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Festtage Musik von Telemann rekonstruiert

Wie hat ein Konzert im Barock geklungen? Zu den Magdeburger Telemann-Festtagen nehmen Musiker ihre Zuhörer auf eine Zeitreise mit.

Von Kathrin Singer 17.03.2016, 23:01

Magdeburg l Eine regelrechte Zeitreise können Konzertbesucher während der 23. Magdeburger Telemann-Festtage unternehmen. Hans-Christoph Rademann, erst kürzlich mit dem Preis der Europäischen Kirchenmusik 2016 geehrt, rekonstruiert mit der Gächinger Kantorei und dem Dresdner Barockorchester ein Konzertprogramm, das Telemann als Konzertveranstalter genau so im Jahre 1761 für ein öffentliches Konzert in Hamburg zusammengestellt hat.

Im „Grossen Concert“ am morgigen Sonnabend, 19. März, ab 19.30 Uhr in der Johanniskirche erklingen ausschließlich die großartigen und eindrucksvollen Spätwerke Telemanns. Für Dirigent Hans-Christoph Rademann hat dieses Konzertprogramm einen besonderen Reiz, „weil ihm eine Programmidee des Komponisten selbst zugrunde liegt. Da weht sozusagen einen Gedanken Telemanns zusätzlich zu den Werken durch den Raum. Das ist etwas ganz Besonderes!“

Anders als im heutigen Konzertrepertoire erklangen im 18. Jahrhundert ausschließlich zeitgenössische Werke. Telemanns Kantate „Die Auferstehung“ erlebte ihre Uraufführung, darauf folgten Telemanns 1757 entstandener Kantatenzyklus „Die Tageszeiten“ sowie der erste Teil der damals schon berühmten „Donner-Ode“ aus dem Jahre 1756.

Rademann sieht in der damaligen Konzertgestaltung entscheidende Vorteile im Gegensatz zur heutigen Zeit, in der immer wieder die gleiche Musik zu hören ist: „Damit wird dem Publikum heute die Neugier regelrecht ausgetrieben. Damals war das Publikum wesentlich mehr am Puls der Zeit, denn es gab ja nur die Aufführungen und keine Aufnahmen und Wiedergabemöglichkeiten.“

Der Dirigent ist überzeugt davon, dass Telemann mit seinen kühnen und für seine Zeit sehr fortschrittlichen Musikdeutungen, den Darstellungen der Natur und nicht zuletzt mit eingängigen Melodien das Publikum von damals sehr fasziniert haben muss. „Barock, das Zeitalter der Überwältigung, kombiniert mit einer hohen Empfindsamkeit, das waren und sind noch Telemanns Markenzeichen.“

Ralph-Jürgen Reipsch vom Telemann-Zentrum nennt das Konzert eine „klingende Fallstudie“, anhand derer man viel von der Praxis öffentlicher Konzerte im 18. Jahrhundert erfahren könne. Rademann stimmt dem zu: „Es ist doch sehr spannend, neben den Kompositionen auch die Art der damaligen Programmation, jeweils abhängig vom Anlass der Aufführung zu betrachten. Man kann sich sozusagen noch besser in die historische Situation hineindenken. Eine Matthäus-Passion in einem Leipziger Gottesdienst einmal heutzutage zu erleben, das wäre ja auch großartig, auch wenn man da wahrscheinlich zwischen vier und fünf Stunden in der Kirche sitzen müsste.“

Aus der Konzertankündigung in der Hamburger Tagespresse gehen nicht nur Programm und Eintrittspreis hervor, sondern auch der Ort, an dem die Karten gekauft werden konnten: „Bücher und Billette sind bey dem Herrn Telemann zu bekommen“. Telemann sorgte im Zusammenhang mit diesem Konzert also nicht nur für die Musik, sondern koordinierte auch die Werbung und den Vertrieb von Textbüchern und Eintrittskarten.