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Eisheilige Wenn Sophie den Nachtfrost bringt

Bauernregeln sind im Volksmund noch immer tief verankert. Doch spielen sie auch in der heutigen Landwirtschaft noch eine Rolle?

Von Jan-Hagen Rath 12.05.2017, 09:00

Haldensleben l Mamertus, Pankratius, Sevatius, Bonifatius und Sophie. Das sind die fünf Eisheiligen, die uns seit dem 11. Mai auch in diesem Jahr wieder besuchen. Laut Bauernregel heißt es: Vor Nachtfrost du nicht sicher bist, bevor Sophie vorüber ist. Wonach man beispielsweise die Balkonpflanzen frühestens nach Besuch der kalten Sophie am 15. Mai hinausstellen sollte, um sie vor Frostschäden zu schützen.

Diese Regel komme nicht von ungefähr, weiß Michael Springer, Schulleiter der Fachschule für Landwirtschaft in Haldensleben: „Diese Bauernregel war für unsere Altvorderen wichtig, da Bodenfrost eine zu früh ausgebrachte Saat vernichten kann. Naturbeobachtung ist seit Jahrtausenden ein wichtiger Pfeiler der Landwirtschaft. Viele Bauernregeln basieren auf der Beobachtung regelmäßig wiederkehrender Wetterereignisse und haben deshalb auch heute noch ihre Daseinsberechtigung.“

Tatsächlich liegt die Bodenfrostwahrscheinlichkeit laut Wetterstatistik Anfang Mai noch bei 30 Prozent, nach dem 15. Mai jedoch nur noch bei 5 Prozent. Der Grund: Ab Anfang Mai können in Deutschland häufig schon sommerliche Temperaturen verzeichnet werden. Diese werden jedoch immer wieder durch Ströme kalter Polarluft unterbrochen. Gerade bei klarem Himmel droht dann in der Nacht immer noch Bodenfrost. Ab Mitte Mai treten diese kalten Polarströmungen deutlich seltener auf, weshalb nach dem Besuch der Heiligen Sophie auch die Frostgefahr erheblich sinkt.

Die Bauernregel der Eisheiligen kann der Landwirtschaft also auch heute noch als grobe Richtlinie dienen. Es wäre jedoch voreilig, deswegen gleich alle der Regeln für bare Münze zu nehmen. Ein Beispiel gibt Landwirtschaftslehrer Harald Schulze: „Eine reiche Nussernte gilt laut Bauernweisheit als Anzeichen für einen harten Winter. In diesem Jahr hatten wir jedoch auch trotz ausgezeichneter Nussernte einen recht milden Winter“. Welche Regel Anwendung findet und welche nicht, bedarf also einer genauen Prüfung.

Dass viele der Bauernregeln heute auch nicht mehr stimmen, hat dabei mehrere Gründe. Psychologie ist einer davon. „Wir neigen dazu, uns nur die Jahre zu merken, in denen eine Regel zutreffend war. Dadurch wurden häufig auch Regeln überliefert, die längst schon keine Gültigkeit mehr haben“ erklärt Michael Springer.

Darüber hinaus gibt es auch ein besonderes historisches Ereignis, was dafür gesorgt hat, dass viele Bauernregeln ungenauer geworden sind: Die Einführung des gregorianischen Kalenders. Mit ihr verrutschten nicht nur die Kalendertage, sondern auch einige Bauernregeln. Der bis dahin gültige julianische Kalender wies kleine Ungenauigkeiten auf. Um diese Verschiebung auszugleichen, entschied Papst Gregor im Jahr 1582, zehn Kalendertage zu überspringen. Die Bauernregeln jedoch orientierten sich auch weiterhin an ihren ursprünglichen Daten.

Daher sollten die alten Regeln heute nicht mehr an einzelnen Tagen, sondern eher an gröberen Zeiträumen festgemacht werden. „Deshalb finden sie Bauernregeln auch auf keinem landwirtschaftlichen Lehrplan. Sie sind einfach nicht mehr präzise und zuverlässig genug, um einem modernen Landwirt eine Hilfestellung zu geben“, so Springer.

Nichtsdestotrotz sollte man besonders die lokalen Weisheiten nie ganz aus den Augen verlieren. „Bei uns in der Region gibt es beispielsweise eine Wetterschneise, in der sich das Wetter teils sehr stark vom Umland unterscheiden kann. Da ist es nicht verkehrt, sich auch auf die Beobachtungen der alten Bauern zu erinnern“, berichtet der Fachschüler Daniel Burghardt. „Auch die Weisheit, dass tiefliegende Schwalben häufig ein Unwetter ankündigen, kann ich aus der Praxis bestätigen.“

Ein guter Landwirt vereint also die Bauernregeln und Erfahrungen der Altvorderen mit Wissenschaft und moderner Technik „Das versuchen wir auch unseren Schülern zu vermitteln“, ergänzt Harald Schulze. „Für die moderne Landwirtschaft sind statistische Wetter- und Schädlingsprognosen natürlich unerlässlich. Wer sich jedoch ausschließlich auf seine Messinstrumente verlässt, der ist in diesem Beruf falsch aufgehoben“.