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Saniert Bahnhof Glöwen: 170-Jähriger fühlt sich jung

Am Bahnhof in Glöwen hatten sich unlängst zahlreiche Menschen zur Besichtigung des historischen Gebäudes eingefunden.

Von Wolfgang Masur 21.08.2016, 10:00

Glöwen l Nach einer umfassenden Sanierung wurde im 800 Quadratmeter großen Bahnhofsgebäude auf den 170. Geburtstag der Bahnstation Glöwen, der im Oktober begangen wird, aufmerksam gemacht. Dazu hatten der neue, aus Peine stammende Besitzer Prof. Roland Wierling, sowie Franziska Richert eingeladen. Sie ist im Auftrag des Besitzers als Projektkoordinatorin für den Bahnhof Glöwen zuständig. Roland Wierling ist Steuerberater, hat einst Forstwirtschaft studiert und 2013 das heruntergekommene Grundstück, das mit einer Nutzfläche von 1300 Quadratmetern recht groß ist, von der Bahn AG erworben.

Er besitzt im Umfeld weitere Immobilien, aber: „Das ist der erste Bahnhof, den ich gekauft habe“, so Roland Wierling zu den anwesenden Interessenten. Weiterhin gestand er: „Ich liebe alte Gebäude mit einer besonderen Architektur.“ Auch hier trifft die Redewendung von König Salomo „Durch Weisheit wird ein Haus gebaut und durch Verstand erhalten“ zu.

Das in der Prignitz gelegene Glöwen hat Anschluss an die Berlin-Hamburger Bahn. Am Bahnhof Glöwen halten im Stundentakt die Züge der Regionalexpress-Linie RE2 nach Cottbus über Berlin sowie nach Wittenberge, von dort weiter bis nach Wismar. Die Bundesstraße 107 verläuft durch den Ort, auf dieser verkehrt die regelmäßige Buslinie 900 nach Havelberg, und somit liegt das historische Bahnhofsgebäude auch sehr zentral.

Seit dem Erwerb des Zeitzeugen hat der Besitzer auch vieles baulich verändern lassen. Und obwohl es noch einiges zu tun gibt, kann sich der Bahnhof Glöwen, im Gegensatz zu den übrigen verwahrlosten Bahnhöfen an dieser Bahnstrecke, sehen lassen. Ein Teil der Fassade ist denkmalgerecht saniert worden und hat wieder den Farbton von früher erhalten. Auf der Fassadenseite, die zu den angrenzenden Gleisen gelegen ist, ist das Aufstellen eines Baugerüstes mit Schwierigkeiten verbunden. „Die Bahn AG hat bei der Veränderung des Bahnhofsgebäudes zwar nichts mehr zu melden, aber sie kann den Gerüstbau vorschreiben, da es Bedenken zu einem Umsturz in Richtung Oberleitungen gibt“, begründet Franziska Richert.

Jetzt, wo das Parterre und auch das erste Obergeschoss des riesigen Bahnhofsgebäudes fertiggestellt sind, soll hier auch wieder Leben einziehen. „Um den baulichen Fortschritt zu verbreiten und die Menschen im Zeitalter von PC und Smartphone wieder zum Schreiben zu bewegen, habe ich eine Postkarte vom jetzigen Zustand des Bahnhofs entworfen“, so Franziska Richert. Die Karten gab es kostenfrei für die Besucher.

Neben einem großen Bereich im Erdgeschoss, hier könnte sich zum Beispiel eine Arztpraxis, eine Gastronomie oder ein Gewerbebetreiber ansiedeln, gibt es fünf moderne Wohnungen im Obergeschoss der 1846 erbauten Bahnstation.

Im Erdgeschoss fällt dem Betrachter beim Betreten des Gebäudes durch den früheren Bahnhofseingang gleich der museale Wartesaal auf. „Wir haben hier bisher nur eine große Gepäckwaage stehen, wollen das kleine Museum aber noch mit weiteren Erinnerungsstücken füllen. Dabei hoffen wir auf Spenden, die an die alten Zeiten der Bahn erinnern“, wünschte sich die Projektkoordinatorin.

Das hatte sich der Glöwener Ortsvorsteher Reimar Heering sicherlich auch gedacht, denn er kam mit einer historischen Stationslampe zur Bahnhofsführung und überreichte sie Roland Wierling. „Die Lampe stammt von der Pollostrecke Richtung Lindenberg und war in Schwanensee im Einsatz. Wenn der Zug dort halten sollte, hat die Bahnbeamte Hilda Trebus die Kerze in der Lampe angezündet. Ansonsten ist der Pollo dort nicht stehen geblieben“, erzählt der Senior. Eine tolle Bereicherung für den musealen Wartesaal.

Der größte Raum im Erdgeschoss ist die ehemalige Mitropa-Gaststätte, und auch dafür wird jetzt eine Verwendung gesucht. „Eine Tanzschule oder etwas Ähnliches könnten wir uns hier gut vorstellen“, schlug Franziska Richert vor.

