Kunstprojekt "Komm iss mit uns"

Die ersten Exponate sind im Rahmen des Projekts „Komm schlaf mit uns - Jeder Mensch ein Künstler“ am Entstehen.

Von Andrea Schröder 11.08.2015, 16:20

Havelberg l Dienstagvormittag, halb elf. Künstler schlafen bestimmt länger. Mal schauen, ob sich schon was bewegt auf dem Künstlerhof, der sich hinter der Buchstation Lange Straße 10 in Verbindung zur Uferstraße befindet. Einige Leute sitzen gemütlich bei herrlichstem Sonnenschein zum Frühstück zusammen. Müsli steht auf dem Tisch. Einer bringt ein Blech mit Küchlein, eine andere eine große Tüte mit Brötchen. Aus der Werkstatt erklingt Klaviermusik. Es ist niemand da, der in die Tasten haut, die Musik kommt aus der Konserve. Noch sind nicht alle wach. Nicht schlimm, der Tag ist noch lang genug.

Raghu ist schon ganz munter. Welche Kunst macht er? „Ich fühle mich als sehr kritischer Zeitgenosse, würde mich als Gesellschaftskritiker bezeichnen“, sagt der Neu-Kuhlhausener und erzählt, dass er für seine Exponate mit Müll arbeitet. Um den zu sammeln, war er auch schon an Stränden in Marokko unterwegs. Eine seiner Arbeiten ist eine Fischreuse mit LEDs und Müll. Mit ihr stellt er das Problem des Mülls im Meer dar, wo Fische statt des Planktons Plastik fressen und mit vollem Magen letztendlich verhungern. Das Verhältnis reiche von 6:1 Müll zu Plankton bis zu 600:1, erzählt er. Er will einladen zum Nachspüren, zum Tiefseufzen und zeigen, dass wir Menschen, großartig im Weghören, Teil dieses Wahnsinns sind.

In der Werkstatt hängen an einer Leine erste Drucke. Die Teilnehmer der vom Verein „Ende Gelände“ aus Kuhlhausen mit Unterstützung des Kulturprojektes Stadtinsel initiierten Kunstaktion haben Montagabend ihre Popos und/oder Busen mit Farben bestrichen und einen Abdruck aufs Papier gebracht. Sie arbeitet gern mit Drucken, erzählt Claudia Kulenkampff, die aus Hamburg angereist ist. Die Kunsttherapeutin hat eine offene Werkstatt und macht verschiedene Sachen. Gern zum Beispiel Siebdruck für T-Shirts. Bei einem Kulturevent in Potsdam ist sie auf das Projekt „Komm schlaf mit uns“ aufmerksam geworden. „Ein sinnlicher Titel“, wie sie findet. Deshalb auch die Körperdrucke. Die setzt sie normalerweise als Partygag zu späterer Stunde ein. „Dann entstehen noch dynamischere Formen“, erklärt Claudia Kulenkampff. Am Dienstag wollte sie die einzelnen Blätter zu einem Buch zusammenfügen. Heute fährt sie zurück nach Hamburg.

Das „vorübergehende Gesamtkunstwerk“ lebt auch davon, dass neben Leuten, die die ganze Zeit dabei sind, immer wieder neue hinzukommen. Das müssen übrigens keine Künstler von Berufswegen sein – jeder, der Lust hat mitzumachen, ist eingeladen. Denn basierend auf den deutschen Aktionskünstler, Bildhauer, Zeichner und Kunsttheoretiker Joseph Beuys (1921 bis 1986), der sagte, dass jeder Mensch ein Künstler ist, soll genau das gezeigt werden, berichtet Thomas Harzem von der Idee.

Laura Tischler ist durch den Volksstimme-Bericht auf das Projekt aufmerksam geworden. Die Schönhauserin, die nach dem Abi nun Ferien hat, malt und zeichnet gern und brachte am Montag einige ihrer Arbeiten mit. Darunter solche zu homosexuellen Paaren. Das Thema ist angesichts der „Homo-Ehe“-Debatte gerade sehr präsent und hat Laura zum Zeichnen inspiriert. „Meine Zeichnungen wurden als sehr ausdrucksstark und ästhetisch eingeschätzt, und da ist die Idee geboren, an einer Wand der Galerie diese Zeichnungen aufzuhängen und die andere Wand, auf die man zuerst schaut, mit Slogans zu gestalten, die man oft von konservativen Leuten zu diesem Thema hört“, erklärt sie.

Der Potsdamer Tom Korn, der architekturbezogene Kunst fertigt, hat drei Betonarbeiten zu der Frage mitgebracht, wie namhafte Architekten einen Discounter bauen würden. Angesichts dessen, dass in der Galerie früher Lebensmittel verkauft wurden und immer mal wieder der Wunsch nach einem Lidl für die Stadtinsel geäußert wird, passt sein Thema sehr gut. Auch Fotografien dazu werden ab Donnerstag in der Langen Straße 36 zu sehen sein. Die Galerie öffnet ab Donnerstag für Besucher. Bis Sonntag können sich Gäste von 15 bis 21 Uhr die Werke anschauen. Ab 20 Uhr heißt es dann auf dem Hof der Galerie „Komm iss mit uns“. An einer großen Tafel wird zum Abendbrot eingeladen. Wer will, kann was mitbringen, oder es sich einfach in der Gemeinschaft gut schmecken lassen.