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Tasse Kaffee Ein Engel ist der „Mann für alles“

Andreas Engel ist als Küster für Dom und Stadtkirche Havelberg zuständig. Die Volksstimme traf sich mit ihm auf eine Tasse Kaffee.

Von Andrea Schröder 20.05.2017, 03:00

Havelberg l Technischer Hauswart lautet die Berufsbezeichnung im Arbeitsvertrag von Andreas Engel. Damit liegen die Aufgaben eines Küsters in seinen Händen. Und als Küster sieht sich der 51-Jährige auch bei all dem, was er in Havelbergs Dom und Stadtkirche macht. Acht Stunden pro Woche, die er offiziell arbeiten soll, reichen dafür nicht aus. Doch schaut er nicht auf die Uhr, wenn es darum geht, die Kirchenhäuser für Gottesdienste, Feste und andere Veranstaltungen vorzubereiten. „Ich bin überzeugter Christ und habe hier meine berufliche Heimat gefunden“, sagt Andreas Engel, als er sich mit der Volksstimme auf eine Tasse Kaffee trifft. Im Musikraum der einstigen Klosteranlage am Dom. Sein Blick fällt durchs Fenster auf die Kamernschen Berge. In Kamern ist er zu Hause.

Es war ein Zufall, der ihm nach langer schwerer Krankheit diesen Arbeitsplatz ermöglichte. Die Evangelische Kirchengemeinde Havelberg suchte einen Küster. Über Bekannte erfuhr er davon. Er war der einzige Bewerber. Im Juli 2013 begann er seine Tätigkeit und erfüllt sie mit Leidenschaft. „Ich hatte vor meiner Krankheit im Seniorenwohnpark Schollene gearbeitet und musste erstmal sehen, inwieweit es wieder geht mit einer Arbeit.“

Zuständig ist er für Ordnung und Sauberkeit in den Gotteshäusern, Vorbereitung der Gottesdienste, Pflege der Altar- und der Jahreskerzen und diverse organisatorische Aufgaben. „Für den Dom allein brauche ich schon fünf Stunden zum Saugen“, sagt Andreas Engel und erzählt von dem Industriestaubsauger von der für die Gebäude zuständigen Domstiftung, der dafür sorgt, dass die Staubbelastung möglichst gering ist. Einmal im Monat steht diese Reinigung auf dem Plan. Spinnweben werden mit dem Teleskopbesen beseitigt, der immerhin zwölf Meter lang ist.

Zu sorgen hat Andreas Engel auch dafür, dass immer die richtigen Paramente auf dem Altar liegen. Passend zum Kirchenjahr sind es verschiedenfarbige Tücher. Im Moment ist es weiß, zu Pfingsten ist das Altartuch rot, zu Trinitatis am Sonntag darauf wieder weiß, danach grün. In der Zeit vor Ostern etwa legt er das violette Tuch auf, zum Totensonntag das schwarze. „Für den Paradiessaal haben wir alle Farben da, für den Dom noch nicht.“

Geht es um kirchliche Veranstaltungen, ist Andreas Engel mit seinem Organisationstalent – das er im Übrigen auch als Vorsitzender des Kamernschen und des kreislichen Kaninchenzuchtvereins, im Förderverein der Feuerwehr Kamern als „Küchen- und Kombüsenverantwortlicher“, als Gemeinderatsmitglied und bei der Jagdgenossenschaft unter Beweis stellt – gefragt.

Zu Ostern gibt es nach dem Gottesdienst die Eiersuche auf dem Klosterhof und echte Kaninchen zum Streicheln. Als nächstes steht das Domfest am 17. Juni im Programm. Sehr gern angenommen wird auch das Martinsfest alljährlich am 11. November. Für ihn ein wichtiges Fest, weil es Kindern zeigt, dass Kirche keine Zauberei, sondern authentisch ist. Zudem ist das Teilen gerade in der heutigen Zeit eine wichtige Eigenschaft. Auch Trauungen, Taufen und Beerdigungen bereitet Andreas Engel vor. So ist er es auch, der sich um das meist aufgeregte Brautpaar kümmert und es zur richtigen Zeit in den Dom hinein schickt. Er drückt den Knopf für das Glockengeläut. „Dann sind es noch anderthalb Minuten, bis die große Glocke den Schwung gibt. Der Kantor bekommt von mir das Zeichen, dass er mit dem Orgelspiel beginnen kann, und ich hole das Brautpaar.“

„MfA“ steht bei ihm nicht für „Mädchen für alles“, sondern für „Mann für alles“. Als er im vorigen Jahr zum Einschulungsgottesdienst gefragt wurde, wie für die Stadtkirche am besten ein Boot gebastelt werden kann, besorgte er ein Ruderboot. Aus Besenstiel und Wimpelketten entstand das Segel. Auch Kaffee und Kuchen im Klosterhof organisiert er für Veranstaltungen, und wenn der Heimatverein im Advent zum Plattdeutschen Nachmittag einlädt, kümmert er sich um Tische, Stühle, Deko und Kaffeekochen im Paradiessaal.

Haben Ein-Euro-Jobber oder die Ehrenamtlichen am Büchertisch Fragen und Probleme, findet Andreas Engel eine Lösung. „Für mich ist das nicht nur Beruf, sondern auch Berufung und als Christ eine Selbstverständlichkeit.“ Dem Gemeindekirchenrat Kamern gehörte der zweifache Familienvater, der gern auf Reisen geht, 26 Jahre an, eine Zeitlang als Vorsitzender. „Zum großen Teil bin ich Einzelkämpfer. Wenn ich Hilfe brauche, steht mir stets Kurt Kubat zur Seite und seit einiger Zeit auch Jörg Gericke.“

In den nächsten Tagen wird die zur Buga angefertigte Arche als Spielgerät für Kinder wieder am Dom aufgestellt. Einen Plan hat Andreas Engel auch schon für das Anbringen eines großen Herrnhuter Sterns am Westwerk als Ersatz für den Weihnachtsbaum vorm Dom. Denkt er an den Bereich rings um Dom und Klosteranlage, ärgert er sich über das viele Unkraut zwischen den Steinen und den Dreck. Dafür ist die Stadt zuständig. Er würde sich freuen, wenn dort auch Sauberkeit einkehrt und auch die öffentliche Toilette auf dem Parkplatz endlich wieder nutzbar wird.