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Fallschirmsprung Haldensleber erfüllt sich mit 92 Traum

Mit 92 Jahren hat sich Hans Lachmund einen Traum erfüllt: Er sprang aus 3000 Meter Höhe aus einem Flugzeug.

Von Anett Roisch 29.08.2015, 01:01

Haldensleben l „Als Flugzeugführer in einem Transportgeschwader habe ich des Öfteren Fallschirmjäger geflogen. Schon damals wollte ich gern auch einen solchen Sprung tätigen - es kam leider nicht dazu. Und bei meinen Kampfeinsätzen hatte ich Glück und brauchte es nicht“, erinnert sich Hans Lachmund.

Als sich nun für den 92-Jährigen die Möglichkeit ergab, endlich einmal selber mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen, zögerte er nicht lange. „Mein lieber Freund Thomas Lange, der selbst ausgebildeter Fallschirmspringer ist, hat mir zu einem Termin verholfen“, so Lachmund.

Einige Monate musste er nun auf seinen Fallschirmsprung warten. Lachmund: „Für mich natürlich in großer Vorfreude – aber nicht so bei meiner lieben Frau, die nun um mein Leben bangte. Als sie in dieser Angelegenheit ihre Sorge im Nachbarkreis äußerte, wurde die Frage gestellt: ,Was denn, wollen Sie auf diese Weise ihren Mann entsorgen?’ Nun ja, sie spürte aber doch, dass sie meinem alten Wunsch nachgeben musste.“

Endlich war es soweit. Gemeinsam mit zehn Freunden als Unterstützung ging es für Hans Lachmund zum Flughafen in Ballenstedt. Gleich bei der Anmeldung bei der Fallschirmsprungleitung traf Lange seinen damaligen Sprunglehrer wieder. Für beide war das ein freudiges Wiedersehen. Doch auch für Lachmund war dieser Mann kein Unbekannter. „Auf einem Flugtag in Magdeburg vor fünf Jahren hatte ich jungen Fallschirmspringern über meine Flugerlebnisse im Krieg erzählt. Darüber waren diese jungen Leute so angetan, dass sie ihren Flugzeugführer baten, mich beim nächsten Rundflug mitfliegen zu lassen. In dem alten Doppeldecker, der „An 2“, durfte ich mich auf den Co-Pilotensitz setzen und einen Teil des Rundfluges um Magdeburg selber steuern“, erinnert sich der Haldensleber.

Als Tandem-Pilot Jens Klaudtky erfuhr, dass der 92-Jährige gemeinsam mit ihm aus dem Flugzeug springen wird, war er mächtig stolz: „Für mich ist es eine Ehre, mit dir zu springen.“ Da dann aber dicke Wolken den Himmel überzogen, verzögerte sich der Absprung noch erheblich. Langeweile kam dabei aber nicht auf, herrschte doch ein reger Flugbetrieb, den Lachmund mit Interesse verfolgte. „Für mich war es hochinteressant mit anzusehen, wie die Tandem-Master nach jedem Sprung gleich wieder ihre Fallschirme in ganz exakter Weise in ihre Fallschirmtaschen einlegten. Ich selbst habe in meiner Flugausbildung auch einen Fallschirm legen müssen. Das liegt nun aber schon 73 Jahre zurück“, erzählte er.

Bevor es ernst wurde, musste Lachmund gemeinsam mit seinem Sprungpartner Klaudtky noch einige „Trockenübungen“ machen, um alle Bewegungen und Haltungen beim Absprung zu lernen. Dann ging es endlich los. In dem Doppeldecker durfte Hans Lachmund auf dem Co-Pilotensitz Platz nehmen und nach dem Start sogar selber mitsteuern. „Natürlich war dies für mich, als alter Flieger, wieder ein Erlebnis für sich. Als wir unsere Höhe von 3000 Meter erreicht hatten und ich meinen Platz verlassen musste, sagte der Pilot zu mir: ,Super, gut gemacht – es war für mich eine Ehre, von einem alten Piloten geflogen zu werden!’“

In der Maschine wurde der mutige Junggebliebene nun mit seinem Tandem-Master verkoppelt, um sich dann nach kurzem Einvernehmen an die offene Tür zu stellen. „Als ich in die Tiefe blickte, erfasste mich ganz mächtig die Erinnerung an all die Fallschirmspringer, die in der damaligen Kriegszeit aus unseren Maschinen springen mussten. Nur waren ihre Gefühle hierbei wohl anderer Art. Eine unglaubliche euphorische Verfassung, eine riesige Freude hatte mich erfasst und ließ mich mit meinem Master fallen“, beschrieb Lachmund. 1500 Meter stürzten sie nun im freien Fall, nur von einem starken Windrausch begleitet. Zirka eine Minute fielen sie der Erde entgegen. „Von mir aus hätte es noch länger sein können. Bei etwa 1500 Meter gab mir der Master zu verstehen, dass er den Fallschirm öffnet, um mich auf den Ruck vorzubereiten. Durch eine gute Lage der Gurte war dieser Ruck aber gut zu verkraften“, beschrieb der Tollkühne.

Nun verhalf der geöffnete Schirm dem Paar zu einem wohligen Gleiten in einer wohltuenden Ruhe, da der vorherige Luftstrom nicht mehr da war. „In aller Ruhe schaukelten wir unter unserem Schirm und genossen den Blick auf die unter uns liegende Landschaft. Wie nach unserer Vorabsprache übergab mir mein Master dann auch die Leitleinen, so dass ich selbst Links- und Rechtskurven fliegen sowie auch die Fallgeschwindigkeit beeinflussen konnte. Nur leider all zu schnell ging dieses wunderbare Erleben dem Ende zu. Kurz vor dem Landen musste ich mit Unterstützung meiner Arme die Beine langausgestreckt vor mir hochhalten, um dann eine präzise sanfte Landung zu erleben. Selig und glücklich habe ich diesen Sprung bestanden – es war ein unbeschreiblich schönes Erlebnis!“ Mit herzlichen Gratulationen wurde der betagte Fallschirmspringer am Boden wieder empfangen. Lachmunds Frau Edith war überglücklich, als sie ihren Mann wieder in die Arme schließen konnte. Die Achtung, die ihrem Mann erbracht wurde, erfüllte sie mit stillem Stolz. Lachmunds Fazit nach einem aufregenden Tag: „Zu jeder Zeit würde ich einen solchen Sprung mit Freude wieder erleben wollen – wenn er nicht so teuer wäre.“