1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Grande Dame im Rhönrad

Breitensport Grande Dame im Rhönrad

Die Magdeburgerin Angela Trümper ist seit 50 Jahren der sportlichen Drehung treu - einst als DDR-Beste, heute als Trainerin.

Von Katja Tessnow 22.05.2017, 01:01

Magdeburg l Während Tausende sportbegeisterte Magdeburger am Wochenende mit den heimischen Mannen am Fuß- und am Handball fieberten, wurde abseits der ganz großen Bühne in Cracau eine nicht ganz so massentaugliche Sportart gefeiert – und ihre Grande Dame in der Stadt.

Anno 1967 setzte eine Magdeburger Göre namens Angela, neun Jahre jung, ihrer älteren Schwester die Pistole auf die Brust: Du nimmt mich mit zum Rhönradturnen oder ich mache Theater, muss die Botschaft ungefähr geheißen haben. Jedenfalls erzählt die heute 59-jährige Angela Trümper lachend: „Meine Schwester musste mich einfach mitnehmen.“ Keine andere Chance.

Am Wochenende konnten in der Folge der denkwürdigen familiären Ereignisse vor 50 Jahren in der Sporthalle der Cracauer Grundschule Am Elbdamm gleich zwei Jubiläen gefeiert werden. Seit nunmehr einem halben Jahrhundert ist Angela Trümper dem Rhönradturnen treu. Vor 20 Jahren gründete sie mit anderen Magdeburger Rhönrad-Verrückten den Cracauer SC Magdeburg e. V., der heute tatsächlich Wartelisten für aufnahmewilligen Nachwuchs führen muss. Das Rhönrad ist alles andere als out.

Letzteres demonstrierten Aktive am Freitag und Sonnabend in gleich mehreren Rhönrad-Shows in der Cracauer Trainingsstätte. Angela Trümper führt den achtköpfigen Trainerstab des Vereins an, der heute knapp 60 Mitglieder zwischen 4 und 64 Lenzen zählt. Die 45 Aktiven unter ihnen fuhren am Wochenende einen Beifallssturm nach dem anderen mit einem wirklich eindrucksvollen Programm ein. Am stärksten brandete der Beifall am Schluss der Ehemaligen-Schau am Sonnabend auf.

Die älteste aktive Sportlerin stieg ebenso beherzt wie mit Herzklopfen ins Sportgerät. Angela Trümper selbst wechselte das feierliche Kostüm gegen das Turndress und stellte höchstpersönlich unter Beweis, dass sie’s auch 50 Jahre nach Trainingsstart noch drauf hat. „Aber heute tut es schon ein bisschen weh“, räumt die Grande Dame des Rhönrads in Magdeburg später am Rande ein. Die Beherrschung des fast 50 Kilogramm schweren Gerätes erfordert Kraft und Körperspannung. Ohne regelmäßiges Training ist das nicht zu machen.

Angela Trümper (damals Winkler) hat es in der Jugend weit gebracht am Rad. Mit ihrer damaligen Turnpartnerin Andrea Golz wurde sie anno 1980 zur DDR-Besten im Paarturnen am Rhönrad gekürt. Kurz darauf, Angela Winkler war schon als Kampfrichterin aktiv, geschah Denkwürdiges, das prominent in der DDR-Frauenzeitschrift „Für Dich“ Verbreitung fand. Eine „kleine junge Frau“ wurde am Rande der 21. DDR-Meisterschaft im Rhönradturnen mit einer Ehrung bedacht, wie vor ihr keine andere – als „Fairste Kampfrichterin der Welt“. Was war geschehen? Ihr damaliger Mann und Titelverteidiger hatte bei einer seiner sonst perfekten Übungen ein Element vergessen. Das bemerkte nur die aufmerksame Gattin und zog einen Punkt ab. Das irritierte Kampfgericht tagte. Nach Aufklärung korrigierten alle Kampfrichter ihre Wertung nach unten. Für Winkler reichte es am Ende um Haaresbreite doch zum 8. Meistertitel, für seine Frau zur besonderen Ehre.

Am Wochenende kamen in Cracau viele Ehemalige aus aller Herren Bundesländer zusammen oder schickten Videobotschaften, darunter heutige Weltmeistertrainer und besonders erfolgreiche Turner, die sämtlich ihre ersten Drehungen in Magdeburg absolvierten.

Die Arbeit im Cracauer Club ist heute eher auf Breiten- denn auf Leistungssport ausgerichtet. „Wir haben zehn Wettkampfsportler“, erzählt Angela Trümper. Der Rest der Truppe hat einfach Spaß am Sport. Ganz nebenbei – das war am Wochenende nicht zu übersehen – ist die Rhönradfamilie eine tolle Truppe und auch über den Sport hinaus innig verbunden.

Natürlich fehlte auch der heutige Gatte der Grande Dame im Rhönrad nicht bei den Feierlichkeiten: Oberbürgermeister Lutz Trümper, in Handball und Badminton geübt, wagte sich aber besser nicht ins Rhönrad.