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Polizei  Auf Kommissar Nachbar ist Verlass

Können sich die Einwohner Havelbergs und Umgebung trotz der Umstrukturierung bei der Polizei noch sicher fühlen?

Von Andrea Schröder 03.09.2015, 01:01

Havelberg l Zwei brutale Überfälle auf das Juweliergeschäft am Markt in Havelberg innerhalb von drei Monaten mitten im Buga-Getümmel am helllichten Tag. Fühlen sich Täter in Havelberg zu sicher? Eine Frage, die in diesen Tagen so manchen beschäftigt. Auch angesichts dessen, dass Havelberg kein eigenes Revierkommissariat mehr hat, sondern Außenstelle des Polizeireviers Stendal ist. Doch hat das eine mit dem anderen nichts zu tun, versichern Polizeirat Chris Schulenburg, Leiter des Reviereinsatzdienstes in Stendal, und Pressesprecher Marco Neiß. Sie sehen in der Umstrukturierung sogar Vorteile. Schließlich wurden pro Woche 19 Beamtendienste für die Polizei im Streifendienst gewonnen.

Bis Havelberg zu Beginn dieses Jahres zur Außenstelle wurde, gab es rund um die Uhr jeweils einen Beamten als Diensthabenden im Revierkommissariat. Überspitzt gesagt, bewachte er Telefon und Eingangstür. Das übernimmt jetzt entweder ein Beamter in Stendal oder in Magdeburg. Notrufe über 110 landen zwar in Magdeburg, „doch können wir jederzeit eingreifen“, sagt Chris Schulenburg. Schätzt der diensthabende Beamte in der Einsatzzentrale in Stendal aufgrund seiner Ortskenntnisse ein, dass es besser ist, einen anderen Streifenwagen als den von Magdeburg favorisierten zum Einsatz zu schicken, geschieht das auch so.

Für den Bereich Havelberg, der sich von Wust-Fischbeck bis zur Hansestadt erstreckt, hat sich die Polizeipräsenz verbessert, sagt Chris Schulenburg. „Es sind mehr Beamte auf der Straße tätig und wir haben keinen Beamten aus Havelberg nach Stendal geholt.“ Pressesprecher Marco Neiß nennt Zahlen: In Havelberg sichern 30 Beamte den Rund-um-die-Uhr-Dienst ab. Davon sind jeweils zwei als Regionalbereichsbeamte in der Hansestadt und im Elbe-Havel-Land tätig. Chris Schulenburg: „Nur weil keiner mehr das Telefon bewacht oder nach Dienstschluss die Tür öffnet, heißt das nicht, dass kein Beamter im Dienst ist.“ Das Anzeige- und Meldeverhalten der Bevölkerung hat sich verändert. Fast jeder hat ein Handy, ruft im Notfall damit die 110 an. Anzeigen gehen oftmals online ein.

Mit den Regionalbereichsbeamten ist die Präsenz besser gegeben als zuvor, schätzen die Beamten ein. „Die Polizei hat wieder ein Gesicht bekommen, ist Ansprechpartner für die Bürger vor Ort“, sagt Chris Schulenburg.

Eine Streifenwagenbesatzung ist für den Bereich Havelberg zuständig. Ausreichend für das große Gebiet? Die Beamten beantworten dies mit einem klaren Ja. Waren es vorher vier Streifenwagen pro Schicht, die im Landkreis Stendal zur Verfügung standen, sind es jetzt mindestens sechs. In Havelberg können zudem in Notfällen die Kriminalpolizei, die Wasserschutzpolizei und die Funkstreifenwagen der benachbarten Polizeireviere mit hinzugezogen werden. Und auch die Verbindung nach Brandenburg steht. „Innerhalb weniger Sekunden ist bekannt, welche Fluchtrichtung Täter eingeschlagen haben. In Zusammenarbeit mit der Leitstelle in Brandenburg geht die Koordinierung nahtlos, die Wege sind sehr kurz“, sagt Chris Schulenburg. Und er versichert, dass allein die geografische Lage mit der Elbe als Grenze zum westlichen Teil des Landkreises diese Polizeipräsenz in Havelberg auch notwendig macht. „Da wird es keine Veränderungen geben.“

Angesichts der beiden brutalen Überfälle auf das Juweliergeschäft in Havelberg steht auch die Frage, wieso es offensichtlich so schwer ist, der Täter habhaft zu werden. Fluchtrichtung und -auto waren durch Zeugen schnell bekannt. Aus ermittlungstechnischen Gründen gehen beide nicht näher auf die Fälle ein. Ob die Taten in Zusammenhang stehen und es möglicherweise die selben Täter sind, die am vergangenen Freitag den Juwelier in Stendal überfallen haben, wird derzeit ausgewertet.

„Die Täter haben den Vorteil, dass sie ihre Tat über Tage, Wochen oder gar Monate planen und sich möglicherweise Verstecke wie Garagen oder dunkle Waldstücken ausgesucht haben. Auch ein zweites oder drittes Fluchtfahrzeug kann mit im Spiel sein. Aber irgendwann fühlen sie sich in Sicherheit und begehen Fehler“, erklärt Chris Schulenburg. Manchmal kalkulieren sie auch ein, erwischt zu werden, wägen Risiko und Ertrag ab. Letztendlich gehe es oft darum, den Lebensunterhalt zu verdienen. Dann werden eben Tageseinbrüche verübt, auch mit der Gefahr, entdeckt zu werden. „Wichtig für uns ist, eine Beweiskette aufzubauen. Die Ermittlungsarbeit erfordert Zeit. Dabei arbeiten wir auch im verdeckten Bereich. Eine geringe Beweislast bringt gar nichts. Unser Ziel ist es, die Täter ins Gefängnis zu bringen.“

„Solche Delikte, wie die Raubüberfälle auf die Juweliergeschäfte – von denen es bundesweit etliche gibt – sind besonders schwere Straftaten, die in unserem Landkreis zum Glück nur vereinzelt vorkommen“, sagt Marco Neiß. Die Täter sind häufig gut organisiert. „Sie bestimmen Ort und Zeit.“ Dass die Täter in Havelberg unmaskiert waren, ist schon sehr dreist, ergänzt Chris Schulenburg. Dass Schlimmeres verhindert wurde, sei dem Umstand zu verdanken, dass die Nachbarschaft funktioniert hat. Der Inhaber machte lautstark auf sich aufmerksam, Nachbarn kamen zu Hilfe, riefen ebenfalls laut. „Dadurch waren die Täter irritiert, sind im Versuch stecken geblieben.“ Die Polizei spricht von informeller Sozialkontrolle. „Das ist ein großer Vorteil bei uns im Landkreis, man kennt sich, es ist nicht so anonym.“ Er zieht den Vergleich zur Großstadt Berlin, wo die Polizeidichte zwar viel größer ist, dennoch aber mehr passiert.

„Grundsätzlich ist die Altmark als sicher einzuschätzen, auch wenn das subjektive Empfinden des Einzelnen anders sein kann“, sagt Marco Neiß. Möglicherweise auch deshalb, weil besondere Straftaten in Sekundenschnelle über soziale Medien wie Facebook verbreitet werden und der Eindruck entsteht, es passiert mehr. Objektiv ist das aber nicht der Fall. Ein Blick in die Kriminalstatistik des Vorjahres zeigt: 7770 Straftaten wurden 2014 begangen. Das sind 91 Fälle weniger als 2013. Wie auch in den Vorjahren ist der Anteil der Diebstahlsdelikte mit 44 Prozent (3423 Fälle) am größten. Darunter fallen auch örtliche und zeitliche Häufungen wie zum Beispiel die Einbruchsdiebstähle in Tangermünde und Diesel- und Buntmetalldiebstähle, die immer wieder auftreten. Die Aufklärungsquote liegt bei 56,8 Prozent und damit über dem Landesdurchschnitt.

Dass Drogen- und Alkoholdelikte sprunghaft angestiegen sind, ist dem Umstand geschuldet, dass es mehr Kontrollen gibt. Denn wenn die Beamten im Dienst keine Einsätze haben, nutzen sie die Zeit dafür. Ein Ergebnis des Streifenbereichskonzeptes, sagt Chris Schulenburg. Die Elb-Havel-Region bildet dabei einen von sechs Streifenbereichen des Landkreises. In jedem ist zu jeder Tages- und Nachtzeit mindestens ein Streifenwagen unterwegs. Im Bedarfsfall werden die Funkstreifenwagen übergreifend eingesetzt „Ich fühle mich hier sicher“, macht Chris Schulenburg, der in Sandau zu Hause ist, deutlich, dass die Polizeipräsenz keinesfalls nachgelassen hat.