1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Nach eineinhalb Jahren angekommen

Flüchtlinge Nach eineinhalb Jahren angekommen

Anfang 2015 kam Vahid Mahdian als Flüchtling von Afghanistan nach Magdeburg. Nun ist er „Bufdi“ in der IT-Abteilung der Arbeiterwohlfahrt.

07.06.2016, 12:34

Magdeburg l Unerwartet kommt die Nachricht von Vahid Mahdian. „Ich bin sehr glücklich. Ich habe endlich einen Job hier in Magdeburg gefunden“, schreibt er per Kurznachricht. Die Volksstimme begleitet ihn und seine Frau Maria und Sohn Danial, seit sie Anfang 2015 in die Landeshauptstadt kamen.

Der Job ist eine „Bufdi“-Stelle (Bundesfreiwilligendienst) im IT-Team von Uwe Leuckert bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Vollzeit, fünf Tage die Woche, ist Vahid Mahdian nun für die Awo und mit seinem Chef Leuckert unterwegs. Zu seinem Aufgabenfeld gehören zum Beispiel die Datensicherung und die Installation von neuen Geräten. „Wir beide waren auch schon auf Außentermin“, sagt Leuckert.

Aufmerksam wurde die Awo auf Vahid Mahdian durch einen längeren Artikel in der Volksstimme, der die Flucht der Familie von Afghanistan nach Magdeburg beschrieb. In Afghanistan arbeitete er als IT-Spezialist für Banken, Unternehmen und ausländische Botschaften. Dann musste er vor den Taliban fliehen. Seine Flucht mit Frau und Kind dauerte mehrere Monate, führte über zahlreiche Länder und kostete ein kleines Vermögen. Seitdem sitzt die junge Familie in der Flüchtlingsunterkunft am Bruno-Taut-Ring fest. Unklarer Status, keine Möglichkeit zum Arbeiten. Eine Umstellung um 180 Grad. In Afghanistan gehörte Vahid Mahdian zum Mittelstand mit eigenem Haus, Auto und großem Freundeskreis.

Die anfängliche Euphorie, es lebend nach Deutschland geschafft zu haben, machte Platz für den Alltag und ein sich änderndes gesellschaftliches Klima. „Seit Köln ist für uns alles anders“, berichtete Vahid Mahdian Anfang des Jahres. Er erzählte von wildfremden Menschen, die ihn in der Straßenbahn beleidigt oder seine Frau beim Einkaufen abschätzig behandelt haben. „Aber wenigstens sind wir sicher. Und die große Mehrheit ist freundlich. Wir danken allen Magdeburgern, dass wir hier sein dürfen“, sagt er.

„Als wir die Geschichte gelesen haben, wollten wir etwas machen“, sagt Angelika Heiden von der Awo, die mit Geschäftsführer Wolfgang Schuth und IT-Leiter Uwe Leuckert sprach. Beide sagten zu. Es wurde ein Treffen arrangiert.

„Die Schwierigkeit bestand vor allem darin, überhaupt einen Weg zu finden, wie wir ihn beschäftigen können“, sagt Wolfgang Schuth. Denn obwohl Vahid Mahdian zum Zeitpunkt des Treffens bereits mehr als ein Jahr in Magdeburg lebte und sogar schon eine Steuernummer besaß, war sein Aufenthaltsstatus völlig unklar. Abgesehen von den rechtlichen Hürden stand aber auch die Frage im Raum: Welcher Arbeitgeber beschäftigt jemanden, von dem er gar nicht weiß, ob er am nächsten Tag noch da ist?

Eine Möglichkeit ist der Bundesfreiwilligendienst, der auch Flüchtlingen offensteht. Diese Stellen werden für über 25-Jährige vom Bund mit 350 Euro gefördert. „Das ist keine dauerhafte Lösung, aber es ist ein Einstieg in den Arbeitsmarkt“, sagt Awo-Chef Schuth.

Und Einstieg bedeutet zum Beispiel für Vahid Mahdian, dass er nun einen geregelten Tagesablauf hat. „Das Schlimmste ist, wenn du nichts zu tun hast und dir in der Unterkunft die Decke auf den Kopf fällt“, sagt er.

Einstieg bedeutet auch, Deutsch im Alltag zu lernen. Zwar redet er mit IT-Chef Leuckert oft englisch, wenn beide nicht weiterkommen, aber zuerst wird es auf Deutsch probiert. Das sieht dann so aus, dass am Arbeitsplatz immer ein Laptop mit einem Übersetzungsprogramm läuft, wo beide schnell etwas eintippen können. Erst wenn das nicht hilft, wird ins Englische gewechselt.

„Wir waren auch schon gemeinsam auf Außenterminen bei unseren anderen Niederlassungen. Wir bekommen das schon hin“, sagt Uwe Leuckert und lächelt seinen „Schützling“ dabei an.

Für Wolfgang Schuth hat das Engagement aber noch eine weitere Dimension. „Wir können nicht nur lamentieren. Auch bei uns muss ein Umdenken stattfinden. Integration bedeutet auch Integration in den Arbeitsmarkt“, sagt er. Und schon die Demografie zeige, dass wir künftig in noch viel stärkerem Maße auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen sein werden, sagt er.

Wohin die Reise für Vahid Mahdian geht, ist noch nicht klar. Seit vergangenem Freitag hat er eine Aufenthaltserlaubnis für die nächsten drei Jahre. „Ich bin so glücklich. Als Nächstes wollen wir uns eine eigene Wohnung suchen“, sagt er. „Und bitte schreibt, dass wir uns bei allen bedanken, die so freundlich zu uns sind“, wiederholt er noch mal.