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Heimatgeschichte Autos poltern nicht mehr über die Stadtinsel

Vieles hat sich in den zurückliegenden Jahren in Havelberg zum Positiven verändert. Auch die Uferstraße.

Von Wolfgang Masur 27.01.2017, 23:01

Havelberg l Eines der vielen Beispiele für die Veränderungen in der Hansestadt ist die Uferstraße, die jetzt täglich von unzähligen Fahrzeugen und Fußgängern genutzt wird. Sie ist ein Teil der Bundesstraße 107 und führt direkt am Winterhafen vorbei. Sie gestattet dem Benutzer einen zauberhaften Blick auf die Havelstegbrücke, die Touristinformation und den Campingplatz.

Wie sah es hier vor über einem halben Jahrhundert aus? Die Uferstraße gab es schon immer, aber sie war zuvor ein zum Teil unbefestigter Weg, der auch schon von der Sandauer Brücke zur Steintorbrücke führte. Angelkähne lagen entlang der Uferkante, auf freien Plätzen wurde Wäsche getrocknet, Kinder hatten ausreichend Platz zum Toben und vor dem ehemaligen Elektrobetrieb VEB Reparatur und Dienstleistungskombinat (Rediko) wurde hin und wieder „gekokelt“: Unterhalb des Betriebsgeländes, das durch ein großes Tor von der Uferstraße aus befahren werden konnte, wurden in der Nähe des Winterhafens regelmäßig von den Rediko-Lehrlingen alte Kabel verbrannt, um Altmetall zu gewinnen. Den älteren Havelbergern wird die Speditionsfirma „C. F. Deter Nachf.“ noch gut in Erinnerung sein. Auch sie hatte von der Uferstraße aus ihre Hofzufahrt zu den Betriebsgaragen. Ihr Sitz befand sich in der Langen Straße 4/5, heute ist es die im September 1995 eingeweihte Töpfergasse.

Die Betriebs- und Lieferfahrzeuge vom Rediko, der Speditionsfirma und den restlichen Anliegern hatten der Uferstraße reichlich zugesetzt. Gelder für eine Reparatur oder gar Erneuerung der Straße gab es nicht. Einige andere kleinere Firmen wie etwa Glaserei, Sattlerei und Fleischerei waren hier ebenfalls ansässig und auch das DRK befand sich im jetzigen Gebäude des Jugendzentrums. Die Rettungswagen des DRK wurden bei den Winter- und Frühjahrshochwassern gleich im Winterhafen gewaschen. Heute undenkbar!

Ein Altstoffhandel und der städtische Bootsverleih, der schon in den 60-er Jahren von Gertrud Pohland betrieben wurde, befanden sich ebenfalls in der Uferstraße. Der Verkehr führte zum Leidwesen vieler Bewohner der historischen Altstadtinsel quer durch die Stadt. Die Fahrzeuge auf der F 107 setzten den Menschen und Häusern sehr zu und die Straßen waren in einem sehr schlechten Zustand. Von der alten Sandauer Brücke, auf der sich öfters die Lkw verkeilten, führte die F 107 vorbei am Post- und Gerichtsgebäude in die Mühlenstraße und dann über den Marktplatz hinunter zur Scabellstraße. Dann hatten die Kraftfahrer die Wahl: in Richtung Rostock durch die Steinstraße oder in Richtung Magdeburg durch die Ernst-Thälmann-Straße, heute Lange Straße. Und das tagein tagaus!

Zu dieser Zeit wurde schon an eine Entlastung der Altstadt gedacht, aber es fehlte das Geld. Der schlechte Zustand der Uferstraße war auch von der Sandauer Brücke aus nicht einsehbar, denn damals stand das Pegelhaus noch auf dieser Seite und große Kastanienbäume verdeckten den Rest.

Erst kurz nach der Wende, Anfang der 90-er Jahre, gab es eine Veränderung: Der Bau einer Entlastungssstraße begann. Die Uferstraße wurde dazu grundlegend erneuert. Bereits im Jahr 1974! war mit der Planung dieses Straßenbauprojektes begonnen worden. Die Abfahrt von der Sandauer Brücke war der erste große Schritt beim Baustart, denn in diesem Bereich musste ein tiefer gelegenes Gartengrundstück, das zum Hotel Magdeburg gehörte, beräumt werden.

Das benachbarte Gerichtsgebäude, heute Kreissparkasse, wurde im März 1999 abgerissen. Weitere „Altlasten“ wurden im Verlauf des Uferstraßenbaus ebenfalls entsorgt, neue Zufahrten, Parkflächen und vieles mehr geschaffen.

Die Erneuerung der Spundwand mit Schiffsanlieger und der Bau der Touristeninformation, ein großer Fußgängerüberweg, Grünflächen, Parkbänke, Terrasse und einiges mehr, haben die Uferstraße zu einem Hingucker gemacht. Nicht zu vergessen das große Gesundheits- und Freizeitstudio, das später in der Uferstraße 15 errichtet wurde.

Der Straßenbau selbst zog sich damals in die Länge, denn im gleichen Zeitraum sollte die Lange Brücke, wie die Sandauer Brücke zu dieser Zeit genannt wurde, rekonstruiert werden. Daher war parallel zur Hauptbrücke eine Pontonbrücke errichtet worden.

Am 3. Juli 1991 rollten in den Nachmittagsstunden die ersten Fahrzeuge über die Pontons. Nun wurde also an der Sandauer Brücke gebaut, in der Entlastungsstraße und zusätzlich zeitgleich der Übergang zur Steintorbrücke geschaffen. Diese wurde auch noch repariert und brachte halbseitige Sperrungen mit sich.

Die Arbeiten an der neuen Umfahrungsstraße zogen sich bis in den Winter hinein und man hatte schon Bedenken wegen der Freigabe. Kurz vor der Inbetriebnahme der neuen Straße am 12. Dezember 1991 wurde – bei acht Grad Minus – der letzte Straßenabschnitt asphaltiert.

Zur Eröffnung waren der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Werner Knittel und der Minister für Wirtschaft, Verkehr und Technik des Landes Sachsen-Anhalt, Horst Rehberger, sowie weitere Prominenz in die Domstadt gekommen. Rehberger betonte in seiner Ansprache, dass der Bund für die etwa einen Kilometer lange Straße entlang am Winterhafen sieben Millionen D-Mark bereitgestellt hat.

Bürgermeister Bernd Poloski wies darauf hin, dass hier nicht nur eine Straße eingeweiht wird, sondern dass die neue Ortsentlastung die wichtigste Voraussetzung zur Sanierung der Stadtinsel sei. Der Glöwener Spielmannszug umrahmte die feierliche Freigabe. Dann rollte endlich der Verkehr nicht mehr durch die Altstadt, sondern um sie herum.

Acht Jahre später, im Jahr 1999, wurde die Havelstegbrücke, die die Stadtinsel mit der Spülinsel verbindet, gebaut. Nur der geplante Bau des Dom-Hotels im Jahr 2000 neben der Töpfergasse ist nicht verwirklicht worden.

2006 freuten sich die Kraftfahrer über die Fertigstellung der neuen Steintorbrücke und drei Jahre später konnte im September 2009 die moderne Sandauer Brücke freigegeben werden.