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Leser helfen „German Mama“ hilft beim Deutschlernen

Flüchtlingskinder und ihre Familien stehen im Focus der Aktion „Volksstimme-Leser helfen“. Unterstützt werden auch Integrationslotsen.

Von Jennifer Lorbeer 18.12.2015, 00:01

Magdeburg l Wenn Dörte Neßler mit ihrem Schützling Wael Alekhtiar spricht, wirkt es sehr vertraut. Es wird viel gelacht und mal auf Englisch, mal auf Deutsch gesprochen. „Erst vor ein paar Tagen hat er für mich gekocht“, erzählt die 47-Jährige und wendet sich an den jungen Syrer. „Und im Moment ist Deutsch lernen ganz wichtig, da musst du noch ein bisschen üben.“ Zum Sprachkurs hat sich der 21-jährige Geflüchtete selbst angemeldet. Seine Wohnung hat er jedoch gemeinsam mit Neßler gesucht. Eine von mehreren Aufgaben, bei denen die dreifache Mutter den jungen Alekhtiar als Integrationshelferin unterstützt.

Das Projekt der „Integrationslotsen“ wurde im September dieses Jahres von der Freiwilligenagentur Magdeburg ins Leben gerufen. Der Verein für Ehrenamtliche kooperiert in diesem Zusammenhang mit der Auslandsgesellschaft und dem Sozialamt. Aktuell sind etwa 30 der freiwilligen Integrationslotsen registriert. Sie unterstützen einzelne Geflüchtete oder Familien mit Aufenthaltserlaubnis dabei, schnellstmöglich ein selbstständiges Leben führen zu können. „Vorrangige Ziele sind eine Wohnung zu finden und auch die Anmeldung bei einer Sprachschule“, berichtet Jana Schulze von der Freiwilligen- agentur Magdeburg, die das Projekt leitet. „Eine Ausbildung für die Unterstützenden ist nicht notwendig, es werden aber Kurse angeboten.“

In drei je zweistündigen Modulen können zukünftige Integrationshelfer an der Volkshochschule Grundlegendes zur Unterstützung von Asylbewerbern erfahren. Außerdem werden Offenheit für andere Kulturen, Toleranz und Zeit, zum Beispiel für Behördengänge, der Bewerber vorausgesetzt. Sprachkenntnisse in Englisch, Französisch oder Arabisch seien für die Aufgabe wünschenswert, erklärt Jana Schulze.

In Sachen Spracherwerb kann der 21-jährige Alekhtiar wiederum seine „German Mama“ (dt.: deutsche Mama), wie der Syrer seine Integrationshelferin manchmal nennt, unterstützen. „Ich lerne seit einem halben Jahr Arabisch und da hilft mir Wael“, sagt Neßler. Insgesamt sei es ein Geben und Nehmen, wofür sich der junge Syrer dankbar zeigt. „Für mich war sie das Licht in der Dunkelheit“, beschreibt Alekhtiar die Begegnung mit Neßler.

Neben gemeinsamen Unternehmungen besucht der 21-Jährige auch Chorkonzerte von seiner Helferin, und zur Weihnachtszeit wollen sie sich noch verabreden. „Die Aufgabe besteht nicht nur aus dem Ausfüllen von Formularen, sondern auch aus dem persönlichen Kontakt“, erzählt die dreifache Mutter. „Mein Vater hat selber einen Migrationshintergrund und ist seinerzeit als Kind aus Schlesien gekommen. Das ist etwas, was man sich immer mal wieder bewusst machen kann und auch Leuten sagen kann, die jetzt fragen: Warum kommen die alle hierher? Was wollen die eigentlich hier?“

Der Weg als Integrationshelfende sei deshalb die beste Möglichkeit, sich kennenzulernen, Vorbehalte abzubauen und mit Klischees aufzuräumen. „Wir haben lange von Willkommenskultur gesprochen, aber eigentlich geht es um Integrationskultur – um zu zeigen, wie wir hier leben“, sagt Neßler. Dass sie und ihre Kollegen auch die Behörden entlasten, ist ihr bewusst.

Die Betreuung von weiteren Geflüchteten schließt die 47-Jährige zwar nicht aus, will sich aber momentan nur auf Schützling Alekhtiar konzentrieren: „Man kann jetzt nicht sagen, das ist jetzt hier erledigt und dann nimmt man sich den Nächsten – es gibt keine Checkliste, wann das Ganze beendet ist.“ Als positive Lebenserfahrung empfiehlt Neßler die Aufgabe weiter: „Für mich ist es eine totale Bereicherung.“ Der junge Syrer lächelt und sagt auf Deutsch: „Für mich auch.“