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Saniert Kran hievt Glocke in den Kirchturm

Viele Sandauer hatten sich Dienstagvormittag an der Kirche eingefunden: Die große Glocke wurde von einem Kran zur Glockenstube hochgehievt.

Von Ingo Freihorst 15.03.2016, 16:59

Sandau l „Jetzt ist ein weiteres Stück von unserem alten Sandau wieder da,“ freute sich Pfarrer Hartwig Janus, als die mehr als zwei Tonnen schwere Bronzeglocke nach dem Hochhieven sicher auf der Stahlkonstruktion in der Schallluke stand. In diesen beiden Luken hatten die Sandauer Glocken nach dem Krieg über Jahrzehnte in der Turmruine an einem gekröpften Joch gehangen. Ein Provisorium, was auch am Klang zu hören war. Zudem barg diese Art der Aufhängung Gefahren – irgendwann wäre die Glocke womöglich erneut abgestürzt, von den durch die Schwingungen verursachten Schäden am Mauerwerk ganz zu schweigen.

Zuvor hatte es noch etwas Aufregung gegeben: Der Gabelstapler der Havelberger Baufirma HTI – sie war mit der Aktion betraut worden – hatte einige Mühe, die Glocke zu transportieren. Man mutmaßte, dass sie nach der Sanierung schwerer als drei Tonnen sei – dann könnte womöglich die Tragkraft des Stahlgestells oben an der Luke nicht ausreichen. Ein Anruf beim Statiker gab Entwarnung, eine gewisse Sicherheit sei bei der Konstruktion mit einberechnet. Zudem zeigte auch die Technik des Autodrehkranes an, dass die Glocke unter 2500 Kilogramm wog. Die Aktion konnte also starten.

Zuerst wurden das Joch aus Eichenholz und der Klöppel der Glocke am Turm emporgehoben, beide Teile hatte die Glockenfirma aus Berlin mitgebracht. Dann endlich folgte der große Augenblick, zu dem sich etliche Einheimische mitsamt den Grundschülern auf dem Kirchberg eingefunden hatten.

Am Ausleger des 50-Tonnen-Autodrehkranes schwebte die Bronzeglocke an drei Stahlseilen nach oben. Oben an der Schallluke wurde sie auf einen Stahlschlitten abgesetzt, mit dem sie in die Glockenstube gefahren wurde. Der weitere Transport bis zum endgültigen Standort erfolgte danach Schritt für Schritt mit dem Flaschenzug. Die Glockenbauer montieren jetzt alles und programmieren auch das Läuten.

Die große Glocke hatte in Bayern eine neue Krone angeschweißt bekommen, die alte war beim Absturz im April 1945 abgebrochen. Neu aufgeschweißt wurde zudem der Schlagring, also die Stelle, auf welche der Klöppel trifft. Insgesamt kostete die Aufarbeitung der Glocke inklusive Einbau um die 33 000 Euro. Allein der Klöppel schlug mit 3000 Euro zu Buche, das Joch mit 2500 Euro. Die Ostdeutsche Sparkassenstiftung unterstützte mit 20 000 Euro, der Rest floss über Spenden des Fördervereins für den Kirchturmaufbau.

Die bronzene Glocke ist bereits zwei Male neu gegossen worden: Erstmals geschah dies am Sonntag Kantate im Jahre 1460. Beim großen Stadtbrand 1695 wurde sie zerstört und darum 1742 nochmals gegossen. 1745 wurde sie hochgezogen – bis zur erneuten Zerstörung dauerte es genau 200 Jahre.

Am 17. April, zum 71. Jahrestag des mehrtägigen Beschusses der Stadt zu Kriegsende, wird die große Glocke feierlich eingeweiht. Dann tritt in der Elbestadt auch die neue Läuteordnung in Kraft. Demnach werden beide Glocken jeden Sonnabend um 18 Uhr zu hören sein – der Sonntag wird eingeläutet. Ansonsten erklingt um 18 Uhr immer nur eine Glocke.

Vor dem Krieg hatten übrigens drei Glocken im Kirchturm gehangen. Die kleine wurde für den Krieg eingeschmolzen, die mittlere Glocke war zwar abtransportiert, aber nicht mehr eingeschmolzen worden. „Nach Kriegsende kam ein Anruf aus dem Lager in Ilsenburg – Hitler sei tot, aber unsere Glocke lebt“, erinnerte sich Senior Ernst Busse. Er besitzt sogar noch ein Foto von der kleinen Glocke.

An der Fassade sind noch immer große Einschusslöcher zu sehen. Sie sollen bleiben – die Kirche bleibt auch weiterhin Mahnmal dafür, was Rassenhetze bewirken kann.

Spendenkonten: Kreissparkasse Stendal, IBAN: DE11 8105 0555 3080 0047 00; Volksbank Rathenow, IBAN: DE58 1609 1994 0000 2696 11.