Bei der ersten kleinen Führung durch das historische Gebäude sind aber einige hochmoderne Dinge nicht zu übersehen. Ein Aufzug, der nachträglich eingebaut wurde, dreifach Schallschutz verglaste Fenster, die die vorüberfahrenden Züge lautlos machen, und eine Holz-Hackschnitzel-Heizung im Keller zählen dazu.

Von der Historie wurde ebenfalls einiges erhalten. Der alte Fahrkartenschalter ist geblieben – hier werden besonders bei den Senioren, die oft mit den hochmodernen Fahrkartenautomaten Schwierigkeiten haben, Erinnerungen wach.

Das hochklappbare Holzbrett an der Gepäckausgabe, Türen und alte, sanierte Kachelöfen – davon gibt es in jeder Wohnung wenigstens noch einen – sind geblieben. Auf dem Weg zum Obergeschoss fällt das farbenfrohe Treppenhaus sofort auf. Auch hier hat man an das Alter des Gebäudes angeknüpft, denn die fünf Wohnungen haben alle einen Bezug zu den Vormietern aus längst vergessenen Zeiten. So heißt die Wohnung 1 zum Beispiel „Der Bahn-Oberinspektor“ und ist 83 Quadratmeter groß. Wem das zu groß ist, der kann sich gerne die Wohnung 4, „Der Lokomotivführer“, anschauen, die mit 36 Quadratmetern die kleinste ist, aber ein bezauberndes Oberlicht hat. Aber es gibt auch noch den Bahn-Assistent, den Bahn-Oberamtmann und den Stations-Vorsteher. „Türen und Fenster wurden unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes und neuester wärmeschutztechnischer Anforderungen erneuert, und die original aufgearbeiteten Dielenfußböden verleihen den Wohnungen das gewisse Etwas“, beschreibt Franziska Richert die hübschen Wohnungen.

Im Parterre hatten sich inzwischen zahlreiche Gäste zur offiziell angekündigten Führung eingefunden und wurden vom Hausherren und der Projektkoordinatorin begrüßt. Unter ihnen auch die Havelberger Eheleute Christine und Wolfgang Foege, die das „Sterben“ des Bahnhofs Glöwen hautnah erlebten. „Mein Mann war bis 1989 bei der Berliner Reichsbahn als Eisenbahningenieur und musste dann aber leider gehen. Als im Jahr 1991 eine Münchener Baufirma mit den Arbeiten an den Gleisen und dem Tunnelbau in Glöwen begann, bekam mein Mann hier wieder Arbeit“, erzählte Christine Foege. Im Bahnhofsgebäude war das Baubüro eingerichtet und so mussten die Foeges die Entlassung der Mitarbeiter auf dem Bahnhof Glöwen miterleben. „Wir haben den traurigen Blick der Beamtin gesehen, die zum letzten Mal am Gleis die Kelle zur Abfahrt des Zuges hob. Zu dieser Zeit waren ja auch noch die Wohnungen im Bahnhof bewohnt“, blickten sie zurück. Und diese sollen jetzt, nachdem sie zu modernen Wohnungen geworden sind, wieder Leben in die Historie bringen.

Ein abgeschlossener Pkw-Stellplatz gehört ebenso wie Schrebergärten, die angemietet werden können, zur Immobilie. Den Pkw-Stellplatz erreicht man bequem durch einen nachträglich eingebauten Hinterausgang. Von dort aus kann der Betrachter, sofern er es weiß, einen Blick auf den ehemaligen Haltepunkt des Havelberger Pollo werfen, der aber inzwischen schon mit Sträuchern zugewachsen ist. Am 15. Februar 1890 hielt hier zum ersten Mal der Pollo und am 25. September 1971 wurde dann die Zugverbindung Havelberg–Glöwen eingestellt.

Auf die Frage nach einer Geburtstagsfeier des Bahnhofs Glöwen im Oktober, antwortete Franziska Richert Folgendes: „Am 15. Oktober soll es im Bahnhof einen Jubiläums­empfang zum 170. Geburtstag geben. Die Gemeinde Glöwen hat dafür ihre Unterstützung zugesagt, was wir sehr toll finden. Die Feuerwehr wird sich zum Beispiel um die Versorgung kümmern. Wir hoffen, bis dahin den kleinen Museumsraum deutlich aufgefüllter zeigen zu können, als derzeit. Außerdem wird es ein musikalisches Programm von zwei Künstlern aus Magdeburg geben, die sich zu Songs, unter anderem zum Thema Bahnhof und Züge, Gedanken machen wollen. Als Highlight sind wir im Gespräch mit einem Lichtkünstler, der den Bahnhof in besonderer Weise illuminieren soll. Deshalb beginnen wir mit dem Festtag etwas später, um die Dunkelheit zu nutzen.“