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Amtswechsel Bernd Witt macht Bürgermeisterstuhl frei

Bernd Witt räumt am Donnerstag den Bürgermeisterstuhl der Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land. Eine Bilanz über sieben Jahre.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 10.01.2017, 14:04

Sie hatten sich das anders vorgestellt: Mit einer gewonnenen Wahl wollten Sie weitere sieben Jahre die Geschicke des Elbe-Havel-Landes leiten. Doch der Wähler hat anders entschieden. Wie groß ist die Enttäuschung über die verlorene Wahl?

Bernd Witt: Schon sehr groß! Ich hatte gleich nach der Wahl schlaflose Nächte, in denen man sich mit der Frage quält, warum der Wähler so entschieden hat. Ich akzeptiere das Ergebnis. Aber ich gehe mit erhobenem Haupt. Denn ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und habe mir nichts zu Schulden kommen lassen. Wir hatten in den sieben Jahren so manche Herausforderung zu meistern – die Schulentwicklungsplanung, die Flut, die Personalproblematik in der Verwaltung – ich habe mich jeden Tag engagiert. Aber so ist das nun mal: Als Bürgermeister kann man es nicht allen recht machen. Schön war der Zuspruch, den ich nach der Wahlniederlage trotzdem erhalten habe. Es gab Dankesworte von Personen und Institutionen, von denen ich es gar nicht erwartet habe. Ich habe also nicht alles verkehrt gemacht. Jetzt sind ein paar Tage ins Land gezogen und ich habe mich an den Gedanken gewöhnt, kein Bürgermeister mehr zu sein – wer weiß, wofür es gut ist. Die Zeit bleibt nicht stehen. Ich denke positiv und blicke nach vorn.

Sicher werden Sie nach Gründen gesucht haben, warum der Wähler Ihnen nicht noch einmal das Vertrauen geschenkt hat.

Natürlich. Zuletzt war sicher die Sache mit dem Mittagessen für Kindergartenkinder und Schüler ein Punkt. Ich habe das im Amt nicht mit letzter Konsequenz verfolgt, als Bürgermeister hat man nun mal die Gesamtverantwortung. Da hätte ich mich eher einschalten sollen, damit das Problem nicht auf die lange Bank geschoben wird. Die Diskussion um die neue Drehleiter und die fehlende Ausstattung war auch so ein Punkt. Und natürlich wirkt die Schließung der Schollener Schule auch immer noch nach. Das war eine der emotionalsten Zeiten. Das Land hat uns die Schulproblematik übergestülpt und uns neue Zahlen vorgeschrieben. Eine Schule musste schließen, ob nun Sandau oder Schollene, Schönhausen oder Wust – einen musste es treffen. Ein Argument, das für Sandau sprach, war, dass Havelberg zum damaligen Zeitpunkt die Sandauer aus Platzgründen gar nicht aufnehmen konnte. Ich freue mich, dass die Aufnahme der Schollener in Klietz so harmonisch geklappt hat. Und gut auch, dass es für Wust noch Ausnahmeregelungen bis 2018 gibt und die Schule noch weiter bestehen kann.

Der Deichbruch 2013 prägte und veränderte das Elbe-Havel-Land. Während der dramatischen Tage der Flut und auch danach mit dem beginnenden Wiederaufbau haben Sie alles gegeben und dabei auch Ihre Gesundheit vernachlässigt. Wie geht es Ihnen jetzt, zweieinhalb Jahre nach dem Schlaganfall?

Das hat schon Spuren hinterlassen. Es geht mir nicht sehr gut, aber gut. Und damit bin ich zufrieden, es hätte auch anders ausgehen können. Der Arzt hatte mir auch grünes Licht gegeben, weiterzuarbeiten. Mit jetzt 60 Jahren hätte ich das gern getan.

... und die angeschobenen Wiederaufbaumaßnahmen zu Ende gebracht ...

Ja genau! Die Flut war ein Ereignis, von dem man wohl noch im nächsten Jahrhundert reden wird. Die Schadensbeseitigung war und ist eine Riesenherausforderung. Jetzt zeigen sich endlich Ergebnisse, eine neue Straße nach der anderen wird freigegeben. Trotzdem sind noch 60 bis 70 Millionen Euro umzusetzen. Ich freue mich schon darauf, wenn solche Großprojekte wie der Kamernsche Jugendklub oder die Schönhauser Turnhalle fertig sind. Es ist auch noch viel zu tun. Unabhängig von der Flut haben wir aber auch viel erreicht, wenn ich da nur an die Sanierung der Kindergärten Sandau und Wust denke oder den Neubau in Schollene. Mit Stark III und Stark V ist vieles angeschoben, was die Bedingungen in allen Kindereinrichtungen verbessern wird. Dazu kommt auch die energetische Sanierung der Straßenbeleuchtung in allen Gemeinden oder der Einbau eines Computerkabinettes in die Klietzer Grundschule.

Die viel kritisierte und vom Land aufgedrängte Einführung der doppischen Haushaltsführung belastete die ohnehin durch die Flutsanierung beanspruchten Mitarbeiter zusätzlich. Wie schätzen Sie das Betriebsklima in der Verwaltung ein?

Recht ordentlich. Ich bin froh, dass wir personell auf der Leitungsebene in „ruhigere Fahrwasser“ gelangten. Die jetzige Konstellation ist gut, die Einstellung der Mitarbeiter stimmt. Natürlich braucht man im Umgang mit den über 30 Mitarbeitern im Amt und den insgesamt 160 für die gesamte Verbandsgemeinde schon Fingerspitzengefühl. Die Amtsleiter sind eine starke Stütze. Allerdings werden auch in diesem Jahr Mitarbeiter in Ruhestand gehen, die eine Lücke hinterlassen, für die man erst einmal wieder einen geeigneten Nachfolger finden muss.

Sie haben zugesagt, dass die Mitgliedsgemeinden 2017 nicht erst am Jahresende die Haushaltspläne vorgelegt bekommen ...

Wenn die Gemeinden mitarbeiten und die angeforderten Zuarbeiten zeitnah liefern, ja. 2016 mussten wir zeitweise bis zu vier Monate auf diese Zuarbeit warten. Wir haben mit dem neuen Kämmerer Steve Tangelmann einen sehr fähigen Mitarbeiter. Er arbeitet jetzt daran, den Etat für die Verbandsgemeinde aufzustellen, hier wird bereits an Details gefeilt. Danach kommen gleich die Gemeinden dran.

In Anbetracht der geplanten großen Investitionen – Kindergartenneubau in Schönhausen und Neuanschaffungen für die Feuerwehren als Beispiele: Kann das Vorhaben, die von den Mitgliedsgemeinden zu zahlende Umlage nicht zu erhöhen, überhaupt eingehalten werden?

Das wird schon äußerst schwierig. Finanziell sind wir nicht auf Rosen gebettet. Die vorläufige Endabrechnung für 2016 stimmt mich optimistisch. Hier sind wir in unseren Vorgaben geblieben. Ich kenne die Zuweisungen vom Land für 2017 noch nicht, davon hängt eine Menge ab. Ich hoffe, dass die Umlage gesenkt werden kann. Denn wir werden wohl nicht so viele Kredite aufnehmen müssen wie geplant. Aber ganz ohne kommen wir auch 2017 nicht aus. Neben dem Schönhauser Kindergarten ist da auch noch das neue Gerätehaus für die Wuster Feuerwehr. Und das sind nur die ganz großen Anschaffungen – es kommen noch viele weitere Puzzleteile dazu.

Noch immer gibt es keine Zusage für die Stark-III-Fördermittel vom Land. Der Zeitplan ist dahin und das Ziel, dass der Kindergarten 2018 fertig wird, gar nicht zu halten. Das hat ja dann auch Folgen für die Wuster Grundschüler ...

Ja. Ich hoffe, dass es auch ab Sommer 2018 eine Ausnahmeregelung gibt. Den Baubeginn 2017 für den Kindergarten können wir wohl vergessen, Frühjahr 2018 ist eher realistisch. Denn die Einhaltung der Ausschreibungsfristen entsprechend der EU-Richtlinien für Planer und für Baufirmen dauert, dazu die Prüfung und Genehmigung der Pläne. Und im Herbst brauchen wir auch nicht mehr anzufangen zu bauen. Es ist ärgerlich, dass das alles so lange dauert.

Wäre es vielleicht doch günstiger gewesen, den Kindergartenneubau in abgespeckter Variante ohne die kostenaufwendigen enegetischen Anforderungen ohne die Stark-III-Mittel umzusetzen – dann hätte der Bau ja längst in Gange sein können.

Das stimmt wohl, baulich wäre dann vielleicht schon etwas zu sehen. Aber Investieren mit Fördermitteln ist immer die bessere Variante. Wir bekommen hier eine zukunftsträchtige Einrichtung. Sicher hätten wir auf Stark III verzichten können und stattdessen die Stark-V-Mittel für den Schönhauser Kindergarten nehmen können. Aber die Investitionen in den anderen Einrichtungen sind genauso wichtig. Ich denke, es ist der richtige Weg, wenn er auch lang ist.

Die Verbandsgemeinde als Folgeprodukt der Verwaltungsgemeinschaft besteht seit sieben Jahren. Sind die sechs Mitgliedsgemeinden und auch die großen Gemeinden, die sich bilden mussten, zusammengewachsen und ist das Modell zukunftsträchtig?

Nein! Weder sind die Gemeinden zusammengewachsen noch ist das Modell zukunftsträchtig. Allein schon das Zusammenwachsen der großen Gemeinden ist schwierig. Und im Elbe-Havel-Land ist lediglich die Verwaltung das Bindeglied, sonst gibt es keine Berührungspunkte. Ich hatte ja mal geplant, ein Einheitsfest zu organisieren, aber dann kam die Flut. Die Aktion am 1. April in Schönhausen, wenn hier als Gegenpart zum Treff der rechtsgerichteten Bismarckfreunde die gesamte Verbandsgemeinde Gesicht zeigen könnte, wäre eine gute Möglichkeit, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Und die Verbandsgemeinde ist wohl ein Auslaufmodell. Mit Blick noch etwas weiter in die Zukunft könnte es so kommen, dass der Altkreis Havelberg eine Einheit bildet. Oder der südliche Teil schließt sich Tangermünde an, wohin die Verbindungen stärker als nach Havelberg sind. Aber das ist Zukunftsmusik. Man muss bei der jetzigen Konstellation und der schlechten Finanzausstattung der Kommunen durch das Land versuchen, das Beste daraus zu machen.

Gerade aus Klietz wird immer wieder der Vorwurf laut, dass „immer nur Schönhausen“ im Vordergrund steht. Ist diese Kritik berechtigt?

Nein! Wir haben in Schönhausen nicht mehr gemacht als in anderen Orten – im Gegenteil. Und die Verbandsgemeinde hat auch nicht das Bürgerzentrum bezahlt, wie es von manchen Personen gesagt wird, sondern einzig und allein die Gemeinde Schönhausen, die dafür Kredite aufgenommen hat. In Schönhausen wohnen nun mal die meisten Einwohner, es gibt Geschäfte und Gewerbe. Da ist es doch nur logisch, dass hier am meisten passiert. Damit hat aber die Verbandsgemeinde nichts zu tun. Und dass sich der Sitz der Verbandsgemeinde in Schönhausen und nicht im alten Klietzer Ärztehaus befindet, wurde schon vor meiner Zeit entschieden.

Welchen Herausforderungen muss sich Ihre Nachfolgerin Steffi Friedebold stellen?

Die Vielfalt der Aufgaben ist die Herausforderung. Es ist so viel Verschiedenes zu organisieren: Neben dem eigentlichen Tagesgeschäft der Verwaltung kommt die Flutschadensbeseitigung dazu, die endgültige Einführung der doppischen Haushaltsführung, die Umsetzung der Förderprogramme Stark III und V, die Wasserwehr und auch an die nächste Schulentwicklungsplanung ab 2020 ist langsam zu denken.

Eines Ihrer Hauptanliegen der letzten Monate war die Versorgung des Elbe-Havel-Landes mit schnellem Internet. Auch wenn die Rufe zuvor laut waren, hat die Region die geforderten 60 Prozent bisher nicht erreicht, und der Kampf um eine flächendeckende Erschließung mit Glasfaser ist noch nicht gewonnen ...

Das ist schon enttäuschend. Wir sollten froh sein, jetzt die Chance zu haben, selbst über unsere Zukunft zu bestimmen. Auch für Schönhausen und Klietz ist die Verlegung des Glasfasernetzes wichtig. Vor 20 Jahren hatte auch noch niemand an ein Handy gedacht, heute halten wir einen Computer samt Fotoapparat in der Hand. Ich bin immer noch zuversichtlich, dass die Erschließung flächendeckend erfolgt.

Sie sind Mitglied des Kreistages und bleiben damit lokalpolitisch aktiv. Vor Ihrer Bürgermeisterzeit waren Sie 23 Jahre im Schönhauser Rat aktiv. Wollen Sie sich für Ihre Heimatgemeinde weiterhin einbringen?

Natürlich, ich will mich nicht zurückziehen. Das gilt nicht nur für Schönhausen, sondern für das gesamte Elbe-Havel-Land.

Sie sind jetzt 60 Jahre alt. Welche beruflichen Pläne haben Sie?

Keine. Es gab sicher ein paar Angebote. Beruflich noch einmal neu anzufangen, kann ich mir nicht vorstellen – aber wer weiß, was die Zeit so bringt. Es ist auch schön, Zeit zu haben für die Familie und Hobbys wie das Angeln. Ich bin ja Vorsitzender des Schönhauser Angelvereins und ich werde mich auch für das ein oder andere Projekt engagieren.

Was geben Sie Steffi Friedebold mit auf den Weg?

Sie möge stets ein glückliches Händchen bei den Entscheidungen und beim Umgang mit den Mitarbeitern haben und der Mut soll sie nicht verlassen! Es stehen weitreichende Entscheidungen an, bei denen man es nicht allen Recht machen kann. Denn oft ist man nur die Marionette des Landes und der Überbringer und Umsetzer der schlechten Nachrichten. Man darf sich auch nicht alles gefallen lassen und muss den Bürger mitnehmen. Dass man etwas erreichen kann, hat der Einsatz der Bürgerinitiative für den Erhalt der Wuster Schule gezeigt – das Engagement hatte mich sehr beeindruckt! Wichtig sind auch die kleinen Dinge, wie den Kontakt zu halten zu den kleinen Orten und mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Ich bin gern zu Festen in den kleinsten Orten gefahren, zu Jahresversammlungen von Feuerwehren oder auch mal Vereinen – alles zeitaufwendig am Abend und am Wochenende. Aber es hat Spaß gemacht! Das werde ich vermissen. Ich möchte mich an dieser Stelle für das Vertrauen der Bürger und die sehr gute Zusammenarbeit bei meinen Mitarbeitern bedanken.