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Sportereignis Haldensleben im Olympia-Fieber

Auch die Haldensleber waren 1936 in Olympia-Stimmung. Ein Foto aus der heutigen Kreisstadt wurde in der offiziellen Zeitung veröffentlicht.

Von Julia Schneider 20.08.2016, 01:01

Haldensleben/Berlin l Derzeit finden die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro/Brasilien statt. Ob das Sportereignis gut vorbereitet wurde und wie viele Brasilianer wirklich im Olympia-Fieber sind, darüber lässt sich sicherlich streiten. Unbestritten ist jedoch, dass der Blick der Welt durch die Großveranstaltung gerade auf Brasilien gerichtet ist.

1936 galt dieser Blick Berlin, denn damals fanden die Olympischen Spiele in Deutschland statt. Vielfach bewiesen ist heute, dass die Nazis die Sportveranstaltung nutzten, um Propaganda zu betreiben. So gab es während „Olympia“ viele Publikationen, in denen es nicht nur um den reinen Sport, sondern auch um die Ideologie der damals mehr und mehr an Macht gewinnenden politischen Richtung ging. Herausgegeben wurde während der Spiele unter anderem auch die Olympia Zeitung. Sie erschien im Reichssportverlag, der extra für das Sport-Event gegründet worden war und sich danach wieder auflöste. Obwohl die Olympia Zeitung, die als das offizielle Organ der Spiele galt, also von den Nazis herausgegeben wurde, wird sie im Nachhinein als weitgehend objektiv angesehen. Beispielsweise wurden die herausragenden sportlichen Leistungen von dem dunkelhäutigen US-Amerikaner Jesse Owens gebührend gewürdigt, während sie in anderen Publikationen der Nazis missachtet oder gar geschmäht wurden.

Die Olympia Zeitung erschien in 30 Ausgaben in ganz Deutschland und wurde vor allem auch für die ausländischen Gäste gedruckt. Zwar waren die Zeitungstexte in deutscher Sprache, ein Hauptaugenmerk wurde allerdings auf die Fotos gelegt, die jeweils in Deutsch, Englisch und Französisch beschriftet waren. So erfuhren auch fremdsprachige Leser viel über die Olympia-Teilnehmer und auch über Deutschland. In jeder der 30 Ausgaben, die vom 21. Juli bis zum 19. August erschienen, wurde nämlich jeweils eine Region Deutschlands vorgestellt. Auf einer Zeitungsseite wird bereits in der dritten Ausgabe vom 23. Juli 1936 unter dem Motto „Das schöne Deutschland“ Mitteldeutschland vorgestellt. Vier Bilder zeigen die Schönheit der Region. Neben Fotos von Magdeburg in der Abendsonne, der Stifterfigur „Gerburg“ am Naumburger Dom und dem Roten Turm in Halle wird auch das Hünengrab Teufelsküche in Haldensleben gezeigt.

Das hat Volksstimme-Leser Dietmar Nagel überrascht festgestellt, als er die Ausgaben der Olympia Zeitung kürzlich durchblätterte. Dass er die Zeugnisse der damaligen Zeit besitzt, hatte der Wahl-Haldensleber, der seit 14 Jahren in der Börde-Kreisstadt wohnt, nicht im Kopf. „Ich habe alte Schränke restaurieren lassen, als ich sie ausräumte, habe ich das Paket wiedergefunden, in das ich noch nie reingeschaut hatte“, berichtet er über den Familienbesitz. Die Olympia Zeitung hat seinerzeit vermutlich Dietmar Nagels Vater Gerhard aus Berlin mitgebracht. Als Arbeiter war er damals auch am Bau des Olympia-Stadions beteiligt gewesen.

Aber warum haben die damals verantwortlichen Redakteure ausgerechnet die Teufelsküche abgebildet, um ein Bild von Mitteldeutschland zeichnen zu können? War das Hünengrab damals von so großer touristischer Bedeutung? „Ich schätze eher, dass es etwas mit der Ideologie der Nazis zu tun hat, dass ausgerechnet dieses Foto genommen wurde“, startet Dietmar Nagel selbst einen Erklärungsversuch. Und damit hat er nicht unrecht. „Die germanische Geschichte hat in der damaligen Ideologie natürlich eine große Rolle gespielt“, bestätigt auch Ulrich Hauer, Leiter des Haldensleber Museums. Er könne sich vorstellen, dass in der Olympia Zeitung genau deshalb lieber das „Hünengrab Teufelsküche bei Neuhaldensleben“ gezeigt wurde, wie es in der Bildunterschrift heißt, als ein anderes Ausflugsziel. Trotzdem, so erklärt Ulrich Hauer, seien die Hünengräber bei Haldensleben schon immer überregional bekannt gewesen. Denn in den Wäldern südlich und westlich von Haldensleben befinde sich immerhin die größte Konzentration von Großsteingräbern in Mitteleuropa.

Doch zurück zu den Olympischen Spielen 1936. Das Foto in der Olympia Zeitung dürfte Haldensleben damals zu noch größerer Bekanntheit verholfen haben. Aber war das vielfach beschriebene Olympia-Fieber aus Berlin auch bis an die Ohre geschwappt? „Die Olympischen Spiele waren in Deutschland schon etwas Besonderes und fanden auch hier Beachtung“, erzählt Ulrich Hauer und zeigt einen Kerzenleuchter aus Steingut, der 1936 anlässlich des Sportereignisses in Haldensleben entworfen worden war. Das Design für den Kerzenhalter hatte sich Martha Carstens vom Haldensleber Keramikfabrikanten „Carstens-Uffrecht KG Neuhaldensleben“ ausgedacht, gefertigt wurde er im Werk Hubbe. Angucken können Gäste des Haldensleber Museums sich auch, wie eine Fußball-Dauerkarte für die Olympischen Spiele 1936 aussah. Eine Karte, die einst dem Haldensleber Karl Henning Arand gehörte, ist dort nämlich als Zeitzeugnis ausgestellt.