1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Havelberg
  6. >
  7. 66-jähriger Tausendsasser mit Tatendrang

Engagement 66-jähriger Tausendsasser mit Tatendrang

"Bei einer Tasse Kaffee" hat die Volksstimme mit Lothar Schirmer, dem Initiator der Klietzer Homepage, geplaudert.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 18.11.2016, 00:01

Klietz l Eigentlich wollte ich mit Lothar Schirmer „bei einer Tasse Kaffee“ über die Klietzer Homepage sprechen, die er vor einem Jahr zum Laufen gebracht hat. Doch das Thema ist schnell abgehakt: die Homepage läuft, wird gut besucht, ist stets aktuell und könnte von noch mehr Vereinen als Plattform genutzt werden.

Viel spannender ist das, was Lothar Schirmer eigentlich nur so am Rande erzählen will. Für dieses „am Rande“ reicht ein Stündchen bei Kaffee und Dominosteinen nicht. Denn der 66-Jährige ist ein Tausendsasser und „Hans Dampf in allen Gassen“, kann nicht stillsitzen, strotzt vor Ideen und Tatkraft. Seine Frau, mit der er seit 1970 in Magdeburg und seit 1994 in Möser lebt, ist der ruhende Pohl.

Gern kommen beide immer mal wieder für ein paar Tage in die Heimat nach Klietz. Weil sie hier viele Bekannte haben. Und auch die Familie von Sohn Frank lebt in Scharlibbe und Enkelin Sophie ist gern bei Oma und Opa. Das alte Bauernhaus seiner Schwiegereltern bietet nicht nur Platz zum Schlafen, sondern ist zumindest in einigen Zimmern ein Fundus mit Erinnerungsstücken aus den 60-er, 70-er und 80-er Jahren.

Auch wenn er nicht in der Vergangenheit schwelgen will, so ist es doch spannend, wenn Lothar Schirmer aus seiner Zeit beim Kriminaldauerdienst in Magdeburg erzählt. Eigentlich wollte er ja Lehrer für Deutsch und Musik werden, hatte nach dem Abi an der Havelberger EOS auch schon die Aufnahmeprüfung an der Uni in Halle bestanden, als ihn der ABV ansprach und vorschlug, doch an die Kriminalistikschule nach Aschersleben zu gehen. Schon immer abenteuerhungrig, änderte er also seine Pläne. Aus seiner Zeit als Leutnant der Kriminalpolizei kann er Geschichten erzählen! „Unsere Gruppe war bei allen Verbrechen und Unfällen mit Todesfolge, die in Magdeburg passierten, als Erste vor Ort. Da haben wir viel Unschönes gesehen, vor allem, wenn Kinder betroffen waren. Und wir haben tatsächlich auch so mache Wild-West-Story erlebt.“ Auch wenn die Gewaltkriminalität nach der Wende explodiert ist, so gab es auch zu DDR-Zeiten so manches Ereignis, von dem Lothar Schirmer noch heute erzählt: „Eines der schwersten Verbrechen in Magdeburg ereignete sich 1982, als ein Soldat der sowjetischen Armee um sich schoss, sechs Menschen tötete und auch mit Handgranaten warf.“ An jede Einzelheit der Verfolgung und der Festnahme erinnert er sich. Lebhaft erzählt er auch von der Verfolgung eines Mopeddiebes, „mit unserem klapprigen Barkas bin ich auf zwei Rädern um den Hasselbachplatz gerast“.

Nach der Wende wurde es ruhiger. Lothar Schirmer hat die Abteilung Prävention und Öffentlichkeitsarbeit bei der Polizei in Magdeburg aufgebaut. Hier hat er nicht nur interessante Menschen kennengelernt, sondern er konnte auch seine Leidenschaft als Redner und Moderator ausleben. Bis heute. Er ist den Menschen aus unzähligen Fernsehbeiträgen „Ein Fall für Escher“ oder „Kripo live“ bekannt, er hält Vorträge zumeist vor Seniorengruppen, immer wieder mal hört man seine Stimme im Radio und auch für die Volksstimme verrät er die „Tricks der Gauner und Ganoven“. Gerade erst war er mit einer MDR-Journalistin unterwegs, um einen Beitrag über die Einbruchserie entlang der A2 zu drehen.

Und er ist Talkmaster bei der Magdeburger Zwickmühle. Vier-, fünfmal im Jahr sitzt er interessanten Gesprächspartnern aus Kultur, Politik und Wissenschaft gegenüber, Frank Elstner beispielsweise, Dagmar Frederik oder Matthias Platzek waren es zuletzt. „Mit Schirmer, Charme und Melone“ fühlt er ihnen auf den Zahn, kitzelt Spannendes aus ihnen heraus und unterhält das Publikum bestens.

Das alles würde reichen für einen vollen Terminkalender. Aber dann ist da noch der gerade gegründete Magdeburger Verein „TOLL“ - Toleranz Leben und Lernen, in dem er Pressesprecher ist. Um die Klietzer Homepage stets aktuell zu halten, investiert er zudem etliche Stunden, ist bei größeren Veranstaltungen selbst mit Fotoapparat und Videokamera dabei. Er will alles für die Nachwelt festhalten. Deshalb hat er auch gern zwei Beiträge für das Heimatbuch „Das Wissen der Region“ geschrieben – über seine Kindheit und Jugend in Klietz. Der Ort ist für ihn Heimat, Anker, Ruhepunkt zum Abschalten und Krafttanken für all die neuen Ideen, die ihm im Kopf umherschwirren. Denn schließlich „fängt das Leben erst mit 66 Jahren an“.