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Auslandshilfe Krankenpfleger ohne Grenzen

Kinder auf die Welt bringen, Schusswunden verarzten und Hyänen vertreiben. Dinge, die zur Tagesordnung von Alex Wessel gehörten.

Von Marieke Garbade 26.01.2016, 23:01

Magdeburg l Der gelernte Krankenpfleger war mit der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ im Hilfseinsatz. Die Monate in Pakistan und im Südsudan haben sein Leben verändert, sagt Alex Wessel. „Ich habe Menschen kennengelernt, die jeden Tag drei Stunden zur Arbeit hin- und zurückgegangen sind und trotzdem den ganzen Tag lachen.“

Sein erster Einsatz ging nach einem langen Vorbereitungs- und Bewerbungsverfahren nach Pakistan. „Da war einem schon mulmig zumute. Vor allem meine Eltern und meine Freundin waren gar nicht begeistert“, erzählt der 33-Jährige. In seinem Freundeskreis waren die Reaktionen gemischt: „Von völligem Unverständnis bis hin zu Bewunderung.“ Doch seine Entscheidung war getroffen und er flog im Oktober 2012 für zweieinhalb Monate in die Stadt Jacobabad, in der eine Flutkatastrophe herrschte. Die ersten Tage seien die Hölle gewesen. Das Heimweh, die Unsicherheit, das Improvisieren. Sie reisten von Ort zu Ort, sechs Tage die Woche. Am siebten wurden die Statistiken ausgewertet, Berichte geschrieben. Alles auf Englisch. Doch das Helfen erfüllte ihn. Für Wessel war sicher: Ich werde wieder in einen Einsatz gehen.

Normalerweise arbeitet Wessel im Klinikum in Magdeburg als Krankenpfleger. Für seine Einsätze bekommt er immer unbezahlten Urlaub. „Das ist natürlich ein wahnsinniger Luxus für mich, dass ich so flexibel sein kann“. Während des Einsatzes wird man von Ärzte ohne Grenzen bezahlt. „Aber wegen des Geldes macht man es natürlich nicht“. Im März 2013 reiste er für sechs Monate in den Südsudan. In dem Land herrscht Bürgerkrieg, obwohl es seit 2011 seine lang erkämpfte Unabhängigkeit vom Sudan erreicht hat.

Der Südsudan ist so groß wie Frankreich, besitzt das drittreichste Ölvorkommen Afrikas - hat aber nur rund 100 Kilometer geteerte Straßen. Armut, Hunger und Kriminalität sind die Folgen der langjährigen Kriege.

Im Dezember war Wessel für vier Wochen im Südsudan in der Nähe der Stadt Leer. Er kam mit fünf Leuten ins Nirgendwo. Es gab nichts außer Steppe und eine Wasserpumpe. „Die erste Nacht mussten wir in Zwei-Stunden-Schichten Wache halten und die Hyänen vertreiben.“ Vier Wochen war Wessel da, in denen er zwei Wochen mit 39 Grad Fieber rumlief und das bei einer Außentemperatur von 37 Grad. Doch er wollte durchhalten. Die Arbeit ist lang und hart. 300 bis 350 ambulante Patienten versuchte das fünfköpfige Team pro Tag zu helfen. 12-14-Stunden-Tage sind der Durchschnitt. Danach geht es zum Schlafen ins Zelt mit vier anderen Leuten. Oft hört man Schüsse. „Das sind meist keine kämpferischen Truppen, sondern Auseinandersetzungen, weil jemand Kühe geklaut hat.“ Kühe sind im Südsudan wie Geld, quasi eine Lebensversicherung. „Zu mir meinte mal ein Afrikaner, er könnte nicht verstehen, was so seltsam daran sein soll, dass sie sich wegen Kühen die Köpfe einschlagen. Schließlich würde der Rest der Welt sich wegen Geld umbringen. Und das sei einfach nur Papier.“

Ein Risiko, das einem in solchen Krisengebieten etwas passiert, sei natürlich immer da. Mit der Zeit lerne man: Wenn einheimische Kollegen nicht rennen, brauchst du auch nicht rennen. Normalerweise würden die Kämpfertruppen dem Ärzte-ohne-Grenzen-Team auch nichts tun, schließlich wissen sie, dass sie ihnen im Zweifel das Leben retten könnten. „Sie klauen dir vielleicht manchmal deine Schuhe oder Uhr, aber mehr nicht.“

Für brenzlige Situationen gibt es immer einen Sicherheitsraum. „Zum Glück mussten wir da nie rein.“ Der nächste Einsatz ist noch nicht geplant. „Aber mich juckt es doch schon wieder ein bisschen in den Fingern. Die Arbeit dort macht irgendwie süchtig“, gibt Wessel lächelnd zu.