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Neujahrsempfang Flucht und Finanzen im Mittelpunkt

Beim Neujahrsempfang der Gemeinde Calvörde waren Flüchtlingskrise und fehlende Finanzen die großen Themen des Abends.

Von Anett Roisch 15.02.2016, 00:01

Calvörde l „Ich bin erfreut darüber, dass sich so viele Personen zum Neujahrsempfang eingefunden haben“, sagte Calvördes Bürgermeister Volkmar Schliephake (CDU), als er am Freitagabend die Gäste begrüßte. Er sehe dies als gutes Zeichen von Verbundenheit zur Gemeinde. „Bei dieser Veranstaltung haben die Bürger die Möglichkeit, direkt bei den anwesenden Verantwortlichen ihre Anliegen auszusprechen - auf Augenhöhe“, sagte der Bürgermeister und betonte, dass sein Hauptanliegen sei, allen denen Danke zu sagen, die die Fortentwicklung der Gemeinde unterstützen und einen Beitrag zur Gestaltung des öffentlichen Lebens geleistet haben.

Schliephake blickte zurück: „Die blutigen Kämpfe und Anschläge der Terrormiliz Islamischer Staat hielten die Welt in Atem.“ Zum 70. Mal jährte sich der Tag des Endes des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung von Auschwitz, erinnerte er an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, aber auch daran, dass die jüngste Geschichte einen friedlichen Verlauf genommen hat. Die größte Herausforderung im vergangenen Jahr habe darin bestanden, dass so viele Menschen auf der Flucht waren. „Im Gegensatz zu Nazi-Deutschland – als viele Menschen damals ihr Leben nur durch die Flucht ins Ausland retten konnten – ist das heutige Deutschland für unzählige Menschen ein Zufluchtsland geworden“, sagte er. Bis 2016 haben wahrscheinlich mehr als eine Millionen Menschen Aufnahme in Deutschland gefunden. „Ich bin sehr froh und dankbar und finde es großartig, dass sich im Flecken Calvörde mehrere Menschen um die Flüchtlinge kümmern und sich mit großem Herzblut dieser Sache angenommen haben“, gestand Schliephake und richtete seinen Blick von der Weltsituation auf den Haushalt der Gemeinde.

„Seit geraumer Zeit spielt die Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte eine zentrale Rolle. Viele Städte und Kommunen können keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Konsolidierungen drohen. Diese Situationen haben die Kommunen nicht selbst herbeigeführt“, schilderte er. Die gestiegenen Umlagen würden die Gemeinde erheblich belasten. Das Land fahre die Zuweisungen zurück. „Das ist für uns schmerzlich. Ein Finanzierungsausgleich ist nicht mehr gewährleistet. Es bleibt abzuwarten, was das neue Gesetz festschreibt“, blickte der Bürgermeister voraus. Der Gemeinde Calvörde wurde der Liquiditätskredit versagt. Der Haushalt und das Konsolidierungskonzept müssen überarbeitet werden. Eine Haushaltssperre schloss sich an. „Verschiedene Vorhaben mussten wir fallen lassen beziehungsweise verschieben und immer wieder neue Prioritäten setzen“, sagte er. Und trotzdem sei 2015 ein Jahr gewesen, das den Bewohnern die Freude am Leben und Gestalten nicht genommen hat. Als positives Beispiel nannte er die Sanierung des Dorfgemeinschaftshauses in Elsebeck. Jedoch war die Maßnahme nur durch ehrenamtlich geleistete Arbeit möglich. Außerdem sei endlich die Industriebrache der ehemaligen Ogema als Schandfleck verschwunden. Dort ist eine Photovoltaikanlage entstanden.

Mit Freude berichtete er, dass es für den Grieps eine Pächterin gibt und die Gaststätte samt Pension voraussichtlich am Osterwochenende wieder eröffnet wird. Groß sei die Hoffnung, dass das Naherholungsgebiet Grieps mit dem nahe gelegenen Sportboothafen weiter belebt wird. „Gemessen an den Krisen in der Welt haben wir es in unserer Gemeinde mit überschaubaren Problemen zu tun“, sagte Schliephake und zählte die Werterhaltungsmaßnahmen am Dorster Schloss und die Umrüstung der Beleuchtung in der Vereinshalle als Vorhaben für 2016 auf. „Das Allerwichtigste für die Entwicklung im ländlichen Raum sind selbstbewusste Gemeinden – und Calvörde merkt man dieses Selbstbewusstsein an“, sagte Thomas Webel (CDU), Minister für Landesentwicklung und Verkehr in Sachsen-Anhalt. Er zeigte schmunzelnd auf die Banner hinter dem Rednerpult und beschrieb: „Eine große stolze Fahne der Gemeinde und eine kleine des Landes Sachsen-Anhalt.“

Webel blickte auf 2015 zurück. „Das Jahr war geprägt von der Flüchtlingsproblematik. Viele Menschen haben auch in Sachsen-Anhalt Schutz vor Krieg und Elend gesucht. Ihnen ist unterschiedlich begegnet worden – mit Abneigung, aber auch mit viel Zuneigung und persönlichem Engagement“, schilderte der Minister. Die hohe Zuwanderung und Integration seien - nach seinen Ausführungen – keine leichten Aufgaben. „Es sind große Herausforderungen für unsere Gesellschaft. Und es wird uns noch viele Jahre beschäftigen.“ Er bedankte sich bei allen Helfern.

Webel forderte die Gemeinden auf, bei der Entwicklung über den eigenen Tellerrand zu gucken, um so im Wettbewerb mit anderen Regionen mithalten und junge Menschen halten zu können. An erster Stelle ständen dafür attraktive und gut bezahlte Arbeitsplätze. Auch das Umland würde Menschen anziehen. Der Drömling sei ein gutes Beispiel, wo Mensch und Natur im Einklang sind. Der Naturpark soll touristisch entwickelt und vermarktet werden. Viele kleine Bausteine würden ein lebenswertes Sachsen-Anhalt voranbringen. Webel verkündete mit Stolz, dass seit 2012 das Land im westlichen Teil des Landkreises Börde rund 11,5 Millionen Euro für den Straßenbau ausgegeben hat. 2016 würden die Landesstraße (L) 43 von Weferlingen bis zur Landesgrenze und die L 24 zwischen Calvörde und Wegenstedt ausgebaut werden. In den Folgejahren sei der Ausbau der L 25 in der Ortslage Calvörde geplant.

Auch Börde-Landrat Hans Walker (CDU) hob das Wirken im Ehrenamt hervor und lobte vor allem die Leute, die sich um die 25 Asylanten, die in Calvörde leben, kümmern. Walker kommentierte die von Schliephake erwähnte erhöhte Kreisumlage an den Landkreis. „Wir machen das nicht, um die Kommunen zu ärgern, sondern weil die Kreise an sich keine eigenen Einnahmequellen haben“, betonte er und verwies auf die geplante Reformierung des Finanzausgleichsgesetzes. „Wir müssen dahin kommen, dass wir als Kommunen - da gehören auch die Landkreise dazu – eine finanzielle Ausstattung haben, ohne dabei den möglichen dramatischen Schwankungen von Steuereinnahmen zu unterliegen.“

Landtagsabgeordneter Ralf Geisthardt (CDU) sagte zur Flüchtlingskrise: „Die Bürger brauchen Sicherheit. Die Gesetze gelten für alle. Menschen, die Ängste haben, sollten Antworten bekommen und keine Beleidigungen. Auch wir als Politiker sind aufgerufen, auch mal Fehler einzugestehen - ob bei uns auf der unteren Ebene oder ganz oben.“