1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Haldensleben
  6. >
  7. Etinger Bauernhof wird Wohnprojekt

Ev. Stiftung Etinger Bauernhof wird Wohnprojekt

In Etingen wird ein Bauernhof zur Wohnstätte für Menschen mit geistiger Behinderung. Das ist ein Projekt der ev. Stiftung Neinstedt.

Von Anett Roisch 19.08.2016, 01:01

Etingen l „Seien Sie herzlich willkommen Im Sack Nummer 9. Es ist schön, dass Sie sich ein Bierchen schmecken lassen“, so begrüßte am Mittwoch Hans Jaekel, Pädagogisch-Diakonischer Vorstand der Evangelischen Stiftung Neinstedt, die fast 200 Gäste auf dem ehemaligen Bauernhof. Der Vierseitenhof soll zu einer Wohnstätte für zwölf Menschen mit geistiger Behinderung umgebaut werden. „Es ist ein schönes Zeichen, dass EU-Geld im Dorf landet. Es wird viel über die EU geschimpft, aber wir bekommen für die erste Phase gut 250 000 Euro“, sagte Jaekel. Etwa eine Million Euro kostet der erste Bauabschnitt. Jaekel hieß im Besonderen Marianne Riecke und ihre Söhne, die das Grundstück preisgünstig verkauften und so der Stiftung für deren Projekt zur Verfügung stellten.

Stephan Zwick, Kaufmännischer Vorstand, schilderte in Kurzform die Geschichte und das Arbeitsspektrum der Stiftung, die 1850 von der Familie Nathusius gegründet wurde. „Der Name Nathusius ist in der Region ein Begriff. Philipp von Nathusius und seine Frau haben damals den Bauernhof in Neinstedt gefunden und dort mit der Knabenrettungshausarbeit begonnen. Zehn Jahre später hat seine Schwester Johanne von Nathusius mit der Betreuung von behinderten Frauen in Neinstedt begonnen. Relativ schnell ist das Schloss Detzel dazu gekommen“, erzählte Zwick. Die Stiftung hat jetzt etwa 850 Mitarbeiter, bietet über 600 Wohnheimplätze und 360 Arbeitsplätze in den Behindertenwerkstätten.

Bernd Bergmann, Bereichsleiter der Nathusius-Höfe, stellte das Projekt, das sich in drei Abschnitten und über mehrere Jahre hinziehen wird, vor. Der erste Bauabschnitt ist der Umbau des Wohnhauses. Die künftigen Bewohner werden von den Mitarbeitern der Stiftung betreut. Die neuen Etinger werden sich in den meisten Lebensbereichen selbst versorgen. Die Unterstützung, die die Mitarbeiter vor Ort geben, sind Motivation und Anleitungen. „Wir werden keine Menschen unterbringen können, die einen hohen Pflegebedarf haben. Das geben auch die Räumlichkeiten nicht her“, erklärte Bergmann.

Der Umbau des ehemaligen Pferdestalls in einfache Übernachtungsmöglichkeiten für Touristen ist der zweite Abschnitt und der Ausbau der Scheune als Treffpunkt für alle der dritte. „Es werden hier zwölf Menschen mit geistiger Behinderung wohnen. Sie werden relativ selbständig und in eigenen Zimmern und in einer Gemeinschaftsküche leben“, beschrieb Bergmann und betonte, dass mit dem Projekt für die Region auch Arbeitsplätze entstehen. „Wir werden keinen landwirtschaftlichen Bauernhof betreiben. Damit würden wir uns übernehmen. Aber wir wollen das Landleben erlebbar machen. Also wir werden ein paar Hühner haben. Die Kollegen aus Calvörde haben sich sicher schon überlegt, was man hier an Tieren halten kann“, blickte Bergmann voraus.

Die äußere Fassade des Wohnnhauses soll erhalten bleiben. Eine Besonderheit im Haus ist eine alte Wirtschaftsküche. „Unsere Idee ist es, diese Küche wieder genau so herzurichten, um den Menschen, die hier wohnen und die hier Urlaub machen, mal einen Einblick zu geben, wie damals gekocht und wie die Menschen auf so einem Hof versorgt wurden“, erklärte der Bereichsleiter. Die Baugenehmigung und der Fördermittelbescheid liegen vor. Jetzt laufen die Ausschreibungen. „Wenn die Firmen gefunden sind, wird der Baustart sein“, sagte der Bereichsleiter. Im Frühjahr 2017 soll das Wohnhaus bezugsfertig sein.

„Ich wünsche mir, dass das Projekt funktioniert“, sagte Etingens Ortsbürgermeister Marko Alex (UWG) und versicherte, dass der Ortschaftsrat die Stiftung unterstützen wird.Ein herzliches Willkommen sprach auch Friedrich Widdecke, Vorsitzender des Etinger Gemeinderkirchenrates, aus. „Wir Etinger sind es gewohnt, dass Behinderte unter uns leben. Bis zur Wende waren zehn Patienten der Bezirksnervenklinik in Keindorf untergebracht und haben landwirtschaftliche Arbeiten verrichtet. Wir haben diese Menschen schätzen gelernt und anerkannt, was sie köperlich geleistet haben“, erinnerte sich Widdecke. „Wir möchten weiter EU-Fördergelder abzwacken und auch den nächsten Bauabschnitt unterstützen“, blickte Silke Wolf (Die Linke), Bürgermeisterin der Stadt Oebisfelde-Weferlingen und Leadermanagerin der Lokalen Arbeitsgruppe „Rund um den Drömling“, voraus. Sie hob die Arbeit der Stiftung heraus, die in kurzer Zeit alle Unterlagen zur Fördermittelbeantragung zusammen hatte.

Bundestagsabgeordneter Manfred Behrens (CDU) zeigte sich begeistert vom Projekt: „Ich freue mich, dass sie eine Scheune zum Feiern ausbauen und sogar Radfahrer hier Pausen einlegen können. Da ich Berichterstatter im Verkehrsausschuss bin, will ich versuchen, dass die Radfahrer auch alle nach Etingen kommen.“

Der Etinger Wilhelm Riecke blickte in die Vergangenheit des Hofes seiner Familie. „Im Sack zu wohnen, ist originell“, betonte Riecke und schilderte die Geschichte des Hofes, der über Generationen in den Händen fleißiger Bauernfamilien und später der Mittelpunkt der LPG war. „Wir gehen nun in eine neue Ära. Gottes Segen für das Gelingen dieses Vorhabens“, wünschte sich Riecke auch im Namen seiner 96-jährigen Mutter Marianne Riecke.