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Gottesdienst Glockenweihe am Sonntag in Sandau

Am Sonntagnachmittag werden die Sandauer erstmals und ganz offiziell ihre große Kirchturmglocke läuten hören.

Von Ingo Freihorst 15.04.2016, 01:01

Sandau l  Denn dann wird die Glocke im Rahmen eines Festgottesdienstes in Sandau eingeweiht. Pfarrer Hartwig Janus wird die Gäste des um 14 Uhr beginnenden Gottesdienstes mit der Trompete vom Turm herab begrüßen, dieses Instrument wird dann im Anschluss hoch oben in der Glockenstube nochmals zur Weihe erklingen. Weil dort nicht alle Gäste Platz finden, überträgt der Offene Kanal aus Stendal die feierliche Zeremonie ins Kirchenschiff.

Nach der Glockenweihe sind alle Gäste in den wieder aufgebauten Turm eingeladen, auf allen drei Ebenen werden dazu die Kaffeetafeln aufgebaut. Bei der Gelegenheit wird sich auch der neue Fördervereinsvorsitzende Ingo Jurig vorstellen. Mit dabei sein werden auch die Sponsoren der um die 30 000 Euro teuren Glockensanierung, einen Großteil steuerte unter anderem die Sparkasse bei. Unter anderem wurden die Glockenkrone an- und der Schlagring aufgeschweißt, zu finanzieren waren ferner der Klöppel, das hölzerne Joch und der Antrieb. Und, nicht zu vergessen, der Transport zur Sanierung nach Bayern sowie der „Umzug“ in die Glockenstube.

Diese Glockenstube war mit fast dem gesamten Kirchturm sowie etwa 80 Prozent der Bebauung der Elbestadt beim Artilleriebeschuss durch die US-Amerikaner im April 1945 in Schutt und Asche gesunken, die Glocke herabgestürzt. Auch dessen werden die Sandauer am Sonntag gedenken, Bürgermeister Henry Wagner und der Pfarrer werden dazu mahnende Worte sprechen.

Am Mittag des 13. April 1945 begann der Beschuss der Elbestadt Sandau. Das Martyrium dauerte elf Tage – danach war die Stadt ein Trümmerfeld. 14 Sandauer starben beim Beschuss, allein sechs Opfer gab es am 17. April: Die Feuerwehrspritze erhielt einen Volltreffer, die Männer waren mit vorgehaltener Pistole zum sinnlosen Löschen gezwungen worden.

Ein Zeitzeuge ist der 83-jährige Ernst Busse, er ist noch immer als Kirchenführer tätig. Seine Erlebnisse schilderte er im Buch „Das Wissen der Region“: Am 13. April 1945 brachte er Essen zu den auf dem Deich lagernden Wehrmachtssoldaten, als auf der anderen Elbseite plötzlich Panzer auftauchten. „Sieh an, die Deutschen haben doch noch schwere Waffen“, dachte er – dann gingen die deutschen Soldaten in Deckung.

Die ersten Panzergranaten trafen den Fährdamm auf der anderen Elbseite. Fährmann Wilhelm Mangelsdorf flüchtete ans Sandauer Ufer und setzte das Gefährt aufs Land. Geschossen wurde zuerst auf die Windmühle und das Rathaus, erst mit der nachrückenden Artillerie wurde der Kirchturm unter Beschuss genommen – an diesen Punkten wurden Beobachter vermutet.

Alte Sandauer erinnern sich noch gut an den Niedergang ihrer Stadt, die Einwohner waren beim Beschuss zumeist in die Feldmark oder Nachbarorte geflüchtet. Am 14. April, einem Sonnabend, schießt um 9.30 Uhr erstmals die Artillerie auf Sandau, das Kirchturmdach zersplittert. Anderntags um 11 Uhr geht der Beschuss weiter, der Turm verliert seinen Helm. Das Rathaus liegt am 16. April unter Beschuss. Am 17. April ist die Steinstraße das Ziel, am 18. April folgt das Stadtzentrum mit Stein-, Schleusen- und Stavenstraße. Am „Führergeburtstag“, dem 20. April, sind Büsche und Rosen schwarz von Flugasche.

Polnische Soldaten erobern am 4. Mai 1945 die Stadt – ihnen präsentiert sich eine einzige Trümmerwüste.