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Platzchefin „Pferde sind die liebsten Tiere“

Im 25. Jahr ist Sigrid Wiedenhöft Platzchefin des Pferdemarktes. Oft wird sie auch die Pferdelady genannt.

Von Andrea Schröder 06.09.2015, 01:01

Havelberg l Michel ist der Namensgeber für die Pferdelady. Der Junge war zwei, drei Jahre alt, als er mit seinem Vater auf den Pferdehandelsplatz kam. „Er war ein süßer Kerl und wir mochten uns beide sofort“, denkt Sigrid Wiedenhöft, die von allen Siggi gerufen wird, zurück. Michel konnte sich ihren Namen nicht merken und irgendwie kam die Verbindung zur wiederbelebten Dallas-Serie mit Sue Ellen auf. Die war eine Lady und Michel machte aus Siggi die Pferdelady.

„Aber eine Lady bin ich nicht, höchstens am Eröffnungstag“, findet die Havelbergerin. Wenn sie da mit Bürgermeister und Marktmeister in zünftiger Tracht ins Bayernzelt einmarschiert, lenkt sie die Blicke auf sich. Ansonsten sind es vor allem Jeans, Stiefel, Bluse – je nach Witterung ein Mantel und die Stiefel aus Gummi – und natürlich ein fescher Hut, die sie kleiden. Und ladyhafte Manieren hat sie schon gar nicht. Viele Markthändler kennt sie seit Jahren, stets sind die Begegnungen herzlich. Dabei sagt sie aber auch, was sie denkt und greift regelnd ein, wenn es erforderlich ist. Sie hat ihren Platz im Griff. Gemeinsam mit dem Team, zu dem Tierärzte, Kassierer und Ordnungsdienst gehören. Viele gehören schon seit Jahren zum festen Stamm.

Im Wendejahr 1990 war Siggi Wiedenhöft zum ersten Mal dienstlich auf dem Pferdemarkt tätig, als Kassiererin. Da war noch der Kreis Havelberg Veranstalter und es musste Eintritt bezahlt werden. 1991 übernahm die Stadt den Markt in ihre Regie. Der Bürgermeister fragte sie, ob sie den Pferdeplatz übernehmen würde, für Heinz Kehrberg wurde ein Nachfolger gesucht. Als Bauers­tochter, die mit Pferden groß geworden ist und zu DDR-Zeiten die Betriebssportgemeinschaft leitete, in der der Pferdesport die größte Abteilung war, war sie prädestiniert für diese Aufgabe. Sie sagte zu. „Allerdings wusste ich nicht, was mich erwartet.“

Alles war noch ungeordnet, jeder schlug sein Domizil da auf, wo er wollte. Genau erinnert sie sich noch an Berti Seethaler aus Bayern, der mit seinem Kompagnon zum Markt kam und ein blau-weißes Zelt mitbrachte. „Damals gab‘s noch die zwei Eichen hinten. Ich weiß noch genau, wie ich dort mit meinem Fahrrad hingefahren bin und mich vorgestellt habe. Ein Festzelt hatten wir bis dahin noch nicht. Es gab einen Tresen und es lief Musik, die haben von Donnerstag bis Sonntag gar nicht zugemacht.“ Tolle Programme wurden geboten.

Siggi Wiedenhöft erzählt von Sascha und seiner Travestieshow. Das Zelt wurde über die Jahre immer größer und zum festen Treffpunkt für verschiedene Gruppen. Irgendwann kam der Wechsel. Inzwischen ist Festwirt Thomas Holtz, der an der Ostsee zu Hause ist, auch schon etliche Jahre auf dem Pferdemarkt. Und auch wenn sein Zelt nicht blau-weiß ist, so wird es wohl immer das „Bayernzelt“ bleiben, in dem jetzt die Partys bis in die Morgenstunden gefeiert werden.

Mit den Jahren kamen immer mehr Leute auf den Pferdehandelsplatz. Die Spitze der aufgetriebenen Pferde wurde 1997 mit 1001 erreicht. Zur 1050-Jahr-Feier Havelbergs sollten es dann genau so viele werden. Nach einer Flaute nach der Einführung des Equidenpasses hat sich die Zahl inzwischen bei 400 bis 500 eingependelt. Weil es mit der Ordnung immer schwieriger wurde auf dem Platz, wurden Blöcke angelegt, in denen jeder seine Parzelle erhält. Seit einigen Jahren gibt‘s Voranmeldungen, was vieles einfacher und übersichtlicher macht.

Das zeigte sich am Montag, als der Pferdehandelsplatz öffnete. Dabei gab‘s dieses Mal eine Ausnahme, berichtet die Platzchefin. Zwei Händler hatten sich mit 60 und 40 Pferden angemeldet. Die wurden schon in der Nacht raufgelassen. „Das hat die Reihe der Wartenden stark verkürzt. Als ich morgens halb sechs hierher kam, lief alles entspannt, einer nach dem anderen fuhr auf den Platz. Und da viele ihre Verträge im Vorfeld bezahlen, gibt‘s keine Probleme.“

Die Pferdeliebhaberin – „Pferde sind die schönsten und liebsten Tiere der Welt“ – ist froh, dass die Vierbeiner gut präsentiert und artgerecht in ihren Gattern gehalten werden. An den Anbindestangen im Festzeltbereich sind längst nicht alle Pferde zu sehen. Da stehen die Tiere, deren Händler dort auch ihren Platz haben. Viele sind in der Wiese, ermuntert Siggi Wiedenhöft Besucher, durch die Reihen zu schlendern.

Außer Pferden gibt es auch jede Menge andere Tiere zu entdecken. Esel sind immer stärker im Kommen. Hunde, Kaninchen, Ziegen, Lamas kann man kaufen. Die außergewöhnlichsten Tiere, die aufgetrieben wurden, waren bisher Kamele und Dromedare. Dass auf die Händler Verlass ist, schätzt Siggi Wiedenhöft sehr. So braucht sie sich etwa um die Kutschfahrten für die Ehrengäste am Eröffnungstag keine Gedanken zu machen.

Mit dem Fahrrad von damals, das sie im Juli 1990 fürs erste Westgeld gekauft hatte, ist Siggi Wiedenhöft heute noch auf dem Platz unterwegs. Michel ist inzwischen erwachsen und wird Vater. Der von ihm geprägte Namen wird bleiben, auch wenn die Pferdelady mal in den Ruhestand geht. Wann das ist, weiß die 62-Jährige noch nicht. Die einst geplante Altersteilzeit hat sie nicht angetreten. Dafür arbeitet sie immer noch viel zu gerne und freut sich alljährlich auf die vielen herzlichen Wiedersehen zum Pferdemarkt. „Das ist hier wie eine große Familie.“ Übrigens auch mit Karina, die mit ihrer Amazonen-Stuntshow zum festen Inventar auf dem Pferdemarkt gehört und auch am Wochenende zu erleben ist.