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Im Drömling Zaghafter Naturschutz à la DDR

Der Naturpark Drömling ist ein schützenswertes Kleinod. Doch der Naturschutz dort ist keine Erfindung der Nachwendezeit.

Von Siegmar Riedel 05.11.2016, 02:00

Klötze l Eine giftgrüne Broschüre im A5-Format fristete viele Jahre ein trauriges Dasein in irgendeiner Kiste auf irgendeinem Dachboden. Doch das hat sie, das fällt beim näheren Betrachten auf, nicht verdient. „1. Landschaftstag Drömling am 24. Juni 1989“ ist darauf zu lesen. Und: „Vorträge, Berichte, Empfehlungen“. Herausgeber war der Rat des Kreises Klötze.

Meine Neugier war geweckt. Aber Naturschutz in der DDR? Zeitzeugen erinnern sich meist an Schaumkronen auf dem Wasser der Saale, eine stinkende Elbe ohne erwähnenswerte Fischbestände, an Luftverschmutzung in Industrie­nähe und Dreck im damals berüchtigten Chemiedreieck im Süden Sachsen-Anhalts. Da war kein Platz für Naturschutz. „Doch“, sagt zumindest Ulrich Koppe. Und er muss es wissen. Ulrich Koppe war 1989 Vorsitzender des Rates des Kreises Klötze, der die Broschüre herausgab. „In der Altmark war das alles etwas anders. Hier gab es nicht die großen Verschmutzungen wie anderswo, hier gab es sogar Naturschutzmaßnahmen.“

Initiator des 1. Landschaftstages zum Drömling war laut Ulrich Koppe der bereits verstorbene Michael Liwowski von der Abteilung Umweltschutz, Wasserwirtschaft und Erholungswesen. „Er hat seine Arbeit sehr ernst genommen und kümmerte sich sehr um den Drömling“, berichtet Ulrich Koppe. Er habe beispielsweise die Belastungen für die Natur des Drömlings gering halten wollen, er habe Wasser sparen und Chausseebäume erhalten wollen. „Der Umweltschutz in Klötze war eine gute, ganz offizielle Sache“, sagt Ulrich Koppe. „Und der Schutz des Drömlings ist keine Erfindung der Neuzeit.“

Allerdings hatte dieser Naturschutz natürlich auch einen ökonomischen Hintergrund. „Ziel war die effektivere landwirtschaftliche Nutzung des Drömlings“, stellt Ulrich Koppe klar. In den 1980er Jahren gab es in der Region mehrere extreme Trockenperioden. Deshalb sollte der Wasserhaushalt im heutigen Naturpark besser reguliert werden: Regnet es viel, muss das Wasser schnell abfließen können, regnet es wenig, sollte das Wasser im Drömling gehalten werden. Letztlich wurde die „Entwicklung des Drömlings“ sogar zum Beschluss des Rates des Bezirkes Magdeburg erhoben.

Am 1. Landschaftstag zum Drömling nahmen im Neuferchauer Saal rund 300 Menschen teil. Sie hörten 13 Redebeiträge und berieten in drei Arbeitsgruppen. All das ist der Broschüre zu entnehmen.

Darin ist auch zu lesen, dass die Errichtung der Gesellschaftsordnung die Aufgabe einschließt, „die natürlichen Umweltbedingungen des Menschen sinnvoll zu nutzen, planmäßig zu verbessern, umfassend zu schützen und als die natürliche Lebens- und Produktionsgrundlage“ für kommende Generationen zu erhalten. Der Schutz der Umwelt sollte als Aufgabe mit verpflichtendem Charakter und als humanistisches Anliegen verstanden werden. Wie die Geschichte zeigt, galt diese hehre Vorgabe offenbar nicht für Regionen mit Industriebetrieben.

Zudem machte sich auch im Drömling die Mangelwirtschaft bemerkbar. Es fehlte in den 1980er Jahren die erforderliche Technik, um die Vorfluter instand halten zu können. Die Folge waren stark vernässte Flächen und eine miserable Qualität des Graslandes. Ein „Sofortprogramm Norddrömling“ sollte Abhilfe schaffen. 96 neue Stauanlagen sind gebaut worden. Fünf Schöpfwerke kamen mit den Jahren zum Einsatz.

Andere Forderungen aus dem Sofortprogramm wurden verworfen. Zum Beispiel die nach einer „hochintensiven Grünlandwirtschaft auf Moorflächen“. Vielmehr sollten alle Maßnahmen nun auf die Sicherung langfristiger landwirtschaftlicher Erträge „und Leistungen des Moores und damit auf die Erhaltung des Drömlings“ gerichtet werden.

Forderungen zum Erhalt der Moorflächen wurden aufgestellt. Dazu zählte die Überflutung im Winter und eine optimale Wasserhaltung in der Vegetationsperiode.

Mit Graskarpfen kamen sogar Helfer aus dem Tierreich dazu. Die für den Drömling untypischen Fische sind in die Gewässer eingesetzt worden, um das Kraut auf biologische Weise kurz zu halten.

Das große Ziel aller Maßnahmen ist in der Broschüre so auf den Punkt gebracht: einen Konsens finden zwischen Ökonomie und Ökologie. Erkannt hatten die Genossen Naturschützer auch, dass der Erhalt „der Artenmannigfaltigkeit ständig problematischer wird“. Einige Bereiche sollten als Flächennaturdenkmale besonders geschützt werden.

Viele solcher Maßnahmen sind in der Broschüre niedergeschrieben. Das war 1989 die Theorie des Drömlingsschutzes auf 62 Seiten. Was davon in den letzten Tagen der DDR realisiert werden konnte, ist nicht dokumentiert.