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Neue Aufgaben Generationswechsel im LHW

Den Jahreswechsel erlebt Arno Mahlke als Ruheständler. Fast 40 Jahre war er im Bereich Wasserwirtschaft tätig.

Von Andrea Schröder 29.12.2015, 00:01

Havelberg l Sein gesamtes Berufsleben lang hat sich Arno Mahlke der Wasserwirtschaft gewidmet. Im April nächsten Jahres wären es genau 40 Jahre gewesen. „Angefangen habe ich in der Gewässeraufsicht, zu vergleichen mit der heutigen Unteren Wasserbehörde“, erzählt der 65-Jährige im Gespräch mit der Volksstimme. Nach der Wende war er Fachberater für die gesamte Altmark, das Jerichower Land und den damals noch eigenständigen Kreis Havelberg, wenn es um wassergefährdende Stoffe ging. „Da gab es sehr viel zu fahren, zum Beispiel wenn es darum ging, Güllegruben zu bauen oder Ölheizungsanlagen zu errichten. Ich musste die Standorte begutachten und Stellung nehmen.“

Sein Arbeitgeber war stets der heutige Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft LHW. Zur Verabschiedung in den Ruhestand mit vielen Kollegen sowie Betrieben und Einrichtungen würdigte der Chef des Flussbereiches Genthin Reinhard Kürschner seine Leistungen. „Arno ist mein bestes Pferd im Stall. Kein müder Ackergaul, sondern ein Rennpferd. Mit seinem Elan und seinem Fachwissen war er stets eine feste Größe. Er ist ein sehr zuverlässiger und engagierter Mensch und mit Leib und Seele Wasserwirtschafter, wir werden dich vermissen.“

2001 holte ihn der damalige Chef Klaus Flügge in den Flussbereich Genthin. „Aber schon zu Zeiten der Gewässeraufsicht war jeder Mitarbeiter für einen bestimmten Deichabschnitt zuständig. Ich hatte den Deich bei Burg Blumenthal, der von russischen Soldaten bei ihren Übungen, die auch bei Hochwasser stattfanden, teilweise zerwürgt wurde“, erzählt er. Aber sie haben auch geholfen, Deiche zu retten. Arno Mahlke erinnert sich an seine Fahrt hinten auf einem Panzer, mit dem Faschinen gefahren wurden. „Für die damalige Zeit war das schon heftig, die Deiche waren ja auch noch nicht so stabil wie heutzutage.“

Sein erstes großes Hochwasser erlebte der gebürtige Ziesarer, der neben Berufsausbildung mit Abitur, Studium, NVA-Zeit als Pionier auch bei der christlichen Seefahrt tätig war, 1998 beim Oderhochwasser in Schwedt. „Flussbereiche gab es dort nicht, das lief alles über Unterhaltungsverbände. Wegen der Wiesenbrüter waren die Deiche noch nicht gemäht. Das Gras war zum Teil mannshoch. Das Mähen des Deichfußes war das Erste, das veranlasst werden musste um zu sehen, wo Sicherungsmaßnahmen einzuleiten waren. Umweltschutz ist schön, aber wenn der Hochwasserschutz derart vernachlässigt wird, oh, oh.“

Vier Jahre später war Fachwissen beim sogenannten Jahrhunderthochwasser der Elbe gefragt. „Jedes Hochwasser ist völlig anders. Um es zu bekämpfen ist es wichtig, dass es in den Territorien Leute gibt, die sich mit der Örtlichkeit auskennen und zum Beispiel wissen, welche Flächen vernässen.“ Er war zuständig für das „Schwarze Loch“, der Deichabschnitt zwischen Sandau und Havelberg, der 2002 wegzubrechen drohte. Massen an Baumaterial mussten herangeschafft werden, um den Deich zu stabilisieren.

„Auf die Materialtransporte mit schweren Lkw musste ewig lange gewartet werden. Der Bürgermeister versuchte in der Not, mit seinen Leuten einen Weg durch den Wald zu finden, um über einen Palettenweg Sandsäcke zum Deich zu bringen. Die sollten dann per Hand verlegt werden. Das wäre nicht zu schaffen gewesen“, erinnert sich Arno Mahlke noch heute an die damals heftige Debatte. Die Bundeswehr kam zum Einsatz, flog nachts mit Nachtsichtgeräten Big Bags ein.

Irgendwann kamen dann auch die tonnenschweren Lieferungen eines Bauunternehmens und der Bundeswehr. Eine Schneise wurde in den Wald geschlagen, eine Rampe reingeschoben. Es gelang, den Deich zu halten. Auf der Wasserseite hatten Taucher zusätzlich Folie aufgebracht. „Die Wasserseite zu sichern, ist immer wichtig.“

Beim Elbhochwasser 2002 wurde auch erstmals das in den 1950er Jahren errichtete Wehr geöffnet, mit dem Elbwasser in die Havel und die Polder zur Entlastung der Unterlieger ab Wittenberge geleitet wird. „Das war schon etwas Besonderes.“ Den Hochwasserscheitel der Elbe auf diese Weise zu kappen, wurde in den Jahren danach zwar erwogen, doch geschehen ist es erst 2013 wieder. Dazwischen gab es 2003 ein Winterhochwasser, 2006 ein größeres Elbhochwasser und 2011 ein Hochwasser in der Havel, bei dem der Wasserstand zwischen Garz und Rathenow höher war als 2002.

Und dann kam der Juni 2013. Hatten selbst Fachleute gedacht, schlimmer als 2002 könne es nicht kommen, wurden sie da eines Besseren belehrt, wie Reinhard Kürschner sagt. Nachdem der Deich bei Fischbeck gebrochen war, floss das Wasser über den Trübengraben in die Elb-Havel-Region. „Wir hatten alle Freischleusen offen, das Wasser konnte in die Havel abfließen und trotzdem stieg es immer weiter an, es musste eine Lösung her“, denkt Arno Mahlke an die Zeit zurück, als stets neue Entscheidungen zu treffen waren. Etwa zur Straßenöffnung bei Jederitz. Die musste in Richtung Kuhlhausen erfolgen, um die Verbindung von Havelberg wenigstens für dieses Dorf aufrecht zu erhalten.

„Wir standen draußen, warteten auf das Okay vom Landrat. Da das Wasser innerhalb des Polders weiter stieg, kam die Entscheidung per Handy und die Bagger konnten loslegen. Doch war es einfach zu viel Wasser. Es folgten die zweite Öffnung kurz vor Kuhlhausen und später noch die zwischen Warnau und Rehberger Eck.“ Die Straße hinter Wulkau Richtung Kamern war schon vorher geöffnet worden, eine weitere Schlitzung gab es zwischen Wulkau und Neukamern. „Das Problem war natürlich, dass die Orte nicht mehr erreichbar waren. Aber man muss staunen, was die Leute in den Dörfern geschafft haben, wie viele sich engagiert haben.“

Spektakulär war auch die Öffnung des Elbdeiches bei Schönfeld. Damit sollte erreicht werden, dass das Deichbruchwasser, das nicht nur viele Ortslagen sondern auch die 8000 Schweine der Agrargenossenschaft in Scharlibbe bedrohte, zurück in die Elbe geleitet wird, ohne komplett durch die Engstelle in Schönfeld abfließen zu müssen. „Wir haben um Zentimeter gerungen, damit der Deich geöffnet werden konnte. Da gab es etliche Telefonate, weil uns keiner glauben wollte, dass das Wasser ab einem bestimmten Zeitpunkt binnenseitig höher stand als das in der Elbe.“ Der Deich musste dann wieder geschlossen werden, als noch einmal eine kleinere Hochwasserwelle durchlief. Um das erneute Öffnen wurde dann wieder gerungen.

Solche Katastrophensituationen sind natürlich nervenaufreibend. Viel geschlafen hat Arno Mahlke in diesen Zeiten nicht. Und auch nicht viel gegessen. Beim Hochwasser 2002 hatte er sechs Kilo abgenommen, 2013 waren es vier. „Es sind so viele Probleme, die einem durch den Kopf gehen. Auch wenn man eigentlich mal schlafen sollte, das Adrenalin ist stärker.“ Einmal wurde ihm 2013 sogar von seinem Chef Handyverbot und Schlaf verordnet. Doch der Kopf lässt sich schwer ausschalten. In solchen Situationen können dann auch mal die Emotionen hochgehen. „Das ist ganz normal, man muss schnell Entscheidungen treffen ohne zu wissen, ob es immer die richtigen sind. Aber das ist nicht persönlich gemeint, das wissen die meisten auch.“ So wie Reinhard Kürschner. „Arno ist ziemlich still und zurückhaltend, aber ich habe ihn auch anders erlebt. Er ist ein kämpferischer Mensch, wenn es um den Hochwasserschutz geht.“

Gegenüber 2002 gab es 2013 zumindest den Vorteil, dass sich die Erreichbarkeit per Handy wesentlich verbessert hatte. 2002 hielten auch die Akkus noch nicht so lange. „Zum Glück lieh mir ein Bundeswehrsoldat am Schwarzen Loch sein Handy“, sagt Arno Mahlke. 2013 hätte er sich für die Betriebsstelle in Havelberg einen Telefondienst gewünscht. „Das Problem war doch, dass wir sieben, acht Leute hier in Havelberg alles, was den LHW betraf, alleine machen mussten. Hätte eine Person am Telefon gesessen, die nur Informationen weitergibt, hätte das die, die draußen waren, schon sehr entlastet.“

Für 53 Elbdeichkilometer war Arno Mahlke als Bereichs­ingenieur von der ICE-Brücke bei Schönhausen bis hoch nach Havelberg zuständig. Die wasserwirtschaftlichen Anlagen wie Siele, Deiche, Schöpfwerke und Wehre in Ordnung zu halten, gehörte zu seinen Aufgaben. Mit dem Deichbauprogramm nach 2002 gab es viele Baustellen zu begleiten, auch an der Havel. Was er sich an Wissen und Kenntnissen in den vergangenen Jahrzehnten angeeignet hat, ist enorm.

Doch sieht er auch seinen Nachfolger Alexander Helm gut gerüstet, die Aufgaben zu meistern. Der Schönhauser hat während seines Studiums seine Praktikumsarbeit über die Deiche des Flussbereiches Genthin geschrieben, war mehrere Wochen hier tätig, kennt sich aus. Als Bauleiter war er zwischenzeitlich beim LHW in Wittenberg eingesetzt. Als die Stelle des Bereichsingenieurs im Norden Sachsen-Anhalts ausgeschrieben wurde, bewarb er sich und erhielt den Zuschlag.

Insgesamt vier Wochen hatten Arno Mahlke und Alexander Helm Zeit für die Übergabe. Seine Handynummer hat er seinem Nachfolger natürlich gegeben. Und sollte sein Wissen bei einem nächsten Hochwasser benötigt werden, wäre Arno Mahlke zur Stelle. „Vielleicht ist das aber gar nicht notwendig, weil die neuen Deiche wesentlich stabiler sind als die bisherigen.“ In der Betriebsstelle in Havelberg gibt es mit dem Nitzower Christian Schaper noch einen weiteren jüngeren Kollegen. Er tritt die Nachfolge des Meisters Diethelm Gädke an. Bei der Weihnachtsfeier gaben die beiden Neuen ihren Einstand.

Auch wenn er jetzt im Ruhestand ist, so gönnt sich Arno Mahlke nicht wirklich Ruhe. Als Kurierfahrer hat er sich einen kleinen Nebenjob gesucht, „um den Kontakt zur Außenwelt aufrecht zu erhalten“. Außerdem ist er Kleingartenpächter geworden. In der Anlage „Am Nußberg“, die mittendrin im Buga-Geschehen war, hat er den Buga-Mustergarten gepachtet. „Meine ersten Erfahrungen habe ich schon gesammelt und mich über meine Tomaten und Gurken aus dem Gewächshaus gefreut.“

Der Apfelbaum, den er bei seiner Verabschiedung erhielt, ist eingepflanzt. „So wie der Garten ist, kann er aber nicht bleiben. Da sind zu viele Blumen drin. Ich werde mehr Beete anlegen, um Gemüse und Erdbeeren zu pflanzen. Da der Boden, über den bei den Bauarbeiten an der Dommauer schwere Fahrzeuge gefahren sind, wie Beton ist, habe ich da auch noch gut zu tun.“ Den Garten sieht er vor allem als Möglichkeit zur Erholung und Arbeit mit Spaß. Ansonsten gehört der Havelberger dem Volleyballteam des SV 90 an, mit dem er zu Turnieren fährt oder hilft, hier Turniere auszutragen.

Vorgenommen hat er sich, sich mehr mit der Fotografie zu beschäftigen. Daran erinnerte ihn erst kürzlich wieder ein Motiv, das ihm mit Mond über Stadtkirche und Speicher und glitzerndem Wasser in seiner Heimatstadt ins Auge fiel.