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Fair Trade Alles Fußball, aber bitte fair!

Am Sonnabend stieg das Turnier "Magdeburg spielt fair". Gespielt wurde mit einem ganz besonderen Fußball.

Von Katja Tessnow 04.07.2016, 01:01

Magdeburg l Omid aus dem Iran lebt erst seit sieben Monaten in Deutschland, aber er spricht schon beachtlich gut unsere Sprache und hofft, dass die Deutschen das Rennen machen bei der Fußball-EM. Asmerom aus Eritrea gelingen beim Turnier mit seinem Flüchtlingeteam „Toll 2“ am Sonnabend stattliche vier Treffer und auch er drückt den Kollegen der deutschen Nationalelf die Daumen. So umgehört vor Ort steht Bischöfin Ilse Junkermann fast alleine da mit ihrem schon etwas mutigen finalen Tipp. Die durchaus fußballinteressierte Gottesfrau setzt tatsächlich auf Wales, „der europäischen Verständigung wegen“ und weil die mit Blick aufs Vereinigte Königreich bekanntlich gerade besonders nottue.

Sagt’s und eilt an den Ball. Die Bischöfin lässt es sich am Sonnabend nicht nehmen, sozusagen eigenfüßig den Anstoß für das Turnier „Magdeburg spielt fair“ zu bestreiten. Danach eilt die Frau vom Platz und überlässt kundigeren Freizeitkickern den besonderen Ball. Er wurde eigens für das Turnier „Magdeburg spielt fair“ in Pakistan gefertigt. Von dort kommen die meisten der jährlich rund 40 Millionen weltweit verkauften Fußbälle, nur leider entstehen davon die wenigsten auf derart faire Weise wie der faire Magdeburg-Ball.

Der "Magdeburg spielt fair"-Ball ist vielfach zertifiziert (auch für die nachhaltige Rohstoffgewinnung in Indien), garantiert ohne Kinderarbeit und bei fairen Löhnen und Arbeitsbedingungen produziert. Den Aufruf zum Turnier und den Auftrag zur Produktion der Fair-Trade-Bälle haben die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland und die Landeshauptstadt gemeinsam gestartet, „weil es wichtig ist, dass wir weltweit fair miteinander umgehen“, sagt Junkermann und bekommt tatsächlich auf dem Spielfeld Fairness in ziemlich reiner Kultur vorgeführt – keinerlei grobe Fouls; der Schiri brauchte keine Karten. Beim Turnier „Magdeburg spielt fair“ geht es zwar auch, aber nicht in erster Linie um den Pokal, den sich letztlich die Awo-Sonntagskicker beim Oberbürgermeister persönlich abholen durften. Vielmehr standen Verständigung über kulturelle Grenzen hinaus und der pure Spaß am Spiel im Vordergrund.

Am Start waren 14 im Wortsinn bunt Gemischte 7-Mann-Teams – darunter auch eines mit weiblicher Besetzung – aus Studenten, Feuerwehrleuten, Angestellten, Sozialarbeitern, Flüchtlingen aus aller Herren Länder und verschiedener Religionen. Sie liefern sich jeweils zehn Minuten kurze Spiele auf dem Kleinfeld, die ganz wie bei der EM in Gruppen- und K.o.-Phase unterteilt sind. Verständigungsprobleme? Keine! Das Runde muss ins Eckige – dieses Prinzip ist weltweit einschlägig und auch die Regeln, wie das zu geschehen hat.

Am Rande des Turniers betreibt Ashley Klein vom Eine Welt Netzwerk Sachsen-Anhalt dagegen eifrig Aufklärung über weniger bekannte Details aus der Fußballproduktion und ihren Schattenseiten in Billiglohnländern. Wer Lust hat, kann sich selbst daran versuchen, in Handarbeit ein paar Stiche durchs harte Material zu setzen. Wer das ausprobiert, mag sich nicht vorstellen, dass in Pakistan Kinderhände diese schwierige Arbeit im Akkord verrichten. Zum Glück zumindest nicht am fairen Magdeburger Ball, aber mit ziemlicher Sicherheit an vielen anderen Bällen aus der Massenproduktion.

Extra aus Nürnberg angereist ist Kleins Kollege Frank Braun von Eine Welt Netzwerk Bayern. Er hat den Kontakt zwischen Stadt, Kirche und fairen Ballproduzenten in Pakistan vermittelt. Bayrische Städte ordern hier längst regelmäßig das Material zum Beispiel für den Schulsport. „München hat als erste Stadt beschlossen, durch die Bank alle Fuß-, Hand- und Volleybälle für den Schulsport aus fairer Produktion zu beziehen. Nürnberg hat jetzt nachgezogen“, berichtet Braun stolz und wünscht sich, dass das Beispiel in anderen Bundesländern, vielleicht auch in Magdeburg, Schule macht. Das Kostenargument zähle übrigens dagegen nicht. „Diese Bälle sind nur minimal teurer als die der einschlägigen Sportartikelvertriebe.“ Nur dass deren Gewinnmargen üblicherweise stattlicher ausfielen und so weniger Geld bei den Produzenten vor Ort verbleibe.

Claudia Fricke vom Umweltamt hat das Turnier „Magdeburg spielt fair“ von Stadtseite aus begleitet und sie hört dem Kollegen aus Bayern aufmerksam zu. Ein Sportfachgeschäft in Magdeburg habe durchaus Interesse am Ankauf der fair produzierten Bälle zum weiteren Vertrieb angemeldet, erzählt Fricke, aber die Idee mit der Schulausstattung geht darüber natürlich weit hinaus und stünde auch Magdeburg nicht schlecht zu Gesicht. Schließlich schmückt sich die Stadt – als einzige nebst Halle im Bundesland – mit dem Label „Fair Trade Town“ und kauft für oberbürgermeisterliche Empfänge zum Beispiel ausschließlich Kaffee aus fairem Handel ein. Die Bälle fürs Turnier sind ein weiterer Baustein bisher noch kleinerer Aktionen im Sinne eines fairen Welthandels.

Das für den Fußballer auf dem Platz wichtigste Kriterium hat der „faire Ball“ auf jeden Fall erfüllt. Eine kleine Umfrage am Turnierplatz ergab ausschließlich Lob: Spielt sich perfekt! Für 19 Euro ist der Magdeburger Fair-Trade-Ball u. a. im Weltladen des Magdeburger Einewelthauses, Schellingstraße 3-4,  zu erwerben.