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Denkmalschutz Kristallpalast: Magdeburg ist mit im Boot

Der Kristallpalast ist eine der letzten prominenten Ruinen Magdeburgs. Seit 30 Jahren geschlossen und dem Verfall preisgegeben.

Von Jana Heute 22.08.2017, 01:01

Magdeburg l Hans-Joachim Jordan zählte zu den Vertretern der Erbengemeinschaft, die über 20 Jahre versucht haben, eine Lösung für das einstige Ball- und Varietéhaus zu finden und damit den Verfall des prominenten Hauses an der Leipziger Straße zu stoppen. „Ob durch eigene Investitionen oder Verkauf; ich habe alles versucht“, hatte Jordan noch 2016 gegenüber der Volksstimme erklärt. Doch sämtliche Anläufe waren gescheitert – am fehlenden Einigungswillen innerhalb der Erbengemeinschaft.

2016 wusste sich der damals 71-jährige Miterbe nicht mehr anders zu helfen und brachte den Fall vor Gericht. Es folgte die Zwangsvollstreckung zum Zweck der Aufhebung der Erbengemeinschaft: Im Juni 2016 sollte der Kristallpalast unter den Hammer kommen. Doch für den Kristallpalast selbst, für dessen Grundstück ein Mindestgebot von 68.000 Euro aufgerufen worden war, fand sich kein Käufer. Die dafür noch bestehende Grundlast von 345.000 Euro, der auf dem Gebäude ruhende Denkmalschutz und der Grad des Verfalls - alles keine Verkaufsargumente.

Eine Überraschung gab es bei dem Versteigerungstermin dennoch: Das vorgelagerte, unbebaute Areal zwischen Leipziger Straße und Kristallpalast fand einen Abnehmer. Hans-Joachim Jordan selbst ersteigerte das Grundstück. „Das war das Maximale, was damals herauszuholen war“, ordnet Matthias Urich, Rechtspfleger beim Amtsgericht, das Ergebnis des Termins ein. Der Käufer Hans-Joachim Jordan sicherte sich mit dem Kauf zum einen den Zugriff auf das Gesamtgrundstück. Der Fakt, dass für den eigentlichen Kristallpalast kein Gebot abgegeben wurde, sollte zudem vor überzogenen Forderungen in Zukunft schützen.

Doch das war es dann auch. Seit dem Gerichtstermin vor gut einem Jahr passierte wieder nichts. Der Kristallpalast verfällt weiter. „Es gibt zurzeit keinen weiteren Termin und kein Verfahren vor dem Amtsgericht“, sagt Rechtspfleger Matthias Urich auf Nachfrage.

Das mag vor allem einen Grund haben: Wie die Volksstimme erfuhr, ist Hans-Joachim Jordan im Frühjahr 2017 verstorben. Die Klärung der Erbangelegenheit habe sich über Monate hingezogen, sagt dessen Sohn Burkhardt Jordan jetzt auf Volksstimme-Nachfrage. Er und seine Mutter sind die Erben des im Vorjahr ersteigerten unbebauten Grundstücks vor dem Kristallpalast. Die Erbengemeinschaft bleibt nach wie vor Eigentümer des bebauten Grundstücks mit dem Kristallpalast.

Burkhardt Jordan, der als Rechtsanwalt seinen Vater schon 2016 bei dem Versteigerungstermin juristisch vertreten hatte, verfolgt nun aber offenbar ebenfalls das Ziel, eine Gesamtlösung für das Areal zu finden. Dank des erworbenen Teilgrundstücks sei man jetzt in einer viel besseren Verhandlungsposition, so Burkhardt Jordan. Ein zweiter Vorteil ergibt sich aus den derzeit niedrigen Zinsen. Es gebe mehrere Kaufinteressenten und laufende Gespräche, erklärte Burkhardt Jordan, der hofft, dass auch die Stadtverwaltung bei einer Lösung mithelfen werde.

So abwegig ist der Gedanke nicht, denn die Stadt Magdeburg sitzt – als Rechtsnachfolger von im Grundbuch eingetragenen Forderungen – beim Kristallpalast praktisch mit im Boot. Man begrüße „jede Absicht zur Sanierung des Kristallpalastes und für ein Entgegensteuern des weiteren Verfalls des geschichtsträchtigen Gebäudes in Bezug auf das Stadtbild“, erklärt Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra.

Und weiter heißt es, „auf Antrag“ bestünde die Möglichkeit, auf etwaige Forderungen der Stadt „unter dem Aspekt einer Entwicklungs- oder Investitionsverpflichtung teilweise oder ganz zu verzichten, um das verfallene Gebäude Kristallpalast nebst Grundstück wirtschaftlich zu entwickeln“. Dies bedürfe aber einer Beschlussfassung durch den Stadtrat.

Grundsätzlich sehe die Stadt den fortschreitenden Verfall vieler Gebäude mit Sorge. Für das Bauordnungsamt bedeute das einen zusätzlichen Kontrollaufwand – auch beim Kristallpalast. „Immerhin kümmern sich hier die Eigentümer einigermaßen um ihre Verkehrssicherungspflicht“, heißt es weiter. Derzeit bestünde aus bauordnungsrechtlicher Sicht „noch nicht die Notwendigkeit, den Abbruch anzuordnen“.

Wie lange das Bauwerk aber noch standhält, ist ungewiss. Womöglich fruchten Verkaufsverhandlungen ja in absehbarer Zeit. Zu möglichen Nutzungen hält sich Burkhardt Jordan derweil noch bedeckt. Die Gespräche liefen momentan „ergebnisoffen“. In einem Gutachten für das Amtsgericht war dem Standort derweil schon Eignung als „Seniorenimmobilie“ zum Beispiel für Betreutes Wohnen attestiert worden.