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Bahnhof Bockwurst gab‘s als Hauptgericht

Der letzte Zug ist längst abgefahren! Genau am 25. September 1971. Da schnaufte der „Pollo“ zum letzten Mal in Richtung Glöwen.

Von Wolfgang Masur 01.07.2016, 16:07

Havelberg l Die Erinnerungen an die legendäre Schmalspurbahn sind aber längst noch nicht erloschen. Geblieben ist auch noch das alte Bahnhofsgebäude, in dem sich einst die Bahnhofsgaststätte befand. Hier wird zurzeit wieder gebaut. Und das Schöne daran ist, dass zum Beispiel die alte Bahnsteigkante der Nachwelt erhalten bleibt.

Aber zunächst ein kleiner Rückblick in die Geschichte der Havelberger Bahnhofsgaststätte. Über viele Jahre bewirtschafteten Gretchen und Erich Weisheit das Lokal. In den Jahren davor wechselten die Besitzer sehr oft. Nach dem Krieg soll der Sohn von Max Kiauker, Alfred Kiauker, die Gaststätte geführt haben. Reisende, die auf den Zug warteten, oder Anwohner der Bahnhofstraße und der Havelstraße verkehrten hier. Zu dieser Zeit, es war Anfang der 1950er Jahre, hieß die gas­tronomische Einrichtung noch „HO-Bahnhofs-Gaststätte“.

Die jetzt leider schon verstorbene Havelbergerin Ursula Quadt hat, bevor sie damals die Gaststätte selbst übernahm, mit den Weisheits noch kurze Zeit zusammengearbeitet und erzählte im Jahr 2006 Folgendes: „Ich hatte Gretchen und Erich Weisheit einst in der Bahnhofs-Gaststätte kennengelernt und wir freundeten uns an. Die Eheleute Weisheit mussten dann, aus gesundheitlichen Gründen, die Gaststätte aufgeben und baten mich deshalb den ,Bahnhof‘, wie die Gaststätte im Volksmund hieß, zu übernehmen.

Eigentlich waren sie zu diesem Zeitpunkt auch schon alt genug, um die Hände in den Schoß zu legen. Gretchen und Erich Weisheit waren bei den Gästen sehr beliebte Wirtsleute. Ich arbeitete, bevor ich dann 1972 wirklich die Gaststätte übernahm, beim Rat des Kreises. In der Erwachsenenqualifizierung, an der Schule des sozialistischen Binnenhandels in Genthin, habe ich meinen Facharbeiter als Koch erworben und den Befähigungsnachweis als Gaststättenleiter gemacht. Aus der ,HO-Bahnhofs-Gaststätte‘ wurde dann die HO-Gaststätte ,Am alten Hafen‘“, erinnerte sich die damals 72-Jährige.

Etwa 65 Gäste fanden im Gastraum Platz, aber die Küche war damals nicht für eine Speisegaststätte ausgelegt. So gab es lediglich Bockwurst mit Brot oder mit Kartoffelsalat sowie Kaffee aus der kleinen Küche. Später kam dann auch einmal ein Eintopf als Mittagsangebot mit hinzu.

„Nachdem der beliebte Pollo nicht mehr fuhr, haben wir auch die Gleise vor der Gaststätte abgerissen. Ein Gleis führte ja runter zum ehemaligen Volkseigenen Erfassungs- und Aufkaufbetrieb (VEAB), wo Eier, Obst, Gemüse und vieles mehr aufgekauft wurden und dann in Eisenbahnwaggons verladen wurden.“ Ursula Quadt erzählt weiter: „Das Gelände vor der Gaststätte zäunten wir ein. Es wurde eine Mauer gezogen. Mein Mann, Herbert hatte dabei viele Helfer. Es waren überwiegend Stammgäste, die mithalfen, die Mauer aus Feldsteinen herzurichten. Eine kleine Tanzfläche entstand ebenfalls und es wurden Treppen angelegt, die zum Wasser hinunter führten. Sechs Tische stellten die Männer auf und Sonnenschirme boten Schatten. Die Tische hatten eine Überdachung aus Stroh, das der Havelberger Kurt Ziesemann aufgebracht hatte. Es war alles richtig schön und die Gäste, die draußen saßen, bedienten sich selbst. Die Ausgabe erfolgte durch eine Luke, die sich im Tresenbereich befand“. (Teil 2 folgt.)