Mai 2014 mit CDU-Parteibuch in den Stadtrat gewählt worden. Ein Jahr später wechselt er zur Bürgerfraktion – eine Reaktion darauf, dass er im November 2014 vom CDU-Stadtverband Haldensleben nicht als Bürgermeisterkandidat nominiert wurde. Die Christdemokraten hatten sich für den parteilosen Henning Konrad Otto entschieden.

Daraufhin ging Schreiber als Einzelkandidat ins Rennen und kam als fünfter von acht Kandidaten ins Ziel. Zur Stichwahl traten dann Otto und Regina Blenkle (FUWG) an, wobei Regina Blenkle die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. Unterstützung im (Stich)Wahlkampf erhielt sie dabei auch von Reinhard Schreiber.

Der sitzt nun seit dem 1. April im Haldensleber Rathaus, ist Mitarbeiter der Stadtverwaltung – als Sachbearbeiter in der Abteilung Kultur. Bis dahin war der Diplom-Sportwissenschaftler und -pädagoge selbständig im unternehmensberatenden Bereich für klein- und mittelständische Betriebe tätig.

Doch der neue Job kollidiert mit Schreibers Tätigkeit als Stadtrat. Laut Kommunalverfassungsgesetz des Landes können hauptamtlich Beschäftigte der Gemeinde nicht gleichzeitig Gemeinderäte derselben Gemeinde sein. Mit der gesetzlichen Vorschrift sollen Interessenkollisionen verhindert werden, die die Objektivität des einzelnen Mandatsträgers beeinflussen können.

„In der Konsequenz bedeutet das, dass eine in die Vertretung gewählte Person sich zwischen der Annahme des Mandats und der hauptamtlichen Tätigkeit in der Verwaltung der Kommune entscheiden muss. Soweit der Hinderungsgrund nach der Aufnahme der Mandatstätigkeit eintritt (wie im Fall Reinhard Schreiber – Anm.d.Red.), ist damit das Ausscheiden des Mandatsträgers aus der Vertretung verbunden, es sei denn, der Mandatsträger beseitigt den hindernden Grund, zum Beispiel durch eine Beendigung des Dienstverhältnisses mit der Gemeinde“, erklärt dazu Uwe Baumgart, Pressesprecher der Kreisverwaltung, nach Rücksprache mit der Kommunalaufsicht.

Ob ein solcher Interessenkonflikt zwischen Haupt- und Ehrenamt vorliegt, dazu wollte Schreiber sich nicht äußern. „Das prüfen derzeit andere“, teilt er auf Volksstimme-Nachfrage mit.

Sollte er allerdings wegen seiner Arbeit in der Stadtverwaltung seinen Platz im Stadtrat abgeben müssen, würden sich die „Machtverhältnisse“ im Stadtrat ändern. „Sollte sich der ausgeschiedene Bewerber vor seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat einer anderen Fraktion angeschlossen haben“, erklärt dazu Steffi Bodien, Referentin Wahlen und Statistik im Innenministerium des Landes, „rückt der nächste festgestellte Bewerber des Wahlvorschlages, über den der Ausgeschiedene in den Stadtrat gelangt ist, nach.“ Und das wäre in diesem Fall Ulrich Schulze von der CDU.

Die Christdemokraten würde dann wieder über neun Sitze verfügen, wogegen die Bürgerfraktion mit Schreibers Ausscheiden ihren fünften Sitz verliert. Bei den ohnehin verhärteten Fronten im Stadtrat ein Rückschlag für Bürgermeisterin Regina Blenkle: CDU und Linke kämen dann zusammen auf 15 Sitze – bei insgesamt 29 Stadtratsmitgliedern.

Die Anstellung von Reinhard Schreiber in der Stadtverwaltung ist indes nicht die einzige Personalentscheidung, die umstritten ist. So wurde eine Verwaltungsmitarbeiterin aus dem Rathaus in die Kindertagesstätte „Max und Moritz“ versetzt. Sie ist zwar ausgebildete Erzieherin, arbeitete aber gut 20 Jahre lang in der Kulturabteilung. Begründet sein soll diese Umsetzung mit Personalmangel in den Kindertagesstätten. Dagegen hat mit Fabian Damerau ein weiterer Unterstützer von Regina Blenkle im Bürgermeister-Wahlkampf einen Platz in der Kernverwaltung bekommen. Auch er war wie Reinhard Schreiber als Bürgermeisterkandidat im ersten Wahlgang gescheitert, hatte vor der Stichwahl dann massiv für Blenkle geworben. Pikant jedoch: Damerau war bislang in der Kindertagesstätte „Max und Moritz“ als Erzieher beschäftigt, ist jetzt Sachbearbeiter in der Kulturabteilung. Und das bei einem nach wie vor herrschendem Personalmangel im Kita-Bereich: Über das Stellenportal auf ihrer Internetseite www.haldensleben.de sucht die Stadt weiter Erzieher/innen.

Für reichlich Gesprächsstoff auf der Facebook-Seite „Gläsernes Rathaus HDL“ sorgt zudem die Personalie Holger Dragon. Nach Volksstimme-Informationen wird er demnächst in der Jugendherberge eine Anstellung als Saisonkraft bekommen. Der 1957 in Magdeburg geborene Diplom-Betriebswirt ist ebenfalls bekennender Blenkle-Wahlkampf-Unterstützer. Auf der Strecke geblieben sind in diesem Zusammenhang zwei weitere Bewerber, die zuvor schon in der Jugendherberge gearbeitet hatten.

Im „Gläsernen Rathaus“ wird zudem darüber spekuliert, ob FDP-Stadtrat und Blenkle-Vertrauter Ralf Neuzerling der neue Dezernent im Rathaus wird. Die Stelle eines Dezernenten für Wirtschaftsförderung, Kommunalrecht und Soziales ist am 22. März von der Stadt ausgeschrieben worden, die Bewerbungsfrist endete gestern.