1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Von Homs nach Magdeburg

Flüchtlinge Von Homs nach Magdeburg

Der 23-jährige Syrer Ammar Awaniy ist einer von vielen Flüchtlingen, die in Magdeburg leben. Jetzt will er ein Buch schreiben.

07.03.2016, 00:01

Magdeburg l Am liebsten ist Ammar Awaniy an der Elbe. „Dieser Fluss ist wunderschön“, sagt er in gutem Englisch. Der 23-jährige Syrer ist einer von knapp 4.000 Flüchtlingen und Asylbewerbern, die derzeit in Magdeburg leben. Awaniy ist seit November hier und wartet nun auf die Bearbeitung seines Antrages. „Ich hatte schon ein bisschen Zeit, die Stadt kennenzulernen“, sagt er und schwärmt vom Dom und dem Hundertwasserhaus. „Magdeburg ist schön. Dabei war es mal genauso zerstört wie meine Stadt. Genau wie ihr werden wir auch unsere Städte wieder aufbauen“, sagt er.

Awaniy kommt aus Homs. Drohnen-Videos aus der ehemaligen Metropole zeigen, mit welcher Zerstörung der Syrien-Krieg in der Stadt wütet. „Für mich gab es dort keine Zukunft mehr. Deutschland ist das Land der Gesetze, Chancen und Möglichkeiten“, sagt Awaniy. Seine Eltern leben noch immer in Homs. Sie haben ihrem Sohn die Flucht ermöglicht. „Wir kommunizieren jeden Tag. Sie halten sich derzeit in einem Stadtteil auf, der nicht so stark betroffen ist“, berichtet er. Awaniy war in Syrien Elektrotechnik-Student.

Gerade ist er dabei, ein kleines Buch über seine Flucht zu schreiben. Zum Treffen mit der Volksstimme hat er mehrere Seiten eng beschriebenes Papier mitgebracht. „Das, was ich erlebt habe, haben Zehntausende erlebt. Ich will denen eine Stimme geben, die noch nicht gehört wurden“, sagt er. Derzeit ist der 23-Jährige auf der Suche nach Leuten, die ihm beim Übersetzen seiner arabischen Notizen ins Deutsche helfen. „Ich lerne zwar schon fleißig Deutsch. Aber das dauert noch eine Weile, bis ich es gut kann“, sagt er. Beim Übersetzen der ersten Seiten hat ihm ein Mitarbeiter der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt (LKJ) geholfen.

"Meine Jacke war nass bis auf die Haut. Die Menschen um mich herum waren müde. Ihre Gesichter waren grau wie der unbekannte Morgen. Die Straße war im Schlamm versunken. Überall war Geröll. Kleine braune Pfützen ließen unsere Schuhe in einer Schlammmasse ertrinken. Die Schuhe wurden schwerer und schwerer, so dass wir unsere Füße kaum noch heben konnten.

Trotz meiner Rückenschmerzen, der kalten Schmerzen, die sich auf meine Brust legten und sie gefrieren ließen, die aus meinem Herzen die letzten Funken der Hoffnung verschwinden ließen, gab ich nicht auf. Ich war gezwungen, nicht aufzugeben. Hier trage ich mein schweres Gepäck. Gehe ohne Furcht auf mein Schicksal zu, mein Kreuz tragend.

Auf dieses schwere Kreuz sind die Bilder von Menschen – meiner Eltern und der Menschen, die ich liebe – gezeichnet. Plötzlich hörte ich seine Stimme in meinem Ohr. Sie flüsterte mir zu. Seine Stimme war so klar wie ein steinernes Herz. Er sagte: Bist du noch nicht müde geworden? Hat dich deine Sehnsucht noch nicht getötet? Hast du noch nicht aufgegeben? Hast du noch nicht deine Hoffnung verloren? Die Regentropfen ließen meine Tränen nicht verschwinden. Oh mein Gott. Was wird als Nächstes passieren? Ich erinnerte mich an alle meine Träume. Ich erinnerte mich an alle meine Hoffnungen. Und dann ging ich einfach weiter. Ich habe den Engel des Todes in dieser Form nie wieder gesehen, aber er zeigte sich mir seitdem einige Male auf andere Weise